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So plant Daimler die Zukunft

Auch bei Mercedes-Benz legt man in Sachen Elektrifizierung massiv nach – und bereinigt das Verbrenner-Programm. Die A-Klasse bleibt, die B-Klasse dürfte dagegen gekippt werden.

Mit der Vision "AVTR" hat Daimler sehr weit nach vorn gedacht. | Foto: Daimler
Mit der Vision "AVTR" hat Daimler sehr weit nach vorn gedacht. | Foto: Daimler
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Gregor Soller

Wer A sagt, muss nicht unbedingt B sagen. Nach diesem Motto dürfte Mercedes-Benz sein Personenwagenprogramm künftig massiv umbauen, wobei die Schwaben für den Anfang mit Elektroderivaten von Verbrennern starten, heißt: Der EQA lehnt sich an der B-Klasse an und der EQB dürfte die Elektrovariante des GLB werden. Dazu kommen EQV (natürlich von der V-Klasse abgeleitet) und EQS, einer komplett neuen Luxuslimousine, die neben der neuen S-Klasse stehen wird. Bei allen Stromern plant Daimler Reichweiten von rund 500 Kilometern nach WLTP. Die EQS-Plattform soll laut Auto Motor und Sport auch einer weiteren Limousine und zwei SUV als Basis dienen. Ein offenes Geheimnis ist dagegen, dass auch das nur eine „Übergangslösung“ sein wird: Für eine übernächste Generation plant auch Daimler eine multifunktionale Plattform wie BMW, auf der Elektroantriebe, Plung-in-Hybride und Verbrenner entstehen könnten. Wobei auch hier gilt: „Electric first“. Separat fährt Daimler die Strategie für das G-Modell, das ebenfalls eine E-Version zur Seite gestellt bekommt.

Dazu stellt Daimler auch die Akkufertigung um: Bereits für die nächste Fahrzeuggeneration der EQ-Modelle soll ein Teil der Batteriezellen zu 100 % mit Strom aus erneuerbaren Energien produziert werden. Mit dem Bezug von CO₂-neutral produzierten Batteriezellen geht Mercedes-Benz Cars den nächsten Schritt auf dem Weg zu einer CO₂-neutralen Neuwagen-Flotte in zwanzig Jahren.

Rein elektrisch wird auch die neue Smart-Generation kommen, die komplett bei Geely entstehen wird: Daimler gibt hier nur noch Package und Design vor, die Konstruktion und vor allem die Produktion steuert dann Geely. Gestartet werden soll hier laut Insidern ab 2022 mit neuen Modellen, die anfangs parallel zu den aktuellen Smart-Modellen auf den Markt kommen. Aus denen heraus sollte dann eine komplett neue Smart-Familie mit verschiedenen Derivaten entstehen. Daimlers Problem: Seit Einführung der Marke 1997 hat Smart nie die Erwartungen an Gewinne und Stückzahlen erfüllen können.

Einen Strategieschwenk fährt man auch bei der Brennstoffzelle: Nachdem der GLC Fuel Cell nur in homöopathischen Dosen an ausgewählte Kunden verleast wird, will man das Thema jetzt vorrangig über die Nutzfahrzeuge skalieren, wo es deutlich mehr Sinn macht: Denn so kann man „Elektromobilität“ auch für Langstrecken interessant machen.

Ebenfalls neu bewertet wird die Allianz mit Renault-Nissan und Volvo: In ersterer knirscht es schon seit Längerem, weshalb man das Thema aktuell auf die Entwicklung der kleinen 1,33-Liter-Vierzylinder, die Renault und Daimler nutzen und die nächste Generation des Stadtlieferwagens Citan heruntergebrochen hat. Der basiert wieder auf dem Renault Kangoo, der seinerseits deutlich eckiger und dynamischer auftreten wird, um auch optisch eine echte „Mercedes“-Ableitung zu erleichtern. Und da Geely teils bei Daimler und ganz bei Volvo eingestiegen ist, erleichtert das Sondierungsgespräche für den gemeinsamen Einkauf von Daimler und Volvo. Gemeinsame Antriebe oder Plattformen sind Stand heute nicht geplant. Unter dem Strich würde es trotzdem Sinn machen, da sich BMW in dieser Hinsicht gerade Richtung Jaguar-Land-Rover orientiert.

Außerdem sondiert man mit Volkswagen die Etablierung einer gemeinsamen Software-Plattform, um dieses künftig viel wichtigere Thema schneller und kostengünstiger voranzutreiben. Womit wir beim Sparen wären, einer schwäbischen Kernkompetenz. Laut Auto Motor und Sport müssen die Zahl der aktuellen Antriebe und Modellversionen um dreißig Prozent reduziert werden. Was angesichts des riesigen Programmes nicht so schwer fällt, heißt: Die Cabrios von E- und S-Klasse erhalten keine Nachfolger mehr, auch das S-Klasse Coupé könnte gestrichen werden. Der künftige SL wurde an AMG „ausgelagert“, wo er mit dem nächsten AMG GT zusammengelegt wird. Ein Fragezeichen steht dagegen auch hinter dem AMG Viertürer-Coupé und dem CLS. Auch die B-Klasse dürfte keinen Nachfolger mehr erhalten. Womit Daimler beweist: „Wer A sagt, muss nicht B sagen.“

Was bedeutet das?

Auch Daimler agiert derzeit ähnlich wie BMW, doch die Stuttgarter haben viel Zeit verloren: Die neue „Plattform“ für EQS und Co. ist nur eine „Überganglösung“, das nur extrem halbherzig betriebene Thema Brennstoffzelle geht sinnvollerweise zu den Nutzfahrzeugen, Smart gab man an Geely ab und die Kooperationen mit Renault/Nissan und Volvo sind aktuell in einer Phase der Neubewertung. Gleichzeitig wird das zuletzt wild wuchernde Standardprogramm auf Kernprodukte dezent „zusammengestutzt“. Wichtig ist außerdem die Installation einer eigenen Softwareplattform, wo man sich aktuell Richtung Volkswagen orientiert. In Summe ein Riese-Kraftakt, der Ola Källenius da bevorsteht, da viele Entscheidungen in den letzten Jahren verschlafen oder verzögert wurden. Deshalb ist es umso wichtiger, diese jetzt zügig zu treffen – und nach A auch B zu sagen!

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