Seltene Erden und Metalle –droht das Scheitern der E-Fahrzeug-Produktion in Europa?
Nach einer Pressemitteilung der Frankfurter Messegesellschaft ist der Kampf um die wichtigsten Rohstoffe bereits im vollem Gange. Einer der wichtigsten Rohstoffe für die Antriebswende ist Lithium. Die hervorragenden elektrochemischen Eigenschaften des Alkalimetalls machen wiederaufladbare Batterien mit hoher Energiedichte überhaupt erst möglich.
„Ein typisches Elektroauto enthält etwa acht bis neun Kilogramm Lithium in unterschiedlichen Zusammensetzungen des Kathodenmaterials", erklärt Dr. Matthias Buchert, des Bereichs Ressourcen und Mobilität beim unabhängigen Forschungsinstitut Öko-Institut e. V. und u. a. Berater der Generaldirektionen der Europäischen Union (EU). „Die Lithium-Ionen-Batterie ist das Herzstück des modernen Elektroantriebs und daran wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern.“
70 Kilogramm Kupfer im Fahrzeug
Lithium ist aber nicht der einzige wichtige Rohstoff für die Elektromobilität. Kupfer zum Beispiel ist wegen seiner hervorragenden elektrischen Leitfähigkeit auch für Elektroautos gefragt. Mit rund 70 Kilogramm pro Auto wird für ein Elektroauto etwa die dreifache Menge im Vergleich zu einem Auto mit Verbrennungsmotor benötigt. Kobalt, Nickel, Mangan, Graphit und andere seltene Erden werden ebenfalls in elektrischen Antriebstechnologien verwendet.
Lithium ist begehrt, Kobalt in elf Jahren aufgebraucht
Die größte bekannte Lithiumreserve liegt mit rund neun Millionen Tonnen in Chile, gefolgt von Reserven in Australien, Argentinien und China. Wenn die Versorgungskette gut funktioniert, gibt es weltweit genug Lithium, um eine globale Umstellung des Antriebsstrangs zu ermöglichen. Doch ein anderer Rohstoff bereitet noch mehr Sorgen - Kobalt. Bei dem derzeitigen weltweiten Verbrauch reichen die Kobaltreserven nur noch für etwa elf Jahre.
„Etwa die Hälfte der bekannten Reserven befindet sich im Kongo, wo es unter teilweise menschenrechtlich problematischen Bedingungen abgebaut wird", sagt Dr. Karl Lichtblau, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Consult), das regelmäßig Studien zu diesem Thema für Unternehmen und politische Gremien durchführt.
Das Schwermetall ist seit langem in vielen industriellen Anwendungen wichtig, etwa beim Härten von Metallen und bei der Herstellung von Magneten. Autos mit Verbrennungsmotoren enthalten in der Regel nur wenige Gramm Kobalt. In Elektroautos sind dagegen Mengen im zweistelligen Kilogrammbereich enthalten, denn Kobalt ist ein wichtiger Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien. Es sorgt für eine besonders hohe Energiedichte, hohe Reichweiten, schnelle Ladezeiten und kleinere Batterien.
Forscher arbeiten an rohstoffoptimierten Batterien
Mit der zunehmenden Bedeutung der Elektromobilität steige auch der Bedarf an Kobalt, so Lichtblau. So könnten die bekannten Reserven von sieben Millionen Tonnen bereits in weniger als elf Jahren erschöpft sein.
„Der spezifische Kobaltgehalt des den europäischen Automobilmarkt dominierenden Kathodenmaterials in Lithium-Ionen-Batterien (Lithium-Ionen-Mangan-Kobalt-Oxid) ist bereits deutlich reduziert. Die Energiedichte dieser Batterien ist etwas geringer. Wir gehen aber davon aus, dass im Kleinwagensegment geringere Anforderungen an die Laufleistung von Elektroautos gestellt werden", erklärt hingegen der Öko-Instituts-Experte Buchert. Er fügt hinzu, dass an einer weiteren Reduzierung des Kobaltanteils und sogar an Energiespeichersystemen geforscht werde, die kein Kobalt verwenden, wie etwa eine neue Generation von Lithium-Eisenphosphat-Batterien.
Recycling könnte die Hälfte des Rohstoffbedarfs decken
Buchert hofft, dass die EU bald eine neue Batterierichtlinie einführen werde, die in allen 27 Mitgliedsstaaten gelte. Viele europäische Länder haben bereits industriepolitische Entscheidungen getroffen, die der Bedeutung von Produktion, Forschung und Rohstoffrecycling bei Batterien Rechnung tragen. Batterierecyclinganlagen werden einen Aufschwung erleben. So will der belgische Metallurgiekonzern Umicore bis 2026 für geschätzte 500 Millionen Euro die größte Batterierecyclinganlage der Welt in Europa bauen. Dies entspricht einer Kapazität von 150.000 Tonnen pro Jahr. Heutigen Großanlagen schaffen gerade einmal 12.000 Tonnen.
Effekt mit Verzögerung
Der Recyclingeffekt wird allerdings etwas verzögert eintreten. In den ersten Jahren werden es nur wenige Prozent sein, weil die Batterien lange in den Fahrzeugen verbleiben und dann möglicherweise ein zweites Leben in stationären Batteriespeichern haben. Aber nach 2035 könnte der Deckungsanteil mehr als ein Zehntel betragen und irgendwann wird das Recycling die Hälfte der benötigten Rohstoffe für die E-Mobilität liefern - und zwar allein aus heimischer Produktion, also aus den bestehenden Elektroautos auf unseren Straßen.
„Recycling muss von Anfang an mitgedacht werden, es beginnt schon bei der Konstruktion und Herstellung von Batterien und Antriebskomponenten, damit die Rohstoffe möglichst einfach wiedergewonnen werden können,“ betont Lichtblau. „Zurzeit ist dies für die Unternehmen noch nicht rentabel.“
Rohstoffverfügbarkeit ist auch Geopolitik
Recycling und Forschung allein werden jedoch nicht ausreichen, so Lichtblau. Kluge Geopolitik und Diplomatie sind der Schlüssel, um die Energiewende innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens zu schaffen. Damit meint er das, was wir kürzlich mit Nickel erlebt haben, einem silberfarbenen Metall, das wie Kobalt für die Kathoden (Minuspol) von Batterien benötigt wird. Nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine schoss der Nickelpreis in kurzer Zeit in die Höhe, und die Londoner Metallbörse musste sogar den Handel zeitweise aussetzen. Denn Russland ist einer der größten Nickelexporteure der Welt. Die Besorgnis über Lieferengpässe aufgrund der westlichen Sanktionen und der russischen Gegensanktionen war groß.
„Wir werden ein noch größeres Problem haben, wenn es zu einem geopolitischen Konflikt zwischen dem Westen und China kommt. Sollte dies der Fall sein, habe ich meine Zweifel, ob eine Antriebswende in Europa im geplanten Zeitrahmen gelingen kann", warnt Lichtblau.
China Rohstoff-Lieferant Nummer eins
Immerhin ist China nach Angaben der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) der wichtigste Rohstofflieferant der EU bei Metallen und Erzen, noch vor Russland. Seltene Erden wie Neodym und Dysprosium sind besonders wichtig für die Elektromobilität. China ist hier weltweit führend, sowohl bei den Reserven als auch bei der Verarbeitung. Eine Zahl der European Raw Materials Alliance (ERMA) macht die Abhängigkeit von China besonders deutlich: Obwohl die EU ein weltweit führender Hersteller von Elektromotoren ist, importiert sie 90 Prozent der für diese Motoren benötigten Dauermagnete auf Basis Seltener Erden aus China. Wenn die chinesische Regierung ihre dominante Stellung bei den Rohstoffen strategisch für politische Ziele einsetzt, würde das zu Engpässen in Europa führen.
Rohstoffe aus dem All?
Letztlich sind die Möglichkeiten Europas, geopolitische Entwicklungen zu beeinflussen, begrenzt. Und selbst die intensivsten Forschungsanstrengungen können nicht garantieren, das ausreichend Rohstoffe verfügbar sind. Pläne, seltene Rohstoffe im Weltraum - zum Beispiel auf Asteroiden - abzubauen erteilen Rohstoffexperten mittlerweile eine Absage.
„Vor ein paar Jahren hatten wir die gleiche Diskussion über den Abbau von Seltenen Erden aus den Tiefen des Meeres", erinnert sich Buchert. „Daraus wurde nichts, weil Aufwand und Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen standen. Der Meeresboden ist immer noch ein wahrscheinlicherer Kandidat als der Weltraum. Selbst wenn es irgendwann technisch möglich wäre, würde es wirtschaftlich keinen Sinn machen. Es wäre viel besser, die Rohstoffe, die wir auf unserem Planeten haben, effizient zu nutzen und zu recyceln.“
Was bedeutet das?
Woher kommen all diese Rohstoffe und haben wir genug davon, um die Antriebswende zu schaffen? Gerade für Europa kann die Antwort nur ein effektives Recyclingprogramm sein.
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