Scheuer-Ministerium: Millionen für Schienen flossen in Straßen
Wie der Bundesrechnungshof in seinen "Bemerkungen 2021" aufführt, hat das Bundesverkehrsministerium unter der Leitung der CSU-Minister Andreas Scheuer, Alexander Dobrindt und Peter Ramsauer über Jahre hinweg hohe Millionenbeträge aus dem "Förderprogramm Gleisanschluss" für Straßenbau- und Luftfahrtprojekte abgezweigt. Von 286 Millionen Euro, die der Topf umfassst, seien gerade einmal 110 Millionen Euro tatsächlich auch in sogenannten Gleisanschlussprojekte geflossen. 124 Millionen Euro seien in Fernstraßen und Fluggesellschaften geflossen, der Rest in weitere Projekte. Das sei schon seit 2007 systematisch geschehen, die Mittel für den Bahnbedarf zu hoch angesetzt worden. Wurden sie nicht abgerufen, setzte man die Mittel für andere Zwecke ein. Das Verkehrsministerium habe dadurch "wesentliche Grundsätze des Haushaltsrechts nicht beachtet", moniert der Bericht.
Zweckentfremdung von Millionen von Steuergeldern
Würden mehr Industrie- und Gewerbegebiete an das öffentliche Schienennetz angeschlossenen, könnten mehr Güter mit der Bahn anstatt per Lkw auf der Straße transportiert werden, konstatiert der Hof. Das stärke den Schienengüterverkehr und leiste einen Beitrag zum Klimaschutz. Aus dem dafür eingerichteten Förderprogramm „Gleisanschlüsse“ finanzierte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in den Jahren 2007 bis 2020 allerdings mit fast der Hälfte der Mittel – mit 124 Mio. Euro – zweckfremd Bundesfernstraßen und Flughäfen, stellen die Prüfer weiter fest. Haushaltsrechtlich sei das zwar zulässig, aber kontraproduktiv mit Blick auf die verkehrs- und klimaschutzpolitischen Ziele des Bundes, die das Gleisanschlussprogramm als Teil des „Aktionsprogramms Klimaschutz 2020“ verfolgt. Solche Fehlentwicklungen müsse das BMVI unterbinden.
Finanzierungssystem mit Mängeln
Der Bund investiert jedes Jahr Milliarden Euro in den Erhalt und die Verbesserung des Schienennetzes: In den Jahren 2020 bis 2029 werden es insgesamt bis zu 58 Mrd. Euro sein. Die Mittel fließen an die Eisenbahninfrastrukturunternehmen, welche die Schienenwege des Bundes bauen, unterhalten und betreiben, konstatieren die Prüfer.
"Dieses Finanzierungssystem hat schwerwiegende Mängel, auf die der Bundesrechnungshof in der Vergangenheit mehrfach hinwies und die sich in mehreren Bemerkungen wiederfinden", moniert der Rechnungshof.
Es gehe um mangelhafte Steuerung und Kontrolle durch das BMVI, Fehlanreize und Unwirtschaftlichkeit. Die Gewinne ihrer Eisenbahninfrastrukturunternehmen zahlte die DB AG dem Eigentümer Bund nicht in jedem Jahr vollständig als Dividende aus. Dazu ist sie allerdings vertraglich verpflichtet. Da dieses Geld eigentlich für Ersatzinvestitionen vorgesehen ist, fehlt der hohe Millionenbetrag für den Ausbau und den Erhalt des Schienennetzes. Das BMVI sollte bisher vertragswidrig nicht an den Bund abgeführte Gewinne von der DB AG nachfordern und sicherstellen, dass die DB AG die für das Schienennetz bestimmten Gewinne jährlich vollständig auszahlt.
Laissez-Faire beim Ausbau von Rangierbahnhöfen
Für ursprünglich 495 Mio. Euro sollten in Rangierbahnhöfen u. a. Steuerungstechnik, Weichen und Rangiergleise ergänzt, geändert oder erneuert werden. Das BMVI überwachte die Umsetzung dieses Maßnahmenpakets nur unzureichend und griff bei Fehlentwicklungen nicht steuernd ein,kritisieren die Prüfer. So habe sich die Laufzeit des Programms um elf Jahre verlängert, weil sich Maßnahmen verzögerten. Die Ausgaben seien bisher um fast 150 Mio. Euro höher als geplant, mit einem zusätzlichen dreistelligen Millionenbetrag ist zu rechnen. Das einzig messbare Ziel, die Leistungsfähigkeit von Rangierbahnhöfen zu steigern, sei um bis zu 29 Prozent verfehlt worden.
BMVI geht Rückforderungsansprüchen nicht nach
Das BMVI unterlasse es zudem seit Jahren, stichprobenartig die wirtschaftliche Verwendung der Bundesmittel für den Erhalt des Schienennetzes zu kontrollieren. Damit verzichte es von vorneherein auf mögliche Rückforderungen, sodass ein unwirtschaftlicher Einsatz dieser Mittel ohne Folgen bleibt. Bei allen geprüften Schienenbaumaßnahmen – sieben Brücken und ein Tunnel – hat der Bundesrechnungshof mangelhafte Planungen und Ausführungen festgestellt. Mit konkreten Hinweisen auf grob fahrlässiges Handeln der Eisenbahninfrastrukturunternehmen und unwirtschaftliches Handeln, das Mehrausgaben in Millionenhöhe verursachte. Das BMVI muss nun endlich für Abhilfe sorgen, fordert der Hof.
Lärmschutzwälle gehen ohne Prüfung durch
Laxen Umgang mit Finanzmitteln wirft der Hof dem Ministerium auch beim Bau von Lärmschutzwänden vor. Hier seien in den letzten 15 Jahren 2,2 Milliarden Euro in die Wälle an Bundesstraßen geflossen, auf 2.500 Kilometern Länge. Die Prüfer stellten hier immer wieder Mängel fest, die von der "Straßenbauverwaltung ignoriert wurden". Zur Überraschung der Kontrolleure habe sich herausgestellt, dass die Wände auch überhaupt nicht auf ihre Wirksamkeit hin überprüft wurden. Das sei etwa in Österreich Standard und habe die Qualität stark verbessert.
Interessenkonflikte an der Bahn-Spitze
Zudem stellte der Hof massive Interessenkonflikte an der Bahnspitze fest. Abgeordnete des Deutschen Bundestages und verschiedene Bundesbedienstete sind oder waren zugleich Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bahn AG (DB AG). Durch diese Doppel- oder Mehrfachfunktionen nehme das BMVI in Kauf, dass gegenläufige Konzern- und Bundesinteressen von derselben Person vertreten werden. Dabei habe der Bund dafür zu sorgen, dass Mitglieder der Aufsichtsräte der DB AG und ihrer Töchter ihre Mandate frei von Interessenkollisionen ausüben. Bei mehreren Aufsichtsratsmitgliedern sei das nicht der Fall gewesen.
"Sie nehmen oder nahmen konkurrierende Funktionen bei der DB AG als Empfänger von Bundesmitteln und dem Bund als Geldgeber wahr. Oder sie mussten für die DB AG deren Wettbewerbsinteressen vertreten, hatten als Vertreter des Bundes aber auch Einfluss auf die Marktordnung und den Wettbewerb", kritisiert der Hof weiter.
Obwohl die Grundsätze des Bundes zur guten Unternehmensführung bereits dem Anschein einer möglichen Parteilichkeit bei Entscheidungen entgegenwirken sollten, habe das BMVI die möglichen Interessenkollisionen weder vorbeugend geprüft, noch haben die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder die widerstreitenden Interessen gemeldet. Auch die DB AG und ihre Gremien hätten nicht für die nötige Transparenz gesorgt.
"Das BMVI darf die Grundsätze guter Unternehmensführung nicht weiter missachten. Es muss bestehende Interessenkollisionen auflösen und derartige Fälle künftig ausschließen", appellieren die Prüfer.
Bundeswehr bremst Ausbau der E-Mobilität im zivilen Fuhrpark
Auch das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) kommt bei den Prüfern nicht gut weg. Es verfehle die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der Elektromobilität deutlich. In ihrer Nachhaltigkeitsstrategie legte die Bundesregierung fest, dass mindestens 20 Prozent – und zukünftig sogar 38,5 Prozent – der neu beschafften Dienstwagen emissionsarm sein sollen. Das BMVg sei davon weit entfernt, weil nur gut 1 Prozent der neuen zivilen Dienstwagen der Bundeswehr emissionsarm sei. Dadurch liege auch der CO2‑Ausstoß der Flotte viel zu hoch und überschreite den von der Bundesregierung festgelegten Höchstwert deutlich. Auch künftig will das BMVg jährlich nur 700 emissionsarme Fahrzeuge beschaffen. Gemessen am Ziel müssten es aber mindestens 2.400 sein.
"Da die Bundeswehr mehr als die Hälfte aller Dienstwagen des Bundes betreibt, ist das BMVg maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Bundesregierung ihre selbstgesteckten Nachhaltigkeitsziele nicht erfüllt", kritisiert der Hof.
Umweltministerium: Messbare Ziele für Programm fehlen
Doch auch im SPD-geführten Bundesumweltministerium sieht man Verbesserungspotenzial: Seit mehr als 40 Jahren fördere das Bundesministerium für Umwelt (BMU) umwelttechnische Anlagen und Verfahren, um Umweltbelastungen zu vermeiden oder zu vermindern – zuletzt mit durchschnittlich 20 Mio. Euro pro Jahr. Allerdings habe es für das Programm keine messbaren Ziele festgelegt. Die Wirksamkeit des Umweltinnovationsprogramms könne es deshalb nicht überprüfen, kritisiert der Hof. Das BMU habe auch nicht festgelegt, welche Bestandteile der Projekte als Innovationen förderfähig sind. So förderte es über Innovatives hinaus weitere Anlagenteile bis hin zu kompletten Produktionsstätten. Das BMU müsse die seit fast 25 Jahren unveränderte Förderrichtlinie unverzüglich überarbeiten und festlegen, welche konkreten Ziele das Umweltinnovationsprogramm in einem bestimmten Zeitraum erreichen soll und die Förderung auf Ausgaben für Innovatives begrenzen. Auf Grundlage der überarbeiteten Förderrichtlinie erwartet der Bundesrechnungshof eine umfassende Erfolgskontrolle des Umweltinnovationsprogramms.
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