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Rivian R1S: Starke Vorlage für den R2S

Auch Rivian plant den Markteintritt in Europa. In den USA hatten wir die Möglichkeit, den größeren R1S ausgiebig zu inspizieren.

Wir hatten die Wahl: Beim Händler in Newport Beach standen mehrere R1S (und einige R1T) zur Verfügung. | Foto: G. Soller
Wir hatten die Wahl: Beim Händler in Newport Beach standen mehrere R1S (und einige R1T) zur Verfügung. | Foto: G. Soller
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Die Idee war ja bestechend: Die 1500er-Pick-Ups vom Schlage eines Ford F-150 sind in den USA gigantische Stückzahlenbringer mit 400.000 (Ram 1500) bis über 600.000 (Ford F-150) Einheiten pro Jahr. Zumal es diese Modelle auch als SUV gibt. Dann heißen sie Ford Expedition oder Chevy Tahoe. Das ganze jetzt rein elektrisch und von den Maßen her eher am unteren Ende – sollte doch ein Erfolg werden, oder?

2023 konnte Rivian Produktion und Absatz merklich steigern

Nun ja, fast! Den schnell zogen die drei großen US-Konzerne mit elektrischen Pick-Ups nach und außerhalb Kaliforniens haben sie es mit der E-Mobilität dann eben doch nicht so. Trotzdem: 2023 konnten mittlerweile über 57.000 Rivian R1T und R1S produziert und über 50.000 Einheiten ausgeliefert werden. Und in Kalifornien sieht man ihn mittlerweile oft – leicht zu erkennen an den charakteristischen Tagfahr-LEDs, die sich aus einem Streifen und zwei Ovalen zusammensetzen.

Während wir 2022 Rivian noch wie nadeln im Heuhaufen suchen mussten, konnte man jetzt durchaus einige Exemplare in privaten Händen fahren sehen, sodass zumindest im Großraum L.A. schon ein "Grundrauschen" hinsichtlich der Verbreitung gegeben war.  

Wir besuchten den Händler in Newport Beach, wo man uns sofort einen R1S aufsperrte. Erster Eindruck: Für ein Start-Up sauber verarbeitet und, ganz wichtig: Der R1S riecht innen gut! Nicht billig, nach Kunststoffen oder Kleber oder oder und Design und Verarbeitung halten weiteren Prüfungen stand: SO muss ein US-Pick-Up oder –Geländewagen innen aussehen! Alle Spaltmaße passen und die wenigen Schalter und Taster können haptisch überzeugen.

Auch die Sitze punkten mit Straffheit und ordentlichem Verstellbereich – als 1,9-Meter-Europäer findet man sofort eine ergonomisch passende Position. Sie sind immer vegan und lassen sich heizen oder kühlen. in beheizbares Lenkrad ist ebenfalls Serie. Auch in Reihe 2 ist genug Platz, Reihe drei ist fällt allerdings auch hier eher knapp aus – trotz des steilen Hecks und 3.075 mm Radstand. Um sie zu entern kann respektive muss Reihe zwei nach vorn – sollen ganz hinten nicht nur Kleinkinder mitfahren, muss die mittlere Reihe etwas nach vorn…ist eben kein Van…

Gut nutzbarer Innenraum, durchdachte Details

Dafür gibt es vorn unter der Haube einen richtig großen Frunk (Rivian nennt 312 Liter) und eine geteilte Heckklappe, die das Beladen erleichtert. Hinter Reihe drei bleiben allerdings nur 142 Liter, was man aber durch Umlegen aller Rücksitze bis auf 1.832 Liter erweitern kann. Der große Zentralscreen lässt sich gut bedienen, allerdings muss man auch hier manche Menüunterpunkte lange suchen. Mittig sitzt der große 15,6-Zoll-Touchscreen, dazu kommt ein übersichtliches 12,3-Zoll-Instrumentendisplay. Immerhin: Der große Touchscreen ist hell, klar und reaktionsschnell. Über ihn steuert man die Fahrmodi, Klimatisierung, Medien und Navogation. Etwas überrascht hat uns, dass er weder über Apple Carplay noch Android Auto unterstützt. Denn Rivian will die Technik nicht ins selbst programmierte Betriebssystem integrieren. Beim Rangieren helfen zehn Außenkameras die Übersicht zu verbessern.

Cool: Die Ladeklappe und der selbstnivellierende Camping-Mode

Was uns auch gewundert hat: Trotz der optionalen Hardcore-Auslegung inklusive grobstolligen Pirelli-All-Terrain-Sohlen gönnt sich der R1S grundsätzlich eine elektrische Ladeklappe vorn am Kotflügeleck, die auf Knopfdruck kunstvoll nach oben fährt. A propos nach oben fahren: das kann er auch fahrwerkstechnisch im selbstnivellierenden Camp-Modus, damit man nicht aus seinem Dachzelt kullert, falls man eines montiert hat. Dazu passt der abnehmbare Bluetooth-Lautsprecher, das Video-Sicherheitssystem und ein integrierter Luftkompressor. Allerdings fehlt dem R1S das raffinierte Staufach, das sich beim R1T Pickup direkt vor den Hinterrädern befindet.

Aber was die All-Terrain-Pneus schon andeuten: Auf der Straße reagieren andere direkter. Unsere US-Kollegen hatten auch schon Vergleichstests mit dem BMW iX60 und dem Pick-Up R1T und waren in beiden Fällen erstaunt, wie staksig sich der R1S im direkten Vergleich fuhr. Klar, nachdem er eher aus der Hardcore-Ecke kommt, kann und will er gar nicht die Fahrdynamik eines BMW iX bieten, aber dass er gegenüber dem sauber abgestimmten Pick-Up R1T mit längerem Radstand vergleichsweise hibbelig fuhr, überraschte die Kollegen dann doch, zumal sie beide Autos direkt hintereinander testeten. Andererseits hilft der Akku, den Schwerpunkt zu senken und wenn man Straßenreifen aufzieht, ändert sich hier viel zum Direkteren.  

Die Preise fallen angemessen aus: In den USA startet der „Adventure“ vor Steuern ab 74.900 Dollar, dafür gibt es schon 533 PS, womit einen der R1T zur Not in 5,5 Sekunden auf 100 km/h zoomt – wofür wir Straßenreifen aufziehen würden. Der Performance Dual-Motor-AWD kostet nur 5.000 Dollar mehr und fährt dann schon mit 665 PS vor und schafft es in unter vier Sekunden auf 100 km/h. Topmodell ist der 835 PS leistende Quad-Motor, der in gut drei Sekunden auf 100 km/h schießt.

Ordentliche Reichweiten dank riesiger Akkus

Dazu gibt es mehrere Akkugrößen: Der „Standard“ bietet 270 Meilen (gut 430 km, real eher 300 km), Standard + für 3100 Dollar extra 315 Meilen (gut 506 km, real eher 400 km), Large (9.100 Dollar extra) kann bis zu 352 Meilen (gut 566 km, real eher 450 km) und Max (Achtung: 19.100 Dollar Aufpreis!) gar bis zu 400 Meilen, also gut 643 km, von denen real knapp 500 bleiben dürften.

Dahinter stehen allerdings riesige Akkukapazitäten, die 105, 135 und 180 kWh bieten. Die Ladeleistung gibt Rivian mit bis zu 160 kW an, perspektivisch sollen aber bis zu 300 kW drin sein. Trotzdem wird schnell klar: Wirklich effizient ist der 5,10 Meter lange und 3,2 Tonnen schwere R1S nicht. Dafür stimmen Zuladung (über 600 kg) und die 3,5 t Anhängelast. Die Breite von 2015 mm mit angeklappten Spiegeln ist für Europa zu viel, ebenso wie die fast 5,08 Meter Länge, weshalb ein kleinerer R2S in Arbeit sein soll.

Wir rechnen hier mit rund 4,8 Meter Länge und – hoffentlich weniger als 2,7 Tonnen Leergewicht. Man darf gespannt sein auf die genauen Spezifikationen und Preise. Von den Anlagen her würde ein R2S gut in die Nische zwischen Mercedes EQG und EQE SUV passen. Optik und Anlagen stimmen und die Outdoortauglichkeit nimmt man dem amerikanisch gestalteten R1S ab – und fragt sich manchmal, weshalb Jeep genau das so nicht schon längst als Wagoneer produziert.

Was bedeutet das?

Die Nischen im Offroadsegment sind klein und schmal: Und doch existieren sie. Beim Rivian R2S würden wir sie so beschreiben: Gesucht wäre ein reduziert gestaltetes typisch amerikanisches elektrisches Offroadfahrzeug, das auch abseits der Straßen wirklich Kompetenz kann, nicht zu teuer und eigenständig gestaltet ist. Wenn Rivian beim R2S ein bisschen an Größe, Gewicht und Fahrwerk feilt, könnte das klappen und die Marke würde Fans gewinnen, wo momentan kein vergleichbares Angebot existiert! Sodass in ganz Europa vier- im Idealfall gar fünfstellige Stückzahlen drin sein könnten.

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