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"Renaulution" 2: Luca de Meo zettelt französische Revolution an

Luca de Meo, Vorstandsvorsitzender der Groupe Renault, präsentiert den neuen Strategieplan „Renaulution”. Sein Ziel ist dabei die Ausrichtung der Unternehmensstrategie weg vom Volumen hin zum Wert.

Er begann bei FCA und machte Seat profitabel: Luca de Meo plant einen dezenten, aber nachhaltigen Umbau von Renault. | Foto: Renault
Er begann bei FCA und machte Seat profitabel: Luca de Meo plant einen dezenten, aber nachhaltigen Umbau von Renault. | Foto: Renault
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Gregor Soller

Der Peak Auto dürfte überschritten sein – zumindest in Europa und Nordamerika – und das nicht nur wegen Covid 19, sondern einfach, weil sehr viele Märkte gesättigt sind. Und nachdem immer offensichtlicher wird, dass nicht der große, sondern eher der schnelle Vogel den Wurm fängt, steuert auch der neue Renault-CEO entsprechend um. „Renaulution” nennt der gebürtige Italiener de Meo die Neuausrichtung Renaults. Er kennt Krisen und hat schon einige gemeistert (hier stählten ihn Fiat und Seat). Er stellt nicht mehr die schiere Stückzahl, sondern die nachhaltige Profitabilität des Unternehmens in den Fokus sicher und möchte bis 2050 in Europa den CO2-Fußabdruck der Renault Gruppe auf Null zu reduzieren.

Die „Renaulution” umfasst drei Phasen, die parallel starten und vorbereitet werden:

Erholung: bis 2023 – der Fokus liegt auf der Verbesserung der Margen und der Cash-Generierung Erneuerung: bis 2025 – Erschließung neuer Fahrzeugsegmente; Ziel: die Rentabilität steigern Revolution: ab 2025 – verstärkte Ausrichtung des Geschäftsmodells auf Technologie, Energie und Mobilität; Ziel ist, die Renault Gruppe zu einem Vorreiter in der neuen Mobilität zu machen. Luca de Meo erklärt seinen Plan wie folgt:

„Bei der Renaulution geht es darum, das gesamte Unternehmen von Volumen auf Wert umzustellen. Es ist mehr als ein Turnaround, es ist eine tiefgreifende Transformation unseres Geschäftsmodells. Wir haben ein stabiles, gesundes Fundament für unsere Performance geschaffen. Wir haben unsere Prozesse verschlankt, angefangen bei der Entwicklung, unsere Größe angepasst, wenn es nötig war, und unsere Ressourcen in Produkte und Technologien mit hohem Potenzial gelenkt. Diese gesteigerte Effizienz wird unsere künftige Produktpalette beflügeln: technologiegetrieben, elektrifiziert und wettbewerbsfähig. Und dies wird unsere Marken stärken, jede mit ihrem eigenen klaren, differenzierten Gebiet; verantwortlich für ihre Profitabilität und Kundenzufriedenheit. Wir werden uns von einem Autokonzern, der mit Technologie arbeitet, zu einem Tech-Unternehmen entwickeln, der mit Autos arbeitet und bis 2030 mindestens 20 Prozent seines Umsatzes mit Dienstleistungen, Daten und Energiehandel erzielt. Auf dem Weg dorthin stützen wir uns auf die Stärken dieses großartigen Unternehmens, auf die Fähigkeiten und das Engagement seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Renaulution ist ein Strategieplan, den wir so umsetzen und erreichen werden, wie wir ihn erarbeitet haben: gemeinsam.”

Die konkreten Punkte klingen dann eher bekannt bis banal: Die Wettbewerbsfähigkeit soll besser werden, indem die Effizienz in Engineering und Produktion gesteigert wird; Ziel ist, die Fixkosten zu senken und die variablen Kosten weltweit zu verbessern. Die aktuellen industriellen Assets der Gruppe und die Führungsposition in der E-Mobilität sollen konsequent genutzt werden. Außerdem sollen natürlich die Vorteile der Allianz mit Nissan und Mitsubishi weiter gehoben werden, was konkret mit der neuen CMF-Plattform startet.

Neue Geschäftsfelder mit Mobilitätsservices

Wichtiger ist das die Erschließung der Geschäftsfelder Mobilitätsservices sowie Energie- und Datenmanagement. Entsprechend baut de Meo das Unternehmen um: Die Funktionen, mit dem Engineering an der Spitze, sind für die Wettbewerbsfähigkeit, die Kosten und zeitgerechte Produkteinführung der Marken verantwortlich. Die Marken steuern ihre Profitabilität.

Entsprechend dieser wertorientierten Organisation soll das Unternehmen seine Leistung künftig nicht mehr an Marktanteilen und Umsatz messen, sondern an Rentabilität, Cash-Generierung und Effektivität der Investitionen. Dazu gehören auch neue finanzielle Ziele: Bis 2023 soll eine operative Konzernmarge von mehr als 3 Prozent erreicht werden und ein kumulativer operativer Free Cashflow im Automobilbereich von etwa 3 Milliarden Euro (2021-23); die Investitionen (F&E und Capex) sollen auf unter 8 Prozent des Umsatzes sinken.

Zahlen, über die Digitalunternehmen teils nur müde lächeln können, die aber im Pkw-Geschäft mittlerweile schon als gut gelten – und die noch besser werden sollen: Bis 2025 soll eine operative Konzernmarge von mindestens 5 Prozent erreicht werden, ein kumulativer operativer Free Cashflow im Automobilbereich von etwa 6 Milliarden Euro (2021-25) und eine Verbesserung der Kapitalrendite (ROCE) um mindestens 15 Punkte gegenüber dem Jahr 2019.

Vier neue Business Units: Renault, Dacia-Lada, alpine und Mobilize

Vier Business Units sollen Identität und Positionierung stärken: Renault, Dacia-Lada, Alpine und Mobilize. Geplant sind 24 Neueinführungen bis 2025 – die Hälfte davon in den margenstärkeren C/D-Segmenten (ab Mégane aufwärts) – und mindestens 10 vollelektrische Fahrzeuge. Die neue wertorientierte Organisation wird in Verbindung mit der Produktoffensive zu einem besseren Preis- und Produktmix führen.

Außerdem plant de Meo eine Reduzierung der Zahl der Fahrzeugplattformen und der Antriebsstränge: Alle Modelle, die auf den bestehenden Plattformen eingeführt werden, werden in weniger als 3 Jahren auf dem Markt sein; Das Produktionsvolumens soll von 4 Millionen Einheiten im Jahr 2019 auf 3,1 Mio. Einheiten im Jahr 2025 sinken, dazu kommt eine „erhöhte Effizienz mit Lieferanten“, wobei viele Zulieferer teils ohnehin schon am Rande der eigenen Wirtschaftlichkeit arbeiten. Über strikte Kostendisziplin über Senkung der Fixkosten und der variablen Kosten sowie der F&E- und Capex-Ausgaben soll die Gewinnschwelle (Break-even) bis 2023 um 30 Prozent sinken.

Neue französische Welle:„La nouvelle Vague”

Mit einer umfassenden Produktoffensive, der sogenannten "Nouvelle Vague", zu Deutsch „Neue Welle”, will Renault nicht weniger als „Maßstäbe in der Automobilindustrie setzen“. Das hehre Ziel ist, „die Führungsrolle bei der Energiewende durch Elektro- und Wasserstofflösungen zu stärken und bis 2025 den grünsten Antriebsmix aller Hersteller in Europa anzubieten“. Dazu wird Renault 14 neue Modelle auf den Markt bringen, davon sieben vollelektrisch. Außerdem will man den Segmentmix mit einer C-Segment-Offensive verbessern und die Positionen in Europa stärken.

Gleichzeitig konzentriert sich die Marke in Schlüsselmärkten wie Lateinamerika und Russland auf profitable Segmente und Kanäle. Die Strategie der Marke basiert damit laut Renault „auf aktuellen Stärken“, die ausgebaut werden sollen. Im Bereich Elektrifizierung will Renault bis 2025 führend sein. Dazu dient die Etablierung des „Elektro-Pole” in Nordfrankreich mit der weltweit größten Produktionskapazität der Renault Gruppe für Elektrofahrzeuge. Hinzu kommt ein Joint-Venture im Bereich Wasserstoff. Eine zentrale Säule ist zudem die gute Position in der Hybridtechnologie.

Stärkung im Tech-Bereich mit offener Software

Im Technologie-Bereich wird Renault künftig auf die sogenannte "Software République" setzen – ein offenes kooperatives Ökosystem, das sich mit Software, Daten, Cybersicherheit und Mikroelektronik befasst. Dies wird das Renault Angebot an vernetzten Diensten erweitern. Renault wird zum Akteur in Schlüsseltechnologien von Big Data bis Cybersicherheit.

Darüber hinaus nutzt Renault seine starke Position im Bereich Kreislaufwirtschaft mit EV- und Energiedienstleistungen. Dazu richtet das Unternehmen den französischen Produktionsstandort Flins neu aus zu einem Zentrum für Kreislaufwirtschaft rund um die Mobilität. Ziel der bis 2024 entstehenden, sogenannten „Re-FACTORY” ist es, mit nachhaltig optimierter Kreislaufwirtschaft zu einer negativen CO2-Bilanz der Mobilität bis 2030 beizutragen.

Endlich wird bei Dacia und Lada aufgeräumt

Die Schaffung der eigenen Business Unit Dacia-Lada soll auch die günstigen Modelle margenstärker machen: So sollen die Rumänen und Russen verstärkt die neue, hochflexible (Verbrenner-)CMF-B-Plattform der Allianz nutzen und die Zahl der Fahrzeugplattformen von vier auf eine und die Zahl der Karosserietypen von 18 auf elf reduzieren. Die durchschnittliche Produktion soll so von 0,3 Millionen Einheiten pro Plattform auf 1,1 Millionen Einheiten pro Plattform steigen, womit, kurz nachgerechnet auch hier eher mi konservativen Stückzahlen geplant wird: Denn 0,3 mal vier ergibt 1,2 und 1,1 mal eins ergibt 1,1.

Dacia soll mit einem „Hauch von Coolness“ wie bislang auf einen klaren, kostendisziplinierten „Design-to-Cost”-Ansatz in der Produktentwicklung setzen. Nach dem neuen Sandero und dem elektrischen Spring sollen bis 2025 sollen drei weitere neue Dacia Modelle folgen, darunter mit Sicherheit der Duster-nachfolger plus eventuell ein zweites größeres SUV, das den Van Lodgy ersetzt. Mit der Studie "Bigster" zeigt man, wie Dacias Zukunft samt neuem Logo aussehen könnte.

Lada bleibt vorerst beim Verbrenner

Ein Siebensitzer mit viel Laderaum ist vor allem für Nordafrika und Osteuropa wichtig. Insgesamt plant die Business Unit die Einführung von sieben neuen Modellen bis 2025, davon zwei im C-Segment. Im Bereich alternativer Antriebe sollen beide Marken Konzern-Technologien nutzen können, dabei ist LPG für Dacia und Lada Modelle vorgesehen, für Dacia auch die E-Tech-Technologie. Nachdem Lada vor allem in Russland und den einstigen Sowjetrepubliken stark ist, wo E-Mobilität bisher (fast) keine Rolle spielt, wird die Marke vorerst nicht elektrifiziert.

Alpine: Marke gerettet – geplant ist ein (sicher sehr leichter) E-Sportwagen, mit Lotus entwickelt 

Unter dem Dach der neuen Business Unit Alpine werden künftig die Bereiche Alpine Cars, Renault Sport Cars und Renault Sport Racing ihre Kräfte bündeln. Neben dem Fokus auf die Formel 1 und den Motorsport will Alpine neue leistungsstarke, innovative und rein elektrische Sportwagen entwickeln. Dabei wird die neue Alpine Business Unit auf das komplette technische Know-how der Renault Gruppe und der Allianz zurückgreifen. In Kooperation mit Lotus soll ein rein elektrischer Nachfolger der Alpine A110 entwickelt werden. Der dürfte bei Lotus gleichzeitig die Nachfolge der mittlerweile gut abgehangenen Elise antreten. Ziel der Business Unit Alpine ist es, im Jahr 2025 profitabel zu sein, einschließlich der Investitionen in den Motorsport.

Spannender neuer Geschäftszweig: Mobilize

Die neue Marke bündelt alle Aktivitäten der Renault Gruppe in den Bereichen Mobilität, Energie und datenbasierte Lösungen. Dabei nutzt Mobilize unter anderem die Expertise von RCI Bank & Services. Dieser neue Geschäftsbereich soll neue Geschäftsfelder aus Daten-, Mobilitäts- und Energiedienstleistungen entwickeln und bis 2030 mehr als 20 Prozent des Konzernumsatzes generieren. Über das Automobil hinaus wird Mobilize eine breite Palette an innovativen Dienstleistungen in den Bereichen Mobilität, Energie und Daten anbieten. Die neue Einheit wird über ein eigenes Engineering-, Qualitäts- und Designteam sowie ein eigenes Dienstleistungsangebot in den Bereichen Energie, Konnektivität und Mobilität verfügen.

Was bedeutet das?

Dass Luca de Meo der richtige Mann zur richtigen Zeit sein könnte, beweist die Neuausrichtung der Marken: Wo Goshn noch das Rennen um die schiere Größe mitging, orientiert sich de Meo an Profitabilität. Ein Trend, dem mittlerweile viele Autohersteller folgen. Denn künftig wird Flexibilität und Profitabilität und nicht mehr die schiere Größe über das Wohl und Wehe einer Automarke entscheiden. Mit dem geplanten Umbau könnte Renault das als einer er ältesten Automarken der Welt gelingen.

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