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Radverkehr: Grüne und CDU beklagen maue Förderung durch Wissing

"Macht Wissing den Scheuer"? Der Vorwurf des Grünen-Verkehrs-Experten Gelbhaar an den FDP-Verkehrsminister wiegt schwer. In seltener Eintracht beklagt auch CDU-Mann Thomas Bareiß, bisher eher für fossile Plädoyers bekannt, mangelnde Rad-Förderung. Zentral wäre eine Änderung des Straßenverkehrsrechts. Die fordert auch der ADFC, der in selten genug der Union beipflichtet. Doch die Reform hängt fest.

Papier ist geduldig: Auf der Eurobike 2022 stellte Verkehrsminister Wissing das Werk "Einladende Radverkehrsnetze" vor, doch weit ist er bei deren Aufbau noch nicht gekommen. | Foto: Eurobike/Fairnamic
Papier ist geduldig: Auf der Eurobike 2022 stellte Verkehrsminister Wissing das Werk "Einladende Radverkehrsnetze" vor, doch weit ist er bei deren Aufbau noch nicht gekommen. | Foto: Eurobike/Fairnamic
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Johannes Reichel

In seltener Allianz haben Bundestagsabgeordnete der Grünen und der CDU die unzureichende Förderung des Radverkehrs durch das Bundesverkehrsministerium von FDP-Minister Volker Wissing beklagt. Der hatte zwar jüngst eine 15-Millionen-Förderung für Infrastrukturprojekte verkündet, gemeinsam mit der Absicht, Deutschland zum Fahrradland machen und mehr fahrradfreundliche Kreuzungen schaffen zu wollen. Auch Fahrradbrücken hat sich der Minister auf die Fahnen geschrieben. Doch in Relation zur Aufgabe ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. "Verkehrsminister Wissing steht am Scheideweg: Macht er den Scheuer, also viele Worte und wenig Handeln, oder gibt es endlich mehr Mobilitätsangebote, auch jenseits des Autos", erklärte Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Es sollen zwar bis 2030 390 Millionen Euro vom Bund investiert werden für Radschnellwege. Doch Gelbhaar vermisst einen Generalplan und sieht beispielsweise bei Radwegen an Bundesstraßen, über die der Bund schnell disponieren könnte, großes Potenzial. Hier könne rechtlich und exekutiv einiges an "Planungsbeschleunigung" erzielt werden. Die FDP kämpfe im Augenblick allerdings nur für Autobahnen, kritisierte der Grünen-Politiker. Wissing stelle zu wenige personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung. Gleiches gelte auch für das wichtige Thema "Bahn&Bike", wo Gelbhaar große Chancen sieht und gar von einem "Gamechanger" spricht. Die Schnittstelle seien Fahrradparkhäuser am Bahnhof, wo sich das Verkehrsministerium aber nach wie vor zurückhalte, obwohl es planerische Initiativen von Kommunen gebe.

Union macht die Haltungs-Wende und fordert mehr Radverkehrs-Förderung

Auch aus der Union, bisher nicht bekannt für übermäßiges Engagment beim Thema Zweirad, kommt Kritik, dass zu wenig in den Radverkehr investiert werde. Zwar habe die Vorgängerregierung die Förderung des Radverkehs auf ein neues Niveau gehoben, lobt sich die Unionsfraktion selbst in einem Antrag von CDU/CSU zum "Fahrradland Deutschland", der für Mittwoch zur Debatte ansteht. Wissings Vorgänger Andreas Scheuer von der CSU habe mit dem "Nationalen Radverkehrsplan 3.0" eine Vorlage geliefert, die es nun umzusetzen gelte. Anders als im Koalitionsvertrag versprochen, gebe es bisher aber keinen einzigen Legislativvorschlag, moniert die Union.

"Entgegen vollmundiger Ankündigungen hat sich die Bundesregierung in Sachen Radverkehr bisher vor allem durch eines ausgezeichnet: Untätigkeit", kritisierte Thomas Bareiß, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Er war zuvor Wirtschaftsstaatsekretär und bisher eher als Verfechter fossiler Technologien und Klimawandelskeptiker aus dem Umfeld der sogenannten Werteunion und des klimawandelskeptischen "Berliner Kreises" bekannt, wie die NGO Greenpeace 2021 in ihrem "Schwarzbuch Klimabremser" sowie das Sachbuch "Klimaschmutzlobby" der Spiegel-Journalistin Sabine Götze und der Journalistin und Autorin Annika Joeres dokumentierten. Stefan Gelbhaar von den Grünen grenzt sich denn auch entsprechend ab und sieht das ohnehin zu kurz gesprungen.

"Die Reform des Straßenverkehrsrechts hängt im Verkehrsministerium. Um eine gute Radinfrastruktur mit Fahrradstraßen, geschützten und breiten Radstreifen als auch Kiezblocks aufzubauen, braucht es diese Reform".

Damit könnte Straßenland rascher umgewidmet, andere Nutzungen erleichtert und die Vorfahrt fürs Rad einfacher angeordnet werden, skizziert Gelbhaar.

 

ADFC begrüßt Vorstoß der Union: Lichtjahre von Radwegnetz entfernt

Ins gleiche Horn stößt auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club ADFC, der insbesondere den unerwarteten Vorstoß der CDU/CSU-Fraktion begrüßte. ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider erklärte, die Union habe Recht, das Fahrradland, das Deutschland laut Nationalem Radverkehrsplan bis 2030 werden will, "ist noch nicht mal als Silberstreif am Horizont erkennbar". Es sei gut, dass die Opposition das jetzt erkannt hat und der Ampel Druck macht, die Umsetzung des Radverkehrsplans per Gesetz voran zu treiben und das Straßenverkehrsgesetz zu reformieren.

"Von den anvisierten flächendeckenden Radwegenetzen sind wir Lichtjahre entfernt, der Ausbau der Radinfrastruktur kommt kaum voran. Radfahren in Deutschland ist auch in Minister Wissings zweitem Amtsjahr immer noch eine Mutprobe. Nicht einmal 50 Kilometer Radschnellwege gibt es, gebraucht werden nach unserer Schätzung mindestens 2.000. Es fehlen zehntausende Kilometer Alltagsradwege in den Kommunen und rund 1,5 Millionen Fahrradabstellplätze an Bahnhöfen. Weiterhin keine einladenden Bedingungen zum Radfahren also", monierte Schneider.

Angesichts der massiv verfehlten Klimaziele und der riesigen Platzprobleme im Verkehr müssten völlig neue Ziele als gleichrangig im StVG festgeschrieben werden – nämlich der Klimaschutz und eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung. So sei es auch im NRVP festgehalten, aber der Minister handle nicht.

"Wissings Fahrradland krankt vor allem am Unwillen, das überholte Straßenverkehrsgesetz verkehrswendetauglich zu reformieren", kritisierte Schneider weiter.

Schon bei Verabschiedung des Nationalen Radverkehrsplans Mitte 2021 hatte der ADFC kritisiert, dass dem Plan quantifizierte Ziele für den Modal Shift – also die Verlagerung von Autofahrten auf das Fahrrad fehlten. Auch fehlt ein Umsetzungsplan mit Zahlen zum aktuellen Ausbaustand der Radinfrastruktur und natürlich Zielzahlen. Die Bundesregierung sagt zwar, dass sie „lückenlose Radwegenetze“ will, aber nicht, was das eigentlich ist, wo wie viele Kilometer fehlen und welche Ausbauprojekte prioritär sind.

„Die Union kritisiert zu Recht, dass die Pläne der Bundesregierung zur Fahrradförderung denkbar unkonkret sind. Und sie fordert zu Recht ein Gesetz zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans, die Weiterentwicklung des Straßenverkehrsgesetzes, eine verbindliche Bedarfsplanung, die Festlegung messbarer Ziele für den Ausbau der Radinfrastruktur und eine gesetzlich gesicherte langfristige Finanzierung. Herr Wissing, die CDU/CSU-Fraktion nimmt das Fahrrad als Verkehrsmittel ernst – wann sind Sie soweit?", monierte Schneider weiter.

Der Fahrradclub fordert die Planungsbeschleunigung für Radinfrastrukturprojekte. Planungsverfahren müssen verkürzt, Förderverfahren vereinfacht werden. Das aktuelle StVG zwingt Kommunen dazu, die Einrichtung von Radwegen und Radfahrstreifen aufwändig zu begründen und behindert damit die Arbeit der ohnehin viel zu wenigen Planerinnen und Planer. Das Straßenverkehrsgesetz müsse reformiert werden, um den Bau von Radwegen zu beschleunigen. Das gehe nur, indem die Paragraphen 1 und 6 des Straßenverkehrsgesetzes um die Ziele des Klimaschutzes und der städtebaulichen Entwicklung ergänzt werden. Diese Ziele müssen gleichrangig ins Gesetz integriert werden.

„Gemeinsam mit der CDU fordern wir eine Weiterentwicklung des Straßenverkehrsgesetzes um den klimafreundlichen Radverkehr zu fördern. Nur so bekommen wir Tempo in den Ausbau der Radwege in Deutschland", appellierte Schneider.

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