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polisMOBILITY 2022: Cargobike-Sharing-Konferenz - nicht die Auto-Fehler wiederholen

Cargobikes boomen, vor allem im Privatbereich erfreuen sich die Alleskönner dank Elektro-Unterstützung großer Beliebtheit. Doch es ist wie beim Auto: Wie oft braucht man Platz und die Kapazität wirklich? Eine wachsende Zahl der Cargobike-Sharing-Diensten hält mit "nutzen statt besitzen" dagegen, warnt auf einer Konferenz davor, die gleichen Fehler zu wiederholen und fordert Förderung auf Augenhöhe mit E-Autos.

Bike beats car: Beim niederländischen Cargobike-Sharing-Pionier cargoroo ersetzen 73 Prozent der Nutzer eine Autofahrt mit dem Lastenrad. | Foto: J. Reichel
Bike beats car: Beim niederländischen Cargobike-Sharing-Pionier cargoroo ersetzen 73 Prozent der Nutzer eine Autofahrt mit dem Lastenrad. | Foto: J. Reichel
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"Kein Auto - kein Problem!" So bringt es der niederländische Cargobike-Sharing-Pionier Cargoroo aus Amsterdam auf den Punkt, bei der von der Verkehrswendeagentur cargobike.jetzt organisierten ersten Cargobike Sharing Europe Conference im Rahmen der polisMOBILITY in Köln. Mittlerweile gibt es den Dienst in zehn Städten in vier Ländern und an 400 Stationen. Wobei der Service ohne Infrastruktur etwa an Ladestationen oder Abstellbügeln auskommt und dadurch unkompliziert in urbanes Umfeld zu integrieren sein soll. Zudem setzt man die Standard Long-John-Bikes von Urban Arrow, fast schon ein Klassiker wie das Bullitt, ein, die einfach zu handhaben sind und eine bequeme, "hollandrad"-mäßig aufrechte Sitzposition nebst einer vielseitig nutzbaren Ladewanne bieten. Basis ist immer die Kooperation mit der Kommune, wie Gründer und CEO beschreibt. Er sieht vor allem einen Hauptgrund, auf Sharing statt Eigentum zu setzen:

"Wir dürfen nicht die Fehler der Autobranche wiederholen. Autos stehen die meiste Zeit des Tages nur herum. Wie oft braucht man wirklich ein Cargobike? Und wäre es nicht besser, immer dann eines zu haben, wenn man es braucht", fragt er im Gespräch mit VM.

Cargobike-Sharing spart Kosten und nützt der Gesellschaft

Er verweist zudem auf die hohen Anschaffungskosten für hochwerige Bikes und die Problematik, Stellplätze für die raumgreifenden Bikes zu finden, die auch diebstahlsicher sind. Und noch eine signifikante Zahl hat er im Gepäck: Eine Umfrage unter den Nutzern des Dienstes ergab, dass 73 Prozent davon mit einem Cargoroo-Bike eine Autofahrt ersetzt haben. Zu den Zielgruppen zählt er eben nicht nur das berühmte "Taxi Mama/Papa", sondern auch Studenten, Allroundnutzer, aber auch Gewerbetreibende und "Business". Man müsse den Bikes auch das Stigma nehmen, sie seien "nur" so eine Kinderschaukel. Allesamt sparen massiv Geld: Auf 23 ct/km rechnet er die Nutzung des Leih-Lastenrads hoch, auf 49 ct/km kommt ein Auto. Doch es wird aus seiner Sicht noch besser: Denn die Lastenräder hätten eine für dir Gesellschaft und den Klimaschutz positiven, sprich entlastenden und tatsächlich messbaren Effekt, als CWI (Canadian Index of Well Being) bekannt, ganz im Gegensatz zum Auto, was die Bilanz volkswirtschaftlich weiter verbessert. Schon hat das wendige Start-up ein erstes Pilotprojekt gestartet unter dem sinnfälligen Claim "City Logistics Sharing", das speziell für Gewerbetreibende Leihlastenräder etablieren will.

Dort präsent sein, wo die Leute leben

Einen etwas anderen Ansatz wählt der deutsche Lastenrad-Sharing-Pionier sigo aus Darmstadt, der über die Hausverwaltungen und Wohnungsgemeinschaften geht: "Die haben Platz, Bedarf und das Geld", meint Gründer und CEO Tobias Lochen trocken. Über die Jahre und numehr vier Generationen hat er nicht nur ein eigenes und robustes Long-John entwickelt, das neben einer vielseitig nutzbaren Holzbox über eine Persenning, einen tiefen Einstieg und Riemenantrieb verfügt, sondern eben auch ein zugehöriges Abstell- und automatisch aktiviertes Lademodul, das in den Anlagen installiert und skaliert werden kann. Das erspart aufwändige Akkutauschlogistik. Via eigenentwickelter App wissen die Nutzer auch immer, ob ein Bike da und wie der Ladestand ist. Und überhaupt, das Bike "noch" da ist: Dank der Arretierung und dem rahmenfesten Schloss sei bisher kein einziges Rad im Betrieb gestohlen worden.

"Wir wollen mit unseren Bikes da sein, wo die Leute leben", ruft Lochen das Credo der Firma aus, die stark expandierend in 20 deutschen Städten präsent ist mit ihrem System. Beachtlich, wenn man denkt, dass die Firma erst seit zwei Jahren am Markt ist.

Die Leitidee war: "Wie bringen wir das Cargobike als Autoersatz so schnell wie möglich in die Städte?" Die naheliegende Antwort für Lochen und sein Team: Über die Immobilienbetreiber.

Zahlreiche Anbieter treiben das Thema

Auch die Donau Donkeys aus Straubing um Ulrich Schmack oder Anbieter wie Donk-EE und Kasimir aus Köln treiben das Thema Lastenradsharing lokal und zunehmend überregional voran. Ebenso wie Tink Cargobike Sharing um Marco Walter ("Sprudel-Sprinter"), der auf diverse Städteprojekte und sogar eine Partnerschaft mit dem bayerischen Verkehrsministerium über sieben Städte verweist, um das Konzept "Lastenrad zum Leihen" weiter zu verbreiten. Aus seiner Sicht sind vor allem auch die Kinder der Treiber der Entwicklung, die ihre Eltern für das Lastenrad begeisterten. Wiebke & Timo Höfker, Forum Freie Lastenräder und Anna-Karina Reibold von der European Cyclist's Federation unterstrichen die Bedeutung und das Potenzial, das das Teilen von Lastenrädern für Klimaschutz und Verkehrswende birgt.

Köln fährt voraus und will öffentliches Cargobike-Sharing etablieren

Pünktlich zur Konferenz kündigte die Stadt Köln ein flächendeckendes Cargobike Sharing System mit 200 Rädern an und willl jährlich 500.000 Euro Lastenrad-Kaufprämie mit neuen Förderkriterien vergeben. Im Herbst soll ein Pilotversuch mit 15 Lastenräder in den Bezirken Deutz und Nippes starten. Und zwar im Rahmen des kommunalen Fahrradverleihsystems KVB-Rad, dessen Betreiber nextbike ist. Im ersten Halbjahr 2023 soll dann über die Ausweitung des Lastenrad Sharings auf das gesamte Stadtgebiet mit 200 Lastenrädern entschieden werden. Verkehrsdezernent Ascan Egerer begründet die Sharing-Pläne auch mit der Kölner Kaufprämie für private Lastenräder. Im Gegensatz zur enorm starken Resonanz in der Innenstadt gab es aus sozial schwächeren Stadtteilen und den Außenbezirken nur sehr wenige Förderanträge. Ascan Egerer eröffnet am 19. Mai auch die Konferenz Cargo Bike Sharing Europe. Die Stadt Köln gehört zu den Partnern der Konferenz, die cargobike.jetzt in Kooperation mit der neuen Kölner Mobilitätsmesse polisMOBILITY organisiert. Am 18. Mai findet bereits eine öffentliche Präsentation verschiedener Cargobike Sharing Systeme in der Kölner Innenstadt auf dem Rudolfplatz statt.

Kritik: Warum werden Lastenräder & Sharing nicht wie E-Autos gefördert?

All diese Beispiele verdichten sich aus Sicht von Alexander Rosenthal von der Brancheninitiative Zukunft Fahrrad zu einem großen Trend: Cargobikes werden laut einer Umfrage immer bekannter! Allerdings würden sie bisher nur von zwei Prozent der Befragten genutzt. Er sieht als Trend im Trend tatsächlich auch das Lastenrad-Leihen und die sogenannten "Mobility as a Service"-Bewegung. Auf Kritik stößt die Tatsache, dass Cargobikesharing bisher noch nicht gefördert werde. Es gebe einen großen gesellschaftlichen Benefit durch das Lastenradleihen. Er forderte dringend eine Incentivierung von der Politik und ein sogenanntes "Level Playing Field" mit den stark geförderten E-Autos, sprich - eine Behandlung auf Augenhöhe.

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