Oxfam-Studie: Die unfassbar miese Klimabilanz der Milliardäre
Die Pro-Kopf-Emissionen der Personen, die zum reichsten Prozent der Weltbevölkerung zählen, wird im Jahr 2030 30-mal größer sein, als es mit dem 1,5-Grad-Ziel verträglich wäre. Das hat eine aktuelle Studie der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam anlässlich der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow ermittelt. Um die globale Erwärmung wie im Pariser Abkommen vereinbart auf maximal 1,5°C zu begrenzen, dürfte im weltweiten Durchschnitt der pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen 2030 maximal 2,3 Tonnen betragen, was etwa die Hälfte des derzeitigen Wertes wäre. Die Studie mit dem Titel "Carbon Inequality in 2030: Per capita consumption emissions and the 1.5C goal" rechnet vor, wie sich die bisherigen Zusagen der Regierungen auf den CO2-Fußabdruck der reicheren und ärmeren Teile der Weltbevölkerung auswirken werden. Die Studie beruht auf Untersuchungen des Instituts für Europäische Umweltpolitik (IEEP) und des Stockholmer Umweltinstituts (SEI).
Die ärmere Hälfte liegt weit unter dem 1,5-Grad-Ziel
Die Analyse zeigt, dass die pro-Kopf-Emissionen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung auch 2030 noch weit unter einem mit der 1,5-Grad-Grenze verträglichen Wert bleiben werden. Die reichsten zehn Prozent dagegen werden 2030 diesen Wert um das neunfache überschreiten. Das reichste Prozent der Menschen werde 2030 sogar pro-Kopf-Emissionen aufweisen, die 30-fach über einem noch verträglichen Wert liegen.
"Das bedeutet, dass wer zum reichsten Prozent der Weltbevölkerung zählt, seine Treibhausgasemissionen im Vergleich zu heute bis 2030 um etwa 97 Prozent reduzieren müsste, um fair zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze beizutragen", konstatieren die Autoren.
Die Mehrheit kann fürs Klima tun, was sie will
Betrachtet man die Gesamtemissionen, zeigt die Studie, dass die reichsten zehn Prozent im Jahr 2030 für mehr Emissionen verantwortlich sein werden, als für die Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze insgesamt noch zulässig wäre, unabhängig davon, was die anderen 90 Prozent tun. Das reichste ein Prozent – das sind weniger Menschen als die Bevölkerung Deutschlands – werde bis 2030 für 16 Prozent der globalen Gesamtemissionen verantwortlich sein.
„Mit einem einzigen Weltraumflug verursacht ein Milliardär mehr Emissionen, als jemand aus der ärmsten Milliarde Menschen in einem ganzen Leben zusammenbringt. Eine kleine Elite gönnt sich einen Freifahrtschein für die Zerstörung unseres Klimas. Dies hat katastrophale Folgen Millionen Menschen, die bereits jetzt mit tödlichen Stürmen, Hunger und Not konfrontiert sind", kritisiert Nafkote Dabi, Klimaexpertin bei Oxfam.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hatte vor kurzem vorgerechnet, dass beispielsweise eine Weltraummission des Elon-Musk-Unternehmens SpaceX alleine beim Start etwa 380 Tonnen an CO2-Emissionen verursache, der Trend wurde auch anderweitig scharf kritisiert.
Emissionen zunehmend von Superreichen aus China
Die Oxfam-Untersuchung zeige zudem, dass sich die geografische Verteilung bei den Treibhausgasemissionen zunehmend nicht mehr hauptsächlich aus den traditionellen Industrieländern zusammensetzten. Fast ein Viertel (23 Prozent) des reichsten ein Prozent werden Menschen aus China sein, ein Fünftel (19 Prozent) US-Bürger*innen und ein Zehntel (elf Prozent) Bewohner*innen Indiens.
„Um die Emissionslücke bis 2030 zu schließen, müssen die Regierungen ihre Maßnahmen besonders auf die extrem Reichen ausrichten. Die Klima- und die Ungleichheitskrise sollten gemeinsam angegangen werden. Dazu gehören sowohl Maßnahmen zur Einschränkung des CO2-Verbrauchs für Luxusgüter wie Megajachten, Privatjets und private Raumfahrt, als auch zur Begrenzung klimaintensiver Investitionen wie Aktienbesitz in der fossilen Brennstoffindustrie", fordert Tim Gore, Autor der Studie und Leiter des Programms für kohlenstoffarme und zirkuläre Wirtschaft bei IEEP.
Emily Ghosh, Wissenschaftlerin am Stockholmer Umweltinstitut warn, wenn man so weitermache wie bisher, würden die krassen Ungleichheiten bei Einkommen und Emissionen innerhalb der Weltbevölkerung bestehen bleiben. Dies stelle das Gerechtigkeitsprinzip, das den Kern des Pariser Abkommens bildet, in Frage.
"Die Analyse der CO2-Ungleichheit muss dringend in den Mittelpunkt der Emissionsreduzierung gestellt werden", fordert die Wissenschaftlerin.
Die NGO fordert jetzt, dass alle Länder ihre Klimaziel unter dem Pariser Abkommen sofort überarbeiten. Staats- und Regierungschefs müssten bis 2030 stärkere Emissionssenkungen anstreben, die ihrem fairen Anteil entsprechen. Sie sollten zudem sicherstellen, dass die reichsten Menschen weltweit und innerhalb jedes Landes ihre Emissionen radikal senken.
"Die Reichsten können diesen Prozess drastisch beschleunigen, indem sie umweltfreundlicher leben, aber auch ihren politischen Einfluss und ihre Investitionen nutzen, um eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu ermöglichen", appellieren die Autoren.
Was bedeutet das?
Es gibt nur eine Erde, aber es gibt auch nur eine Atmosphäre: Und in der kommt alles zusammen an Treibhausgasen, was emittiert wird. Die Physik trifft hier keine Unterscheidung. Insofern ist es durchaus dramatisch, was zu vermuten war, was die NGO Oxfam jetzt aber nochmal analytisch herausgearbeitet hat. Die Milliardäre dieser Welt ziehen die ganze Klimabilanz in die Tiefe. Das kann gesellschaftlich so nicht hingenommen werden, weil die Freiheit einiger weniger, zu fliegen, zu rasen, zu bauen und zu sauen wie sie wollen hier die Freiheit von Millionen anderen bedroht - und zwar existenziell.
Will man wirksam und sofort etwas für den Klimaschutz tun, sollte man in der Oberklasse mit ihrem gewaltigen CO2-Fußabdruck ansetzen. Das tut keinem wirklich weh und brächte auf den Schlag viel fürs Klima.
Man muss jetzt hier nicht gleich den "System Change not Climate Change" ausrufen, wie es verständlicherweise von den "Fridays for Future" ertönt. Aber es genügt, die Regeln des Systems richtig anzuwenden. Sprich, wer verschmutzt, der zahlt. Wenn die Reichen dieser Welt meinen, sie müssten eigene Lear-Jets und Speed-Boote, fette Yachten und Sportwagen, riesige Villen und Wohnkomplexe betreiben, ja dann sollen sie eben entsprechend dem CO2-Ausstoß all dieser Unterfangen bezahlen. Das ist richtig verstandene Marktwirtschaft, die die externen Kosten des Handelns mit einbezieht.
Das verheerende daran, die Milliardäre dieser Welt nicht in die Klimaschranken zu weisen, ist doch, dass sie ein falsches Vorbild abgeben und signalisieren, es wäre okay, gnadenlos das CO2-Konto zu überziehen. In China basiert ein kompletter "Gesellschaftsvertrag" darauf: Ihr schweigt über die Diktatur und wir machen Euch immer reicher.
Es geht eben nicht nicht nur um ein paar Superreiche: Natürlich leben auch wir alle über unsere, nein eigentlich auch über der anderen Verhältnisse und verbrauchen viel zu viele Ressourcen: 2,5 Erden bräuchte es, wollten alle in der Welt so leben wie die Deutschen. Wer durch die Nobel-Vororte dieser Republik fährt, die Starnbergs, Pullachs, Grünwalds, der sieht jedenfalls unzählige schwere und übermotorisierte Fossil-Karossen vor Haus-großen Doppel- oder Dreifachgaragen und riesigen Immobilien. Besonders beliebt: Die G-Klasse AMG-Version. Oder Porsche 911er. Oder die Top-Garde der sogenannten SUV: Q7, GLS, X7. Das Motto scheint zu sein hinter den dicken Mauern der Villen: Not my climate change! Als ginge sie das die Oberschicht alles nichts an. Geht es aber: Siehe oben, es gibt nur eine Atmosphäre, in die wir alle verschmutzen.
Und es ist Aufgabe der Politik, auch der sich oft fein rausziehenden Upper-Class klar zu machen, dass es eben nicht ok ist, so ressourcenintensiv zu leben. Und wenn, dann muss das eben teurer werden.
Eine Szene aus eben jenem Pullach: Brandneuer Audi Q5, nicht etwa als Plug-in-Hybrid oder ein elektrischer Q4 e-tron, sondern S-Version, Farbe des "City-Panzers" ausgerechnet Nato-Oliv. Ohne Worte. Wenn alleine alle, die es sich leisten könnten, ein Elektroauto führen, hätten wir die Millionengrenze 2020 längst hinter uns und wären deutlich weiter bei der Reduzierung der Emissionen im Verkehr.
CO2-Budget: Eine Idee, die wiederbelebt gehört
Es gab mal das Konzept des CO2-Budgets, den der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Angela Merkel zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen mit auf den Weg gab, das aber leider in Vergessenheit geriet. Der Physiker, Club-of-Rome-Ehrenpräsident und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst-Ulrich von Weizsäcker brachte es jüngst in einem Interview mit Spiegel Online wieder in Erinnerung.
Demnach hätte jedes Land der Erde, eigentlich damit jeder Weltenbürger*in das gleiche Pro-Kopf-Budget, das gleiche Recht auf Nutzung der Atmosphäre. Und will er/sie es überziehen, was die Industriestaaten seit Jahrzehnten tun, müssen sie eben Lizenzen bei Ländern wie Indien oder Paraguay erwerben, plädiert der Wissenschaftler. Das könnte man auch auf die Milliardäre dieser Welt anwenden: Dann "brennt" doch für Euren ressourcenraubenden Lifestyle! Aber lasst nicht unser aller Wälder brennen.
Das hat jetzt alles nichts mit "Sozialneid" zu tun, dessen man dann schnell bezichtigt wird. Wobei man natürlich in Anbetracht der speziell in Deutschland, aber auch weltweit immer weiteren Schere zwischen arm und reich schon die Frage stellen kann, ob es erstens wirklich "verdient" und zweitens gesellschaftlich erwünscht sein kann, so viel Reichtum in den Händen einiger weniger zu allozieren. Da können wir da unten im Maschinenraum uns noch so sehr fetzen um Pendlerpauschale, CO2-Preise oder Tempolimit, wenn die am Oberdeck nicht mitziehen, ist das letztlich Makulatur. Nochmal: Nicht Sozialneid ist hier das eigentlich Thema: Aber (Klima)Gerechtigkeit.
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