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Nutzfahrzeuge: Daimler und Volvo forcieren Fuel-Cell in Trucks

Per Joint Venture wollen Daimler Trucks und die Volvo Group den H2-Antrieb vorantreiben. Den sieht man in schweren Nfz als beste Lösung, das Pkw-Engagement wird beendet. In fünf Jahren Marktreife angestrebt.

Montagelinie für eine Brennstoffzellen-Antriebseinheit in Kirchheim-Nabern. | Foto: Daimler
Montagelinie für eine Brennstoffzellen-Antriebseinheit in Kirchheim-Nabern. | Foto: Daimler
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Johannes Reichel
von Christine Harttmann

Die beiden Nutzfahrzeughersteller Daimler Trucks und Volvo Group haben die gemeinsame Weiterentwicklung der Fuel-Cell-Technologie angekündigt, die man in einem Joint Venture forcieren will. Beide Hersteller teilen laut eigenen Angaben die Vision des „Green Deal“ der EU Kommission. Dazu gehöre ein nachhaltiger Transport und ein CO2-neutrales Europa bis zum Jahr 2050, so die Anbieter. Ziel der Kooperation soll die serienreife Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Brennstoffzellensystemen für den Einsatz in schweren Nutzfahrzeugen und anderen Anwendungsfeldern sein. Diese sollen ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts einsatzreif sein. Bis 2030 sieht man einen Marktanteil bis etwa 15 Prozent, im Jahr 2040 sollen dann aber schon 95 Prozent aller schweren Daimler-Trucks mit Fuel-Cell fahren.

Fuel Cell: In Trucks ja, in Pkw nein - Aus für den GLC FC

Dafür werden das derzeit noch bestehende Engagement im Pkw-Sektor beendet und die Kompetenzen, die etwa für die Entwicklung des einzigen Brennstoffzellenfahrzeugs, dem SUV GLC Fuel Cell, am Standort Kirchheim-Nabern vorhanden sind, für die Entwicklung eines Nfz-Wasserstoffantriebs umgewidmet. Auch die Aktivitäten der Daimler-Tochter Fuso, die jüngst den Leicht-Verteiler eCanter als Fuel-Cell-Version bis zum Ende der 2020er-Jahre ankündigte, dürften hier eingebracht werden. Daimler wird alle seine derzeitigen Brennstoffzellen-Aktivitäten in dem Joint Venture zusammenführen. Die Volvo Group wird 50 Prozent des Joint Ventures für die Summe von etwa 0,6 Milliarden Euro auf einer barmittel- und schuldenfreien Basis erwerben.

„Ein wirklich CO2-neutraler Transport wird nur durch einen elektrischen Antriebsstrang erreicht werden, wobei die Energie aus zwei Quellen kommen kann: entweder aus Batterien oder durch die Umwandlung von Wasserstoff in Elektrizität an Bord des Fahrzeugs“, beschreibt Martin Daum, Vorsitzender des Vorstands der Daimler Truck AG und Mitglied des Vorstands der Daimler AG, die Aufgabe.

Know-How aus den Pkw und bei Fuso vorhanden

Für den Lkw-Einsatz im schweren Fernverkehr seien Brennstoffzellen eine entscheidende Lösung. Daum verweist dabei auf die Erfahrungen im Konzern in den letzten zwei Jahrzehnten im Rahmen der Mercedes-Benz Fuel Cell GmbH und sieht hier bedeutendes Know-how vorhanden. Allerdings zweifelt Daum hier noch an der Haltbarkeit der Lösung in einer Lkw-Anwendung. Die Vorgabe des Daimler-Truck-Chefs sind hier eine Million Kilometer.

Die Entwicklung einer solchen standhaften Fuel-Cell-Technologie sei alleine zu einem akzeptablen Preis nicht machbar, erklärte Daum gegenüber Medien. Man kalkuliert, dass sich die Technologie ab einer Stückzahl von 30.000 Exemplaren für den Konzern rechnet. Die Partnerschaft mit der Volvo Group sei nun ein Meilenstein, um brennstoffzellenbetriebene Lkw und Busse nun auf unsere Straßen zu bringen, meint Daum weiter.

„Die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs ist ein Schlüsselelement für die Umsetzung des sogenannten Green Deal, für ein CO2-neutrales Europa und letztendlich für eine CO2-neutrale Welt“, fügt Martin Lundstedt, Präsident und CEO der Volvo Group, hinzu.

Wasserstoff sei dabei als Träger von „Ökostrom“ zum Antrieb von Elektro-Lkw im Fernverkehr eine gute Ergänzung zu batterieelektrischen Fahrzeugen und erneuerbaren Kraftstoffen. „Mit der Gründung dieses Joint Ventures zeigen wir deutlich, dass wir an die mit Wasserstoff angetriebene Brennstoffzelle für Nutzfahrzeuge glauben", so Lundstedt weiter. Damit diese Vision Wirklichkeit werden könne, müssten auch andere Unternehmen und Institutionen diese Entwicklung unterstützen, nicht zuletzt, um die erforderliche Kraftstoffinfrastruktur aufzubauen.

Kooperation: Im Abschwung notwendiger denn je

Die Daimler Truck AG und die Volvo Group werden zu je 50 Prozent am Joint Venture beteiligt sein. Das Unternehmen selbst soll dann als unabhängige und selbständige Einheit agieren. In allen anderen Geschäftsfeldern würden, so die Mitteilung, beide Nutzfahrzeughersteller weiterhin Wettbewerber bleiben. Die Bündelung der Kräfte im Bereich der Brennstoffzellen werde die Entwicklungskosten für beide Unternehmen senken, beschreiben sie die Vorteile, und die Markteinführung von Brennstoffzellensystemen in Produkten für den schweren Transport und anspruchsvolle Langstreckeneinsätze beschleunigen. Im Kontext des gegenwärtigen wirtschaftlichen Abschwungs sei eine Zusammenarbeit noch notwendiger geworden, um die Ziele des Green Deal in einem realistischen Zeitrahmen zu erreichen.

Endgültige Vereinbarung bis zum dritten Quartal erwartet

Das Ziel der Unternehmen ist es, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts schwere Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge für den anspruchsvollen und schweren Fernverkehr in Serie anzubieten. Darüber hinaus befasst sich das Joint Venture auch mit anderen Anwendungsfällen. Um das Joint Venture zu ermöglichen, bündelt Daimler Trucks alle konzernweiten Brennstoffzellen-Aktivitäten in einer neuen Brennstoffzellen-Einheit. Dazu gehört die Zuordnung der Aktivitäten der Mercedes-Benz Fuel Cell zur Daimler Truck AG. Die Mercedes-Benz Fuel Cell verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung von Brennstoffzellen- und Wasserstoffspeichersystemen für verschiedene Fahrzeuge.

Die unterzeichnete vorläufige Vereinbarung sei jedoch nicht bindend, betonen die beiden Unternehmen. Eine endgültige Vereinbarung werde bis zum 3. Quartal erwartet und solle noch vor Jahresende 2020 abgeschlossen werden. Alle potenziellen Transaktionen unterliegen der Prüfung und Genehmigung durch die zuständigen Wettbewerbsbehörden.

Was bedeutet das?

Vielleicht hat die Krise die Erkenntnis "unter dem guten Stern" schneller reifen lassen, dass man ohne die Brennstoffzelle bei Trucks und Bussen künftig nicht auskommen wird und die Koreaner von Hyundai, Japaner von Toyota und US-Amerikaner von Nikola/Iveco oder jüngst dem New-Yorker Start-up Hyzon nicht ganz falsch liegen. Wobei: So weit müsste man in Stuttgart ja gar nicht gehen.

Schließlich hat auch die Daimler-Trucks-Tochter Fuso vor kurzem die Entwicklung eines Leicht-Lastwagens mit H2-Antrieb angekündigt, den Fuso eCanter F-Cell, den man für schwerere und weitere Anwendungen dem eCanter zur Seite stellen will.

Jetzt sollen die Kompetenzen gebündelt werden mit der Volvo Group, deren größter Aktionär wiederum der chinesische Geely-Konzern ist, der wiederum größter Einzelaktionär bei Daimler usw. usf. Das ergibt also Sinn.

Hätte es aber auch schon vor Jahren ergeben. Hyundai jedenfalls ist schon mit der zweiten Generation Brennstoffzelle am Start und launchte jüngst die Serienfertigung und den Ersteinsatz des schweren Verteiler-Lkw Xcient Fuel Cell im Rahmen einer großangelegten Kooperation mit der Energie- und Wasserstoffbranche in der Schweiz. Und die Koreaner sehen die Fuel Cell übrigens auch in SUV oder in schwereren Reise-Pkw als sinnvolle Alternative an, wie auch Toyota am Mirai-Fuel-Cell festhält und die zweite Generation auflegt. Das ist also noch nicht ausgemacht. Im Prinzip ist es der Brennstoffzelle, die ja modular und skalierbar ist, auch egal, ob man damit einen Pkw oder ein schweres Nutzfahrzeug betreibt. Man muss sich also nicht sofort entscheiden. Und die Praktikabilität hängt dann eher an dem Aufbau der Infrastruktur.

Es wird also Zeit für Daimler wie auch für Volvo Trucks, wo man bisher im Fernverkehr als Alternative auf LNG und im Nahverkehr auf batterieelektrischen Antrieb setzte und jüngst mit ersten Serienmodellen der 18- und 26-Tonner FL und FE voranpreschte, die Tochter Renault Trucks wohlgemerkt auch im Schlepptau.

Womit man bei der entscheidenden Frage wäre, was generell aus dem Thema LNG wird. Daimler hielt darauf noch nie große Stücke und es ist auch nicht zu erwarten, dass in Zeiten Corona-geschrumpfter Budgets man sich den Luxus zweier alternativer Antriebe im Fernverkehr leisten wird. Brennstoffzelle oder Erdgasantrieb, das ist hier die Frage.

Wobei man berücksichtigen sollte, dass bei der Erzeugung von Wasserstoff der Energieaufwand deutlich größer ist als etwa bei der Produktion von LNG aus Abfallreststoffen, ein Potenzial, das leider bisher sträflich vernachlässigt wurde.

Man müsste also erst einmal so viel überschüssige grüne Energie bereitstellen, damit aus dem H2-Antrieb eine wirklich saubere Lösung wird. Fragt man Energieexperten, ist das aber machbar und möglich, jedenfalls keine Utopie.

Ob eine exotische Zwischenlösung wie der Wasserstoff-Verbrennungsmotor für Lkw, den das Münchener Start-up Keyou propagiert und mit Deutz entwickelt, da die goldene Mitte bilden könnten, das wird sich in den nächsten Jahren herausstellen. Feststeht: Man wird sich schon infrastrukturell für einen Weg entscheiden müssen. Es wäre also dringend ratsam, dass sich Industrie und Politik auf eine generelle Antriebsstrategie einigen, an der sich dann auch die Infrastruktur ausrichtet und die die Sektoren Energie und Verkehr konsequent koppelt. Geht es nach den Fernost-Herstellern, befinden wir uns ohnehin auf dem Weg ins Wasserstoffzeitalter. Das hätte Toyota ja auch gerne bei den Olymischen Spielen demonstriert. Dann kam Corona ... Doch der Plan bleibt. Und dass Daimler jetzt auch auf den Zug aufspringt, kann der Sache nur dienlich sein. jr

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