Allmächd! Die Stadt Nürnberg dürfte aktuell die meisten Nio-Zulassungen in Deutschland verzeichnen – nachdem das Unternehmen dort wegen der begehrten Autonummer N-IO eine Serviceniederlassung eingerichtet hat. Es sind Details wie diese, welche die Professionalität Nios verraten. Denn Eingeweihte erkennen am Kennzeichen die Werkswagen mit Nummernbotschaft: Porsches Kennzeichen S-GO (für schnelles gehen respektive fahren!), Cupras DA-RE (für „dare“, wie wagen) oder BMWs M-IA (für „Mia san mia“) sind Geheimcodes der Fahrzeughersteller – was diese eine kleine nicht ganz unaufwändige Extraschleife auf der entsprechenden Zulassungsstelle kostet.
Nachdem Nio die SUV ES 8 und ES 6 dann doch nicht nach Europa brachte, startet man jetzt also mit der Limousine ET7, die es in sich hat: Optisch dezent mit einem extrem niedrigen cW-Wert von 0,208 ist der ET 7 auf Effizienz getrimmt. Dazu tragen auch die zwei extrem starken, selbst entwickelten und produzierten E-Maschinen, die vorn 180 kW (245 PS) und hinten 300 kW (408 PS) leisten (was man stumpf zu 480 kW (653 PS) Gesamtleistung addieren darf. An Kraft machen die E-Maschinen 850 Nm Drehmoment los. Was genügt, um im Sport-Modus binnen 3,8 Sekunden auf 100 km/h zu springen – abgeregelt wird bei 200 km/h.
Wir öffnen die Türen an den Ausfahrenden Bügelgriffen, welche die Portale erst bei Berührung freigeben und nehmen Platz: Viel Platz – mit 3,06 Meter Radstand und ebenem Boden bleibt auch im Fond immer massig Beinfreiheit und dank viel Glasfläche im Dach auch im Fond viel Kopffreiheit – selbst für große Fahrgäste. Schade nur, dass Nio statt einer großen Heckklappe nur einen kleinen Kofferraumdeckel ins Heck konstruierte – in er Oberklasse böte das außer dem EQS niemand und der Bedarf an Flexibilität wäre nicht so hoch zu bewerten. Außerdem spart das natürlich Gewicht und Kosten.
Die Materialien fühlen sich alle wertig an, wenngleich wir den „Nichtholzwerkstoff Karuun“ anfangs fälschlicherweise als Fake-Holz einordnen. Tatsächlich besteht die Textur aus Rattan und damit aus schnell nachwachsendem und nachhaltigen Naturstoff – also Palmen-Holz aus der Gattung der Calamoidae, um genau zu sein. Und da es ein Naturmaterial ist, besitzt jeder ET7 innen eine einzigartige Textur, was wir nach dem Wechsel zwischen mehreren ET7-Modellen bestätigen können.
Viel Komfort innen
Die Sitze lassen sich klassisch am Gestühl selbst verstellen, Massage, Beduftung, Lenkrad- und Spiegelverstellung liegen allerdings wie bei Tesla im Menü, wozu es auch einen Schnelleinsprung gibt. Wenn man sich einmal eingehend damit befasst hat, kommt man schnell damit zurecht. Zumal Nio Blinker und Scheibenwischer an den bewährten Lenkstockhebeln beließ.
Die Klimatisierung ist über Schnelleinstig ebenfalls im Screen und lässt sich per Fingerwisch – nun ja – mehr diffus als konkret einstellen. Zumal Nio die Ausströmer hier elegant verdeckt hat, was optisch Ruhe ins Interieur bringt. Und klar, man kann sich auch mit bis zu drei verschiedenen Gerüchen beduften lassen und 256 Farben für die Beleuchtung einstellen. Schaut man einen Film auf dem Screen, passt sich die Ambientebeleuchtung an die Farbtöne des Bildes an.
Das übrigens gestochen scharf ist, denn das mit 12,8-Zoll nicht zu große Center-Display verfügt über ein schwebendes Design samt schlankem Rahmen mit nur 5,5 mm Kanten. Das extrem hohe Kontrastverhältnis von 100.000:1 soll Bilder immersiver machen, während eine hohe Auflösungsrate von 1.728x1.888 und der WSG NTSC-Farbraum reichere Farben und feinere Details wiedergeben. Was man im Detail unterschwellig merkt. Alles wird immer gestochen scharf angezeigt.
Nomi versteht fast Alles - kann aber auch nerven
Nio kümmert sich also sehr ums Wohl seiner Insassen, wozu auch Nomi beitragen soll, die nach wie vor als kommunikatives Gesicht über der Mittelkonsole thront und den Fahrer gern etwas zu oft und in leicht zu schriller Stimme belehrt. Weshalb wir ihr im Menü auf den engen Straßen Brandenburgs, wo man permanent an die Fahrbahnbegrenzungen kommt, bald den Mund verbieten. Optisch setzt sie sich dann einen Kopfhörer auf und zeigt an, dass jetzt Ruhe herrscht. Sie will nichts hören, wir auch nicht. Und da manche das wirklich lustig und gut programmierte Gesicht nervt, hat man auch schon eine andere Version entwickelt, den Nio Pod: Das ist dann einfach eine hinterleuchtete Fläche, die blau schimmert, wenn sie spricht, weiß, wenn sie ruht (Nomi spielt dann Jojo oder isst ein Apfel oder oder…) und orange wenn sie lauscht.
Dafür versteht sie wirklich viel, auch Abstraktes: „Mir ist kalt“ sorgt für eine Erhöhung der Temperatur, aber sie kann auch Fenster schließen oder öffnen. Und sie erkennt über die Mikros, wer spricht und dreht sich entsprechend den Fahrgästen zu – was vorn besser klappt als im Fond. Im Idealfall soll man künftig das ganze Auto via Nomi bedienen können, zudem seien immer wieder Updates geplant.
Lauschen? Wichtiger Punkt, denn der ET7 hört und sieht ja auch immer, was der Fahrer tut. Und stellt diese Daten angeblich maximal bis zum Server in Berlin durch, der die Nio-Cloud für die EU-Modelle hostet. Das Luftfeder-Fahrwerk kommt übrigens von ZF und wurde in Oxford programmiert (die Briten gelten als fahrbahnaffinste Europäer), das Design stammt aus München und die Nvidia-Chips samt der Software programmiert Nio großenteils in den USA, womit man im ET7 das Beste aus aller Welt zusammentragen will.
Mit AI-Brille wird der ET7 zum Kinosaal
Dazu gehört auch das „immersive Soundsystem Dolby Atmos“, das mit 20-Kanal-Verstärker und üppigen 1.000 Watt Ausgangsleistung über 23 (!) Speaker auch im Dach tatsächlich einen extrem guten und klaren Rundumklang schafft. Dazu tragen auch die vier Overhead-Lautsprecher und der Subwoofer bei. Seine vier Haupt-Soundkanäle haben jeweils wieder einen Drei-Wege-Lautsprecher, der einen Hochtöner, einen Mitteltöner und einen Tieftöner enthält. Zur Dolby Atmos-Technologie rechneten die Entwickler Dirac Pro-Raumaudioalgorithmen und schaffen so tatsächlich raumfüllenden satten Sound. Mit einer AI-Brille, die Nio mit Nreal entwickelte – (die in den USB-C-Port eingesteckt wird) können Fahrgäste sich so auch ein Surround-Kino in den ET7 holen, was wir intelligenter finden als die Mega-Fond-Screen im BMW i7.
Rechenleistung: Einmal Herr der Ringe in 4k - pro Sekunde!
Und da wir grad beim Rechnen sind, gehen wir gleich weiter zu den vier Nvidia-Orin-Chips. Sie schaffen pro Sekunde 1.016 Tensor-Operationen (TOPS). Die Orin-Chips sind das Herzstück des neuen Bordrechners, den Nio Adam getauft hat. Zwei Chips agieren als Mastercores für den Hauptrechner, einer agiert als „Notchip“ und sorgt bei Ausfall eines Hauptchips für Redundanz und einer agiert als „Hot Standby“ – und da die Platine richtig Power hat, muss sie wassergekühlt werden – um die Rechenleistung greifbarer zu machen, vergleichen sie die Nio-Entwickler mit 100-PS-5-Playstations respektive der Datenmenge, die Herr der Ringe in 4k erzeugt. Diese wird beim ET7 binnen einer Sekunde verarbeitet…daran hängt auch das sogenannte „Aquila Super Sensing“-System, das 33 leistungsstarke Sensoreinheiten bietet.
Darunter ein hochauflösendes LiDAR mit ultralanger Reichweite, elf hochauflösende 8MP-Kameras, ein verbessertes Fahrerüberwachungssystem, 5-Millimeterwellen-Radare, zwölf Ultraschallsensoren, redundante hochpräzise Lokalisierungseinheiten und HOD. Am Dach gleicht der ET7 damit ein bisschen einem Taxi (Lidar) respektive Notarztwagen (Kameras an den Seiten).
Jetzt ziehen wir endlich die Nio-typische Fahrwalze nach hinten und rollen los. Es gibt diverse Fahrprogramme: Eco, wo auch die Rekuperation erhöht wird, „Comfort“, Sport, Sport + und Individual. Im Alltag lohnt sich tatsächlich ab und an ein Wechsel: Auf schlechten Straßen ist Sport eine Idee zu straff, während man in es in schnellen Kurven schätzt, zumal auch die Lenkung direkter wird. Aber alles in Maßen: Grundsätzlich bleibt der ET7, dessen Fahrwerk und Lenkung für Europa in Oxford grundsätzlich nachgestrafft wurde, auf der gutmütigen Seite, wie wir auch auf dem Racetrack in Groß Dölln spüren: ESP kann man nicht abschalten und wenn man den RT7 viel zu schnell in schnelle Wechselkurven prügelt, schiebt er über die Vorderräder – realisiert aber sonst Kurvengeschwindigkeiten, die man im Alltag ohnehin kaum erreichen kann.
Erstaunlich niedriger Verbrauch
Die Stopper greifen bei Bedarf fest zu – Nio kolportiert unter 34 Meter Bremsweg aus 100 km/h. Nicht verleugnen lässt sich allerdings das Gewicht von gut 2,4 Tonnen, dass den ET7 auf engen Kursen etwas nun ja – schwer wirken lässt. Weshalb er eher den zügigen Gleiter für lange Etappen gibt: Trotz zwischenzeitlichem Ausnutzen der 200 km/h Topspeed vor der Tesla-Fabrik in Grünheide und freudigem, klimatisierten Fahren, brauchten wir auf den ersten gut 200 Kilometern nur rund 18 kWh/100 km netto, was für diese Fahrzeugklasse als extrem sparsam gelten darf. Auch der Langzeitverbrauch mit 19,3 kWh/100 km netto wäre günstig.
Ladeleistungen: Eher mau, dafür kann man den Akku tauschen!
Schade ist dabei nur, dass das DC-Laden nur mit bis zu 130 kW klappt, AC sind 11 kW möglich. Oder ein Akkutausch, der im Idealfall (wenn kein anderer ET7 darauf wartet) binnen 5 Minuten 29 Sekunden erledigt ist. Den Akku plant Nio ohnehin als Subscription-Modell anzubieten um ihn so vom Auto zu entkoppeln.
Was einen Vorteil beim Gebrauchtwagen hat – denn er ist nur mit zehn Schrauben am Fahrzeug befestigt und lässt sich entsprechend leicht tauschen. Und da Nio künftig eine Version mit 150 kW und als semi-Feststoff plant, könnte man seinen dann Gebrauchten ET7 akkutechnisch wieder auf den neuesten Stand heben. Womit wir bei Kosten und Preisen sind: Der ET 7 kostet mit 100-kWh-Akku, der für echte 400 km Reichweite gut ist, netto 58.739,50 Euro (brutto 69.900 Euro) – nicht zu viel für viele neue Ideen in der Luxusklasse, aber: Nio wird seine Modelle nur im Subskriptionsmodell (Abo, All-in-Leasing) anbieten. Vorteil für die (Geschäfts-)kunden: Sie brauchen sich um den (ohnehin) wechselbaren Akku keine Gedanken machen.
Was bedeutet das?
Allmächd! Zumindest der bayerische Ministerpräsident Markus Söder müsste seinen Dienstwagen umgehend gegen den neuen - bisher fast ausschließlich in „Nernberch“ zugelassenen ET7 tauschen: Er bietet viele Innovationen, ein durchdachtes Package, viel Platz und das zu fairen Tarifen. Da kann man über das (prinzipbedingt zu) hohe Leergewicht, den kleinen Kofferraumdeckel und die eher lahme DC-Ladeleistung hinwegsehen.
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