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Neue StVO: Scheuer will Raser-Regeln wieder lockern

Verkehrsminister will die verschärften Sanktionen rückgängig machen, die Fahrverbotsregelung ab 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts soll wieder weg. Grüne Verkehrsminister wollen das verhindern.

Rücksicht für Raser: Verkehrsminister Andreas Scheuer will die jüngst beschlossene Verschärfung bei Tempo-Überschreitungen rückgängig machen. | Foto: J. Reichel
Rücksicht für Raser: Verkehrsminister Andreas Scheuer will die jüngst beschlossene Verschärfung bei Tempo-Überschreitungen rückgängig machen. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will eine Entschärfung der erst vor zwei Wochen in Kraft getretenen neuen Regeln der StVO zu Tempoüberschreitungen vornehmen. Diese sehen bei einer Überschreitung ab 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts neben 80 Euro Strafe einen Punkt im Fahreignungsregister sowie ein einmonatigen Fahrverbot vor. Die frühere Regelung sanktionierte erst ab 31 km/h innerorts und 41 km/h außerorts. Nach Protesten vor allem des ADAC und der FDP sowie der AfD und einer von 135.000 unterstütztern unterschriebenen Online-Petition zur "Führerscheinfalle StVO-Novelle rückgängig machen" war der Verkehrsminister offenbar eingeknickt und will jetzt per Änderung das "Gerechtigkeitsempfinden", wie Scheuer es ausdrückte, wieder herstellen. Man hätten in den Bundesländer im Verfahren viele Anliegen (100 Anträge) gehabt.

"Da kam es an einer einzigen Stelle zu einer Verschärfung, die aus meiner Sicht unverhältnismäßig ist. Deshalb bitten wir die Bundesländer, dies wieder in den alten Stand zurückzubringen", formulierte Scheuer wörtlich.

Jeder müsse sich an die Regeln halten. Aber manchmal komme es zu Härten, die an dieser Stelle wieder in eine Verhältnismäßigkeit gebracht werden müssten, befindet der CSU-Poltiker. Daher bitte er die Bundesländer an "nur dieser einen Stelle - sonst bleibt alles andere gleich, was wir geregelt haben - das einmonatige Fahrverbot wieder auf den alten Stand zurückzubringen".

Als Kompromissvorschlag brachte er eine Erhöhung des Bußgelds um 100 Euro, dafür aber die Streichung des Führerscheinentzugs in Stellung, was man im Zuge einer weiteren Novelle in der zweiten Jahreshälfte erledigen könne. Hierbei sollen auch Kompetenzen zur Festsetzung von Tempolimits sowie beim Lärmschutz von den Ländern auf den Bund übergehen, was weiteren Diskussionsbedarf bringen dürfte.

ADFC: Scharfe Sanktionen sind essenziell

Von Verbänden wie dem Fahrradclub ADFC kam entsprechend heftiger Widerspruch. Es sei essenziell und das wirkungsvollste Mittel, abschreckende Bußgelder für Tempoüberschreitungen vorzusehen, um Menschen vor Rasern zu schützen, meinte der ADFC-Vorsitzende Ulrich Syberg. Der Verband hält die Pläne für unverantwortlich und appelliert an die Bundesländer, diesen eine Absage zu erteilen.

„Minister Scheuer ist angetreten, den Verkehr sicherer für Radfahrerinnen und Radfahrer und Menschen zu Fuß zu machen. Das ist mit der kürzlich in Kraft getretenen Novelle der Straßenverkehrsordnung zum Teil gelungen", findet Syberg. 

Sich durch AfD und FDP zu einer Rückwärtsrolle drängen zu lassen und die Sanktionen zurückzunehmen, sei ein fataler politischer Irrtum. Die Bundesländer müssen jetzt dringend auf dem Kurs der ‚Vision Zero‘ bleiben und einen Rückfall in eine überkommene PS-Politik verhindern, forderte Syberg.

„Es muss endlich Schluss damit sein, dass der Staat die Verfehlungen von Autofahrenden milde lächelnd durchwinkt", befand der ADFC-Mann.

Unterdessen haben die grünen Verkehrsminister in den elf Ländern, in denen die Partei an der Regierung beteiligt ist, schon Widerstand gegen die Scheuer-Pläne angekündigt. Nach einer Abfrage der Neuen Osnabrücker Zeitung wollen diese Länder einer Novelle der Novelle die Zustimmung im Bundesrat verweigern, wofür es mit 41 zu 69 eine klare Mehrheit gäbe.

"Es ist durchaus machbar sich an bestehende Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten", erklärte die Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer in dem Blatt.

Eine Abschwächung der Regelung sei keine Option. Auch in grün mitregierten Ländern, in denen die Grünen nicht den Verkehrsminister stellen, will man im Falle der Uneinigkeit mit dem Koalitionspartner zumindest auf Enthaltung plädieren, was einem "Nein" entsprechen würde.

"Es gibt kein Recht auf Raserei mit dicker Brieftasche", meinte etwa Thüringens Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich (Grüne).

Was bedeutet das?

Mal ganz abgesehen davon, dass Andreas Scheuer einmal mehr das Vertrauen in die Verlässlichkeit von politischen Prozessen und Entscheidungen untergräbt mit seinem Rückfall in die Raserei, ist es auch inhaltlich das völlig falsche Signal - in Sachen Verkehrssicherheit und Klimaschutz. Es braucht eben auch das Instrument spürbarer Sanktionen, die im Verhältnis zum EU-Ausland ohnehin lächerlich anmuten, um der "Vision Zero" bei den Unfalltoten näher zu kommen - und nebenbei auch der "Vision Zero Emission". Wer einmal in der Schweiz unterwegs war, und sieht, wie diszipliniert sich hier alle an die Limits halten, weiß, wie wirksam die Flankierung mit drakonischen Strafen sein kann. Und dass man sich im Autoland Deutschland erst an die Neuregelung gewöhnen muss, es also anfangs zu diversen Beschwerden kommt, war ja abzusehen. Das muss man trotzdem einfach mal durchsetzen und durchhalten.

Dass der Verkehrsminister quasi beim ersten Aufheulen der üblichen, aber völlig überlebten "Freie-Fahrt-für-freie-Bürger"-Fraktion einknickt, zeigt, wes Geistes Kind er immer war und noch immer ist. Statt dagegen zu halten und zu erklären, das sei nun einmal die Beschlusslage und ein mühsam ausgehandelter Kompromiss mit den Ländern im Bundesrat, stellt sich der Minister hin, als sei man auf einem Basar. Mit ständiger Entscheidungswende eines Ministers lässt sich aber keine verlässliche Verkehrswende gestalten.

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