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Nachhaltigkeit bei Skoda: Euphorie schlägt Excel

Lasst uns reden: Erstmals lud Škoda zu einem „Talk“ in der deutschen Zentrale Weiterstadt ein. Das Thema: Nachhaltigkeit. Dabei wurde durchaus auch zwischen den Zeilen gesprochen!

Kleiner aber feiner Kreis: Škoda lud erstmals zum Talk, bei dem sich alles um Nachhaltigkeit dreht. | Foto: Thorsten Zimmermann/Škoda
Kleiner aber feiner Kreis: Škoda lud erstmals zum Talk, bei dem sich alles um Nachhaltigkeit dreht. | Foto: Thorsten Zimmermann/Škoda
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Gregor Soller

Nachdem Škoda modellseitig eine kleine Verschnaufpause eingelegt, Lieferengpässe beseitigt und sich hinter den Kulissen schon mal neu erfunden hat, lud man jetzt erstmals zu einem Gesprächsabend ein. Früher hätte man Kaminabend dazu gesagt, doch den gibt der kühle Zweckbau neben der Werkstatt, auf deren Bühnen gerade der RS130 Rallye neben dem Fabia WRC2 Rallye stehen, nicht ganz her. Vortragender war Karsten Schnake, Vorstand für Beschaffung bei Škoda oder auch Member of Board Procurement - und damit auch für Nachhaltigkeit zuständig.

Eine Rallye der besonderen Art waren auch die letzten drei Jahre, wenngleich man in Weiterstadt ganz zufrieden ist mit der Geschäftsentwicklung. Doch im Fokus stand diesmal das Thema Nachhaltigkeit, dass dann – je später der Abend, desto leidenschaftlicher diskutiert wurde. Wozu ein emotionaler Schnake durchaus beitrug. Der Ostwestfale aus Minden wohnt schon seit geraumer Zeit in Prag und wird noch viel über den speziellen Skoda-Spirit erzählen und weshalb die Marke eigentlich das „Start-Up“ im großen VW-Konzern ist.

Zur Einleitung beginnt auch er mit den Zahlen: Škoda wolle kontinuierlich wachsen und nachhaltig Geld verdienen und sich nicht an einem Verdrängungswettbewerb jeglicher Art beteiligen. 2022 schaffte man die Rekord-Umsatzrendite von 4,1% im Handel, der CO2 Pooling-Wert in Deutschland blieb unter EU-Wert und 2023 werde man hier noch besser. Zumal man bis 2026 drei Stromer im Programm haben wolle. Gestartet wird mit einem Kompakt-SUV unterhalb des Enyaq, danach kommt ein neuer Kleinwagen im Kamiq-Format für etwa 25.000 Euro und ein großer siebensitziger SUV über dem Enyaq. 

Nachhaltigkeit fängt vor der eigenen Haustüre an

Nachhaltigkeit fängt aber schon vor der Haustür an, wo man den eigenen CO2-Footprint kontrolliert, Clean-Up days in Weiterstadt macht, an denen man Rad- und Gehwege reinigt und am Programm Biodiversität naturnah teilnimmt, für das man das Gelände um die Gebäude mit zusätzlichen Bäumen und Sträuchern bepflanzt, um eben die Diversität weiter zu fördern. Und klar, mittlerweile sind über 100 Ladepunkte für E-Fahrzeuge installiert und man fährt diverse Programme für soziale Nachhaltigkeit.

Typisch Škoda: Familiäre Stimmung, flache Hierarchien, schnelle Entscheidungen

Dann beginnt Schnake immer wieder auch zwischen den Zeilen zu erzählen: Dass Škoda nach wie vor sehr “hands on“ sei. Heißt, schnelle und kurze Entscheidungswege, und deshalb eher eine Start-Up- als eine Konzernkultur habe. Das Ganze gemischt mit einem geradezu familiengetriebenen Erfindergeist, auf den die Böhmen seit nunmehr 128 Jahren stolz sind. Und da die Älteren unter ihnen noch den Sozialismus kennengelernt haben, suchen sie immer gern nach einer einfacheren, aber trotzdem intelligenteren Lösung, was zum Leitspruch „simply clever“ führte. Und das Rangeln mit Konzernmutter VW um die Wertigkeit der Fahrzeuge? Beigelegt, denn VW wird tendenziell als erstes die neuesten Entwicklungen einführen und die „Tech-Marke“ unter den Großserienanbietern im Konzern, Seat/Cupra wird den sportlich-südländischen Part übernehmen und Škoda die cleveren „Raumautos“, womit sich der „Familiengedanke“ der Böhmen auch unmittelbar im Auto niederschlägt.

Europa wird weltweit als sustainability driver gesehen

Alles schön und gut, aber das können asiatische Hersteller doch mittlerweile auch, oder? Nicht ganz, erklärt Schnake. Denn die CO2-Reduktion in all ihrer Konsequenz sei mittlerweile ein europäisches Thema geworden und die Welt sieht mehr und mehr Europa als sustainability driver, als Treiber für nachhaltiges Wirtschaften, großen Gedanken und großartigen Technologien. Eine Chance, die es laut Schnake unbedingt zu nutzen gilt!

Womit er die Brücke zur Autoindustrie schlägt, bei der Nachhaltigkeit ein „wesentlicher Wertetreiber“ für Produkte der Zukunft sei:

„Nachhaltigkeit ist kein add on mehr, sondern im daily business angekommen und damit ein wesentliches Element für die technische Entwicklung.“

Das erfordert Kreativität und die wolle man auch bei Partnern und Kunden erzeugen. Das sei deutlich befriedigender und wertschöpfender als einfach nur an nachhaltigeren Produkten zu arbeiten. Er fordert hier auch diese zusätzliche Triebfeder, innovative Ideen nicht nur im Sinne einer Statistik oder Excel-Tabelle abzufeiern. Stattdessen steht Nachhaltigkeit für alle Modelle im Lastenheft, aber auf eine Art, dass sie neue Ideen braucht, auch von den Zulieferern. Am Ende soll natürlich eine Circular Economy stehen, „wie immer die aussehen wird“ – so offen und ehrlich ist Schnake dann doch, denn: Was er nicht will ist Greenwashing, was seiner Meinung nach einem kurzen Hüpfer immer mit einer Bauchlandung endet. Und genau die wolle man nicht!

Für Schnake essenziell: Der Glanz in den Augen der Kunden

Dann kommt natürlich immer schnell die Frage: Lässt sich das finanzieren? Und Schnake antwortet glasklar: „Ja, lässt es sich!“ Denn wenn irgendwo ein Teil etwas teurer würde, fände man meist woanders eines, das billiger würde und dann würden coole Finanzer das zum Wohle der besseren Lösung und des Produktes eben auch verrechnen. In diesem positiven Entwicklungsstrom sieht Schnake Europa dann auch als Innovationstreiber. Man habe jetzt drei Jahre Krise hinter sich mit Pandemie, Halbleiter-, Kabelbaumengpässen. Das sorge für einen großen Aufbruchsmoment und eine Motivation, welche die EU-Industrie vor andere stellen könne – aber nicht in einer Statistik oder auf Excelpapier. Schnake geht es stattdessen um den Glanz in den Augen, den Kunden in der Regel immer noch bei der Auslieferung ihres neuen Autos haben:

„Wir brauchen diesen shaking moment wieder in der Industrie, als Triebfeder, um die Welt besser zu machen.“

Dann geht er auf die ersten Engpässe beim Recyclingmaterial ein, das perspektivisch ein eigener Einkaufsbereich und ein eigener Bereich in der technischen Entwicklung werde. Das klinge simpel, sei aber schwer umsetzbar. Man diskutiere hier jeden Tag, aber als Reibungsthema sei der geschlossene Stoffkreislauf in der täglichen Arbeit voll angekommen. Schnake kommt in Fahrt und schließt:

„Ich bin zuversichtlich, dass wir irgendwann die Plastikberge abgeräumt kriegen.“

Bei Škoda gibt es einen Nachhaltigkeitsbeirat – der gern kritische Fragen stellt

Immerhin sei Skoda die dritte Marke im Konzern gewesen, die einen Nachhaltigkeitsbeirat eingeführt habe. Und man frage sich immer, ob man noch auf dem richtigen Weg sei. In dem Zusammenhang habe man auch die Zusammenarbeit mit den Zulieferern auf eine neue Basis gestellt. Man arbeite mit 7000 Partnern zusammen und habe damit Verantwortung für rund eine Million Menschen und so eine soziale Verantwortung für eine Gesellschaft! Gut, Gewinne müsse man machen, sonst erübrigt sich das Geschäftsmodell aber der Nachhaltigkeitsbeirat stellt immer wieder auch die kritischen Fragen:

„Die werden gestellt, das ist auch gut so, und das ist ne coole Nummer.“

Findet Schnake. Dann könne man auch die Zulieferer mitnehmen, sie neue Dinge erfinden lassen, die dann auch umgesetzt würden. Heraus kommen coole Sachen: Mit einem Reifenhersteller tüftelt man an Pigmentierungen für dunkle Lacke, die aus Altreifen gewonnen werden, mit einem Matratzenhersteller entwickelt man Dämmstoffe aus alten Matratzen und mit einem weiteren Zulieferer treibt man „grünes Aluminium“ voran. Man habe aktuell über vierzig Projekte mit Partnern als Sustainable Innovations laufen. Eines davon kommt ab KW 48/2023 zum Einsatz: Der erste nachhaltige Regenschirm in einem neuen Modell.

Die Marke pflegt jahrzehntelange Partnerschaften

Im Enyaq mischt man ein Wollgewebe mit PET-Flaschen. Wichtig sei hier laut Schnake immer ein lokaler Bezug von Produkten: Mit einem Bezugstoffhersteller in Mönchengladbach arbeite der Konzern seit den 1940er-Jahren zusammen mit einem in Strakonice südlich von Prag seit den 1950er Jahren. „Wenn man dann sieht, wie der Werker in Mönchengladbach mit der Hand über das Gewebe streicht und kleinste Unregelmäßigkeiten erfühlen könnte, das hat schon was“, erklärt Strake, der deshalb auch gern die Fertigungen der Zulieferer, die er als „Partner neben uns“ bezeichnet. Ja, da habe sich etwas geändert – nachhaltig!

 

Škoda will nie billige Autos produzieren, aber immer preiswerte

Es folgte eine Frage- und Antwort-Session, die natürlich mit der kritischen Frage nach den immer höheren Preisen begann – ein gerade für Škoda auch heikles Thema. Fest stehe für Schnake, dass man preiswerte Autos produzieren müsse: „Der Kunde hat ein Recht auf ein preiswertes Produkt. Ich hoffe, dass wir nie billige Autos produzieren, sondern preiswerte.“ Das sei ein Unterschied. Denn Preiswertigkeit ergäbe sich aus Nachhaltigkeit. Zumal man sich die Preisrange, in der man unterwegs sei, auch für die elektrische und nachhaltige Welt vorgenommen habe: „Das schaffen wir zwar nicht gleich, aber der Kunde hat ein Anrecht darauf“, erklärt Schnake.

Um das nachhaltig zu erreichen, schreibt man den Autos und Zulieferern viel Neues und eben Nachhaltiges ins Lastenheft. Am energieintensivsten sei der Akku, der im Idealfall mit erneuerbaren Energien produziert wird. Bei großen und schweren Komponenten sei ein Bahnanschluss vorgeschrieben. Nicht alles sei sofort und einfach erreichbar, aber das Ziel müsse es sein, die Partner zu ertüchtigen, mit Ihnen den Weg zu definieren und zu gehen.

Neuer Luxus: Laurin&Klement und RS könnten inhaltlich neu aufgeladen werden

Interessant war auch der Ansatz, höherwertige Linie wie RS oder Laurin und Klement im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu definieren: RS könnte die Leichteste, Laurin und Klement die Nachhaltigste statt der hochwertigsten sein. All das würde auch Luxus neu und nachhaltiger definieren.

Als nächstes brachten wir das Thema Refurbishing aufs Tablett: Auch das würde analysiert, weshalb Schnake absolut kein Freund von Cell to pack oder gar to Body sei. Denn wer die Akkuzellen für eine möglichst preisgünstige Produktion einfach ins Auto verklebe, hätte in Folge ein riesiges Problem, wenn mal eine Zelle getauscht werden müsse. Denn Reparierbarkeit verlängert auch das Fahrzeugleben und erhält die Wertstabilität.

Günstige Reparaturen, günstige Kaskoklassen: Das ist weltweite Konzernphilosophie

Dazu gehöre auch die Konzernphilosophie, den Kunden günstige Kaskoklassen bieten zu können –der Anspruch bestehe in allen Weltregionen. Und auch wenn das manchmal mehrere kleinere Teile oder eine etwas aufwendigere Konstruktion erfordere, bleibe man dabei, das sei historisch so im Konzern verankert:

„Wir sind zutiefst davon überzeugt, Teile leichter und kostengünstiger austauschbar zu machen. Das dient dem Erhalt des Autos und ist damit letztlich auch der Nachhaltigkeit geschuldet.“

Die Frage, ob das auch für Märkte wie Indien gelte, kann Schnake bejahen: Das sei weltweit der gleiche, historisch gewachsene Anspruch:

„Ich bin jetzt seit 27 Jahren bei der Firma und das ist ein Wert, den wir schon lange mit uns rumtragen. Da sind wir stolz drauf - das ist gut so und deshalb machen wir das so.“

Wandel in der Industrie: Innovation schlägt Skaleneffekte

Und wie viel Spielraum hat Škoda im Konzern? Viele. Erstmal entwickle man gemeinsam, habe aber viele Freiheiten in Ausprägung der Produkte. Auch wenn man Skaleneffekte verliert? Die seien laut Schnake bei Weitem nicht mehr so bedeutend wie noch vor 20 Jahren, stattdessen werden Flexibilität, Innovationen und technische Entwicklungssprünge wichtiger. Das sei ein großer, aber kein schlechter Wandel.

Eher allgemein ist die Frage nach E-Fuels. Auch dazu hat Schnake eine klare Meinung:

„Wir haben uns als Industrie und Gesellschaft auf den Weg der E-Mobilität begeben - zu Recht. Die Kette der Betrachtung reicht zurück bis zur Energieerzeugung. “

Aber für den Bestand in einigen Jahren könnten E-Fuels, diesen wenigstens so umweltschonend wie möglich abbilden. Denn es geht um komplett emissionsfreies Fahren.

„Das ist die Entscheidung und darauf haben wir uns verständigt. Und die Richtung, die wir einschlugen, haben wir zu verfolgen.“

Ganz am Schluss dreht die letzte Frage wieder auf die Nachhaltigkeit – diesmal die der Akkus.

Künftig könnten die Akkus nur noch aus rezykliertem Material entstehen

Der erste Schritt sei ohnehin, den Akku so lange wie möglich zu nutzen. Nach seinem "Job im Auto" kann er seinen Dienst noch beim Händler in einer HPC-Powerstation tun, um ohne extra Anschluss oder Trafohaus schneller laden zu können. Das Gute an einer Batterie: Das Recycling sei bis auf den Separator zu 100% möglich. Nach 15 bis 20 Jahren könne man an einem Punkt sein, wo man alle Rohstoffe wiederverwendet. Man müsse jetzt einmal die Durchdringung mit den Akkus erreichen und diesen Zyklus mache man nur einmal! Dann startet der Recyclingmodus und auch das Thema Akkuproduktion würde: Viel nachhaltiger!

Was bedeutet das?

Wenn man Schnake länger lauscht, bekommt man eine Idee davon, wie komplex das Surfen in einem Großkonzern ist, bei dem nur ein schmaler Wellenkamm zwischen verschiedensten Interessen existiert – der aber so gut wie möglich – und vor allem nachhaltig genutzt werden möchte.

 

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