Mondial de l´Auto 2022 Paris: Brennen für die Brennstoffzelle

Das Thema Wasserstoff blieb in Paris populär – populärer denn je vielleicht: Unter anderem präsentierten Hopium, Renault, Namx und Hydromotors ihre Produkte zum Thema. Auch Capgemini nahm sich des Themas an.

Renault zeigte einmal mehr die Studie Scénic Vision. | Foto: G. Soller
Renault zeigte einmal mehr die Studie Scénic Vision. | Foto: G. Soller
Gregor Soller

Auf dem Weg zum Pressezentrum in Halle drei stand direkt davor auf Stand 91 des Beratungsunternehmens Capgemini ein Kleinwagen mit Brennstoffzelle. Abends war Party am Stand und es kamen viele – und auch am nächsten Tag war er Stand – trotz seiner nicht ganz populären Lage gut besucht. Wobei man hier eine maximal teure Technik in eine maximal günstige Hülle packte, aber demonstrierte: Grundsätzlich geht das!

Renault-Studie Scénic Vision: Der Langstreckenstromer

Deutlich greifbarer ist da die Renault-Studie Scénic Vision: Mit 4,49 Meter Länge bei 1,9 Meter Breite und 1,59 Meter Höhe bleibt sie am oberen Ende Kompaktklasse. Sie wird von einem Hybrid angetrieben, der hier aus einem Synchronmotor mit 160 kW/218 PS, einer kompakten Batterie mit 40 kWh Kapazität und einer Brennstoffzelle mit 16 kW/22 PS besteht, die mit grünem Wasserstoff betrieben wird und Energie zum Laden des Akkus liefert. Vorteil der Elektro-Wasserstoff-Hybridtechnologie sind die deutlich kürzeren Tankzeiten als sie zum Laden einer Antriebsbatterie benötigt werden. Ein Tankstopp an einer Wasserstoffstation ließe sich, so die gut funktionieren würde, in fünf Minuten absolvieren.

Bei alltäglichen Fahrten funktioniert der Scenic Vision wie ein herkömmliches Elektrofahrzeug und nutzt die Brennstoffzelle nicht. Bei längeren Strecken berechnet ein Routenplaner den Leistungsanteil, den die Brennstoffzelle übernehmen muss, damit der Nutzer die Batterie nicht aufzuladen braucht. Stellt er das Fahrzeug am Zielort ab, kann er es wieder an der Ladestation anschließen. Weiterer Vorteil der Brennstoffzelle: Bei kaltem Wetter sorgt das System dafür, dass der Akku schneller auf die optimale Betriebstemperatur kommt.

Einziges Emissionsprodukt der Brennstoffzellenreaktion ist Wasser. Darüber hinaus beinhaltet das Hybridsystem des Scenic Vision alle Vorteile des Elektroantriebs: sofort bereitstehendes Drehmoment sowie geräuscharmer und vibrationsfreier Betrieb. Die Studie versteht sich darüber hinaus als Teil eines größeren elektrischen Ökosystems: Sie verfügt über die technische Voraussetzung für das bidirektionale Laden und kann mit der Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) Strom ins Netz zurückspeisen.

Neue Plattform mit viel Platz innen

Um sämtliche Komponenten für sein innovatives Antriebskonzept aufzunehmen, nutzt der Scenic Vision eine neuartige Plattform mit dem Elektromotor im Heck und dem 2,5 Kilogramm schweren Wasserstofftank vorne. Entsprechend der Einbauposition des Motors verfügt die Studie über Hinterradantrieb. Die Batterie ist im Fahrzeugboden untergebracht, ebenso die dahinter liegende Brennstoffzelle.

70 (Gewichts-)Prozent Recyklate sparen massiv Rohstoffe

Das Concept Car besteht zu über 70 Gewichtsprozent aus wiederverwendeten Materialien. Ebenso lassen sich 95 Prozent der Materialien, aus denen das Fahrzeug einschließlich der Batterie besteht, im Rahmen des industriellen Wertstoffkreislaufs wiederverwerten. Bereits 2008 war Renault nach eigenen Angaben der erste Autohersteller, der sich über die Gründung der Tochtergesellschaft Renault Environnement 2008 finanziell an der Recyclingindustrie beteiligte. Heute richtet der Konzern mit der Re-Factory den Produktionsstandort Flins neu aus zu einem Zentrum für Kreislaufwirtschaft rund um die Mobilität. So gesehen schade, dass der zwar prominent platzierte und jetzt in weiß gehaltene Scénic Vision ein bisschen unterging, da ihm R4 und R5 die Show stahlen.

Hopium Machina: Frankreichs neue Wasserstoff-Luxuslimousine

Umso größer trat dafür Hopium auf: Hinter Valeo, gegenüber von DS baute man einen Riesenstand auf, um die seriennahe Version des Machina zu zeigen. Das französischen Start-up Hydrogen Motive Company (HMC) pant mit seiner Autosparte Hopium nicht weniger, als „Tesla von oben angreifen". Hinter diesem mutigen Plan steckt der französische Rennfahrer Olivier Lombard, dessen Familie das Pariser Varieté Moulin Rouge betreibt. Er gründete HMC und will damit das Thema Wasserstoff weiter treiben. Bereits im Juni 2021 hatte HMC für den Hopium die Bestellbücher geöffnet – für die erste Serie von 1.000 Einheiten. Bereits im Oktober des gleichen Jahres sollen die alle reserviert worden sein. In Paris stand nun der Machina – der seine Tanks im Mitteltunnel und Unterboden trägt.

Dazu kündigte man die Einrichtung seines Industriestandorts in der Nähe von Vernon in der Normandie an. Diese strategische Entscheidung ist Teil der Bestrebungen des Unternehmens, seine wasserstoffbetriebenen Limousinenmodelle in Frankreich zu entwickeln. Auf dem 85 Hektar großen Gelände in der Gegend von Douains sollen die ersten Produktionslinien mit einer Kapazität von 20.000 Fahrzeugen pro Jahr sowie ein Forschungs- und Entwicklungszentrum entstehen. Die Infrastruktur wird laut Hersteller Ende 2024 in Betrieb genommen, die Einweihung ist für Anfang 2025 geplant. Der Standort Vernon wird in all seinen Abteilungen mehr als 1.500 Mitarbeiter beschäftigen und will damit zur wirtschaftlichen Dynamik der Region beitragen. Bis 2030 soll der Umsatz auf rund eine Milliarde Euro steigen. Ab dann sollen jährlich 8.000 Exemplare montiert werden. Der Machina soll mehr als 500 PS leisten und mit einer Tankfüllung über 1000 Kilometer weit kommen - nach drei Minuten Tanken. Als Preis nannte Hopium ab 120.000 Euro, was für eine Luxuslimousine made in France nicht zu viel wäre – mittlerweile dürfte das aber kaum noch zu halten sein.

Nicht ganz so groß, aber auch sehr prominent fuhr Namx auf – hinter dem Stand von Vinfast, gegenüber dem Riesenareal von Ora und Wey: Der Namx HUV wurde erstmals am 11. Mai 2022 in Italien präsentiert und wurde von Pininfarina gestaltet. Namx ist französisch-marokkanisches Start-Up und steht für New Automotive and Mobility Exploration. Namx-Chef Faouzi Annajah erklärt das H im HUV Kürzel mit Wasserstoff:

„Wir nennen es HUV, also Hydrogen Utility Vehicle."

Er kommt mit austauschbaren „Wasserstoffpatronen“, welche den konventionellen Wasserstofftank, der mit unter Druck stehendem Gas betankt wird, ergänzen. So sollen bis zu 800 Kilometer Reichweite möglich werden.

Die sechs aus dem Heck herausziehbaren Zusatztanks kann man tauschen, ohne den Haupttank zu befüllen. Damit will Namx das kaum vorhandene Wasserstofftankstellennetz um „Patronen-Stationen“ erweitern, die das Betanken quasi „auslagern“. Das SUV nutzt eine Brennstoffzelle ausgestattet, die einen oder zwei E-Maschinen antreibt. Die Heckantriebsversion leistet 220 kW (300 PS), während beim Allradler zwei Motoren mit einer Gesamtleistung von 404 kW (550 PS) klotzen. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h wird mit 6,5 bzw. 4,5 Sekunden angegeben. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 200 bzw. 250 km/h.

Im nächsten Schritt soll ein funktionsfähiger Prototyp entstehen. Mit der Produktion soll auch hier im vierten Quartal 2025 begonnen werden. Das HUV soll je nach Ausstattung zwischen 65.000 und 95.000 Euro kosten. Der Namx soll ein europäisch-afrikanisches Projekt werden, erklärt Mustapha Mokass, bei Namx für die Finanzierung zuständig und ergänzt:.

„Marokko wäre ein möglicher Produktionsort, dort hat man bereits Erfahrung mit dem Automobilbau, und die Lohnkosten sind niedriger als in Westeuropa."

Er nannte zur Präsentation auch eine Zahl, die allerdings sehr günstig erscheint: Insgesamt veranschlagt er 530 Millionen Euro, um das „HUV“ in die Produktion zu überführen.

Was bedeutet das?

Das Thema Brennstoffzelle respektive Wasserstoff war in Paris sehr prominent und präsent: Allerdings traut man aktuell nur Renault konkret zu, das auch durchzuziehen – einfach, weil sie es bei den Vans schon umsetzen und der Scenic sehr konkrete Ansätze zeigt. Dass Frankreich generell größer und wilder denkt als Deutschland, beweisen Hopium und Namx. Auch Stellantis baut schon Brennstoffzellenvans, während BMW eine Mini-Serie von X5 auflegt, die genauso wieder eingezogen wird wie der GLC von Mercedes-Benz. Man darf sehr gespannt sein – doch wenn die Brennstoffzelle oder der Wasserstoffantrieb in Europa in Serie kommt, dann zuerst in Frankreich!

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