Werbung
Werbung

Michelin: Simulation soll Reifenentwicklung grüner und schneller machen

Die Simulationstechnologie soll den Fortschritt im Motorsport und in der Automobilindustrie beschleunigen. Reifenspezialist zählt nach der Übernahme des Simulationssoftware-Spezialisten Canopy Simulations auf den "perfekten virtuellen Fahrer".

Für die Entwicklung von Reifen setzt der französische Hersteller immer mehr auf Simulation und Software. | Foto: Michelin
Für die Entwicklung von Reifen setzt der französische Hersteller immer mehr auf Simulation und Software. | Foto: Michelin
Werbung
Werbung
Johannes Reichel

Bei der Entwicklung von Reifen für Renn- oder Seriensportwagen setzt der französische Reifenhersteller Michelin mehr und mehr auf Simulation. Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 2023 etwa werden alle Prototypen, die in der Königsklasse der Hypercars antreten, mit Reifen ausgestattet, die vollständig mit Hilfe von Simulationssoftware entwickelt wurden. Diese Technologie sei ein wesentlicher Bestandteil der Beziehungen zwischen Michelin und seinen Partnern aus der Automobilindustrie und spiele bei der Entwicklung von Hochleistungsreifen für die Erstausrüstung eine unverzichtbare Rolle.

"Die Kombination aus mathematischer Modellierung und Simulatoren ermöglicht es, die für ein neues Fahrzeugmodell am besten geeigneten Reifengrößen und -technologien in Abhängigkeit von seinen technischen Eigenschaften und seiner Gewichtsverteilung zu ermitteln", wirbt der Hersteller für seinen Ansatz.

Dieses auf Datenverarbeitungstechnologie und fortschrittlichen mathematischen Algorithmen basierende Instrument soll den Status der Franzosen als Technologieführer und datengesteuertes Unternehmen unterstreichen. Man erreiche immer effizientere Rennen, aber auch allgemeine Mobilität, die Simulation optimiere die Arbeit von Michelin mit seinen Partnern und den Fahrzeugherstellern. Zugleich soll dadurch der ökologische Fußabdruck der Forschung und Entwicklung verringert und echte Einsparungen im Vergleich zu längeren, traditionellen Entwicklungszyklen ermöglicht werden. Auf bis zu 80 Prozent der Emissionen und Kosten beziffert ein Nachhaltigkeitsverantwortlicher alleine die Entwicklung und Produktion von Prototypen, die damit wegfielen.

Bei unserer Visite nahm ein Profi-Fahrer im Simulator Platz und testete hintereinander verschiedene Reifen mit unterschiedlichen Mischungen auf einer Rennstrecke. Präzise gab er Einschätzungen, wo er sich mehr Grip und Traktion oder mehr Seitenführung wünschte und gab den Ingenieuren damit ein direktes Feedback für ihre Entwicklung.

Drei digitale Modelle greifen ineinander

Konkret reproduziert die Technologie die dynamische Realität durch das Zusammenspiel von drei digitalen Modellen. Das erste bildet die Charakteristiken und Grip-Eigenschaften von Rennstrecken nach, das zweite die Eigenschaften des Fahrzeugrahmens (oder sogar des gesamten Fahrzeugs) und das dritte das Verhalten der Reifen in allen Einzelheiten. Am Steuer eines Simulators können die Fahrer verschiedene Reifentypen in einem außergewöhnlich breiten Spektrum von Konfigurationen testen. Neben den objektiven Daten des Simulators werden auch die subjektiven Eindrücke und Rückmeldungen der Fahrer erfasst, die sich dann genauso verhalten sollen wie in einem echten Auto oder auf einer echten Rennstrecke.

Brückenschlag zwischen realer und virtueller Welt

Da sich die Fahrer an diese digitale Revolution anpassen, hat sich ihre Aufgabe erheblich weiterentwickelt, wobei die jüngeren Fahrer ihr Rennhandwerk gleichzeitig mit dem Erwerb von Simulatorfähigkeiten verfeinern. Der Brückenschlag zwischen der realen und der virtuellen Welt ist zu einer Priorität geworden.

Rundenzeitsimulationen: Übernahme von Canopy Simulation

Vor diesem Hintergrund hatten die Franzosen kürzlich das weltweit führende Unternehmen für Rundenzeitsimulationen, Canopy Simulation, übernommen. Das britische Unternehmen bietet eine der anspruchsvollsten Simulationssoftware-Tools auf dem Markt. Sein Cloud-basiertes System kombiniert Strecken-, Fahrzeug- und Reifenmodelle mit einer fortschrittlichen Bahnoptimierungsfunktion, um die Eingaben des perfekten "virtuellen Fahrers" zu simulieren. Es ist so konzipiert, dass es sich weiterentwickelt und immer detailliertere und vielfältigere Fahrermodelle sowohl für Rennstrecken- als auch für Straßenentwicklungsanwendungen berücksichtigt werden können:

  • Beim Einsatz im Motorsport übernimmt der virtuelle Fahrer die grundlegenden Aufgaben, wie z. B. einen simulierten Vier-Stunden-Stint in Le Mans, um die Reifenkonsistenz zu bewerten.
  • Bei Straßenreifen ermöglicht er den Automobilherstellern, verschiedene Fahrerprofile sowie unterschiedliche Fahrzeug- und Reifennutzungen zu reproduzieren.

Das letzte Wort hat jedoch der Mensch, denn der echte Fahrer hat die Möglichkeit, die endgültige Spezifikation des Reifens und seine Eignung für das betreffende Fahrzeug zu bestätigen.

Michelin setzt auf Mathematik

Die mathematische Software, die vor 30 Jahren im Motorsport eingeführt wurde, um die bei den Rennen gesammelten Daten zu verarbeiten und Prognosen zu erstellen, erfuhr um die Jahrhundertwende einen ersten Wandel, blickt der Hersteller zurück. Im Jahr 2005 mit dem Einstieg in die Formel 1 entwickelte sie sich weiter, als die Gruppe den Schritt wagte, ihre virtuellen Reifen "dynamisch" zu machen. Seine Experten zerlegten die Reifen in unabhängige mathematische Modelle für jedes Element ihrer Konstruktion.

Die neue thermodynamische Software Tame Tire von Michelin habe die Interaktion zwischen diesen verschiedenen Elementen ermöglicht, indem sie deren Verformung und die Beeinflussung der Eigenschaften und des Verhaltens der Rohstoffe und des Reifendrucks durch Temperaturschwankungen nachbildete. Tame Tire habe sich seitdem weiterentwickelt und wird dank intelligenter Daten, die bei Rennen gesammelt werden, ständig verbessert. Sodass sich die Franzosen heute in der mathematischen Datenverarbeitung einen Schritt voraus wähnen, wenn es um die Modellierung und Simulation von Reifen geht.

Werbung
Werbung