Mehr Autoverkehr in Städten oder Opposition in der Koalition: Was treibt die FDP an?
Immer wieder montags: Immer zum Wochenauftakt tagt das FDP-Präsidium - und deshalb herrscht montags leichte Alarmstimmung in der Ampel-Koalition. Denn die Beschlüsse des FDP-Führungsgremiums muten oft wie die einer Oppositionspartei an und nicht wie die eines Koalitionspartners. Jüngstes Beispiel: das Papier «Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto» vom Montag.
Was da als «Fahrplan Zukunft» angekündigt wurde, las sich in Teilen eher als ein «Fahrplan Vergangenheit»: mehr Autos in die Innenstädte durch kostenfreies Parken, möglichst wenig Umwidmen von Straßen in Fahrradwege und Fußgängerzonen und natürlich - gängige FDP-Position - kein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Noch mehr Autos in die ohnehin oft schon verstopften Innenstädte? Wirklich? Selbst der ADAC warnte vor «Pull-Effekten» für Pkw bei ohnehin schon vorhandenen Verkehrsproblemen.
SPD sieht in den Positionen ein Armutszeugnis
Die Reaktion aus der Koalition kam umgehend. Mit ihren Positionen spiele die FDP Verkehrsträger gegeneinander aus und zeige, dass sie verkehrspolitisch wieder in den 70er Jahren angekommen sei, erklärte der SPD-Verkehrspolitiker Detlef Müller. «Für die Partei, die das Verkehrsministerium besetzt, ein Armutszeugnis.» Das jüngste Papier ist der vorläufige Schlusspunkt einer ganzen Reihe von FDP-Präsidiumsbeschlüssen. Mal sind es wie im April zwölf Punkte «zur Beschleunigung der Wirtschaftswende», mal wie im Mai fünf Punkte für eine «generationengerechte Haushaltspolitik» und jetzt eben zehn Punkte zur Verkehrspolitik. Immer haben sie Konfliktpotenzial für die Ampel. Und immer liegt die Frage nahe: Was treibt die FDP an?
Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, der die Ergebnisse der Präsidiumssitzung Montag für Montag im Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin-Mitte vorträgt, kann die Aufregung nicht verstehen. «Überhaupt nicht», antwortete er nach der Präsentation des Auto-Papiers auf die Frage einer Journalistin, inwieweit die FDP damit mutwillig die Koalition riskiere. «Ich spreche hier zu Ihnen als Generalsekretär der FDP und nicht als Generalsekretär der Ampel.» Auch die anderen Parteien sprächen über die Themen, die für sie als Partei relevant seien.
Ist die FDP schon im Wahlkampfmodus?
Was also will die FDP mit ihrer Aufsässigkeit erreichen? Beim Auto-Papier gab SPD-Verkehrsexperte Müller die Richtung vor: «Mit ihrem Beschluss will die FDP nichts weiter, als das Thema mit Blick auf die Landtagswahlen populistisch auszuschlachten.» Dass die FDP - die vor den September-Wahlen laut Umfragen in Sachsen und Thüringen bei 2 Prozent steht, in Brandenburg bei 3 Prozent - mit einem solchen Manöver das Ruder noch herumreißen kann, scheint wenig wahrscheinlich. Aber: Es gibt in der Partei und ihrer Basis erhebliche Unzufriedenheit mit dem Ampel-Kurs und auch mit der ganzen Richtung, in die das Land steuert. Bürokratie und anhaltende wirtschaftliche Schwäche sind die Stichworte dafür.
«Viele Menschen in Deutschland sind besorgt hinsichtlich ihres eigenen wirtschaftlichen Vorankommens. Sie erwarten, dass Deutschland in der weltweiten Spitzengruppe mitspielt und nicht nach hinten durchgereicht wird», sagte Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner am Tag nach der Europawahl. Diese war für alle Ampel-Parteien ein Fiasko, nimmt man die Ergebnisse der Bundestagswahl zum Maßstab. Die FDP aber feierte ihre Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der es in einem kämpferischen Straßenwahlkampf gelungen war, 5,2 Prozent der Stimmen zu holen - immerhin 2 Prozentpunkte mehr als beim Tiefstand der Meinungsumfragen.
FDP hat noch weitere Themen mit Potenzial für Aufregung
Als erste der drei Ampel-Parteien schlagen die Liberalen nun Töne an, die schon deutlicher den Sound des heraufziehenden Bundestagswahlkampfs in sich tragen. Es scheint, als wolle die noch mit SPD und Grünen in der Ampel verbundene FDP schon jetzt ihre Position als eigenständige Partei betonen. Die Vorschläge zur Zukunft des Autoverkehrs in den Städten sind ein Vorzeichen dafür. Und auch die teils öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung der FDP-Spitze mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) um den Verteidigungsetat sowie um dessen Vorschläge für ein neues Wehrdienstmodell kann so verstanden werden.
Die nächsten Themen sind schon in der Pipeline. So kursierte am Dienstag ein Papier aus der FDP-Bundestagsfraktion, in dem eine Eingliederung des bislang eigenständigen Entwicklungsministeriums in das Auswärtige Amt gefordert wird, ein Vorhaben, das jedenfalls erst nach der Bundestagswahl umgesetzt werden kann - wenn überhaupt. Von 2009 bis 2013 hatte die FDP mit Dirk Niebel selbst den Entwicklungsminister gestellt.
Die Argumentation, so schrieb das Nachrichtenmagazin «Politico»: Wie in allen anderen Staaten der EU und G7 solle das Entwicklungsministerium kein eigenständiges Ressort mehr sein, sondern mit seinen erheblichen Ressourcen als Instrument der Außenpolitik verstanden werden. Zugleich biete sich ein Hebel, die Ausgaben einer kritischen Inventur zu unterziehen. Ein Aufreger war das in den Reihen von Hilfsorganisationen. Die Entwicklungsorganisation One warnte vor einer «Verzwergung» und schrieb mit Blick auf das Vorhaben: «Der politische Zombie ist zurück.»
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