Werbung
Werbung

Mautbefreiung für Erdgas-Lkw: Kritik an der Verlängerung

Die vom Bundestag bestätigte Verlängerung der Maut-Befreiung für Erdgas-Lkw erregt Kritik bei Daimler, Umwelt-verbänden und Grünen. Doch der Antrieb bietet Potenzial als Brückentechnologie, zumal mit Biomethan.

Netzausbau: Das Angebot an LNG-Tankstellen wächst stetig, etwa bei der BayWa. Auch Hersteller-seitig sind neben Pionier Iveco auch die VW-Tochter Scania sowie der Daimler-Brennstoffzellenpartner Volvo beim Thema LNG aktiv. | Foto: BayWa
Netzausbau: Das Angebot an LNG-Tankstellen wächst stetig, etwa bei der BayWa. Auch Hersteller-seitig sind neben Pionier Iveco auch die VW-Tochter Scania sowie der Daimler-Brennstoffzellenpartner Volvo beim Thema LNG aktiv. | Foto: BayWa
Werbung
Werbung
Redaktion (allg.)
von Johannes Reichel

Nach der Verlängerung der Mautbefreiung für Lkw mit CNG- oder LNG-Antrieb hat sich der Daimler-Trucks-Chef Martin Daum Kritik an der Maßnahme der Bundesregierung geäußert. In einem Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erklärte Daum laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung, allen Marktteilnehmern sei bewusst, dass die Klimavorgaben der EU für schwere Lkw "nur durch eine umfassende Elektrifizierung erreicht werden können" entweder durch batterieelektrisch oder brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge, wie die Zeitung zitiert. Jüngst hatte Daimler ein Joint Venture mit Volvo Trucks zur Entwicklung von Fuel-Cell-Antrieben bis in die zweite Hälfte des Jahrzehnt bekannt gegeben, erste Mercedes-Benz E-Trucks sollten nach ursprünglicher Planung ab nächstem Jahr in Serie gehen. Die Mautbefreiung, verbunden mit Kaufzuschüssen, setzt nach Daums Dafürhalten die falschen Anreize. Daum sieht die Gefahr einer "teuren Fehlsteuerung", durch die die Einführung CO2-neutraler Fahrzeuge "wesentlich verzögert, wenn nicht gar verhindert werden" könne. Er forderte den Verkehrsminister auf, die Verlängerung der Befreiung für Erdgas-Lkw rückgängig zu machen.

Diese lief ursprünglich bis 2020 und sollte Ende des Jahres auslaufen, die letztmalige Verlängerung bis 2023 wurde aber jetzt vom Verkehrsausschuss des Bundestages befürwortet und beschlossen. Nach der Zustimmung durch den Bundestag am Donnerstag muss nur noch der Bundesrat zustimmen, was als wahrscheinlich gilt.

Für die einen eine Brücke, für die anderen ein Irrweg

Kritik an der Verlängerung kommt auch vom Naturschutzbund Nabu, der schon seit Längerem gegen LNG Front macht und den alternativen Kraftstoff für nicht geeignet hält, die CO2-Emissionen des Verkehrs zu senken. Auch das Ökoinstitut kam zuletzt in einer Studie zu dem Schluss, dass LNG ungeeignet sei als Option für mehr Klimaschutz. Das Institut führt das vor allem auf den sogenannten Methanschlupf zurück, das beim Tanken neben ebenso hochklimawirksamem Lachgas entweiche und die Klimabilanz ins Negative drücke. Diese wäre bei ausschließlicher Orientierung an den CO2-Emissionen am Auspuff besser als beim Diesel, konzediert auch die Forscher, nicht aber bei Berücksichtigung der Gesamtemissionen inklusive Schlupf.

Sie machen zudem die Einschränkung, dass vor allem nach dem Diesel-Prinzip laufende Erdgasmotoren, wie sie Volvo Trucks verwendet, hier im Vorteil seien, nach dem Otto-Prinzip konzipierte Erdgas-Aggregate dagegen weniger. Die Wissenschaftler rechnen vor, dass bei der Nutzung von typischen LNG-Lkw mit einem Ottomotor 1.051 Gramm Treibhausgase pro Kilometer (g/km) entstünden, etwa gleichauf zum Diesel mit 1.056 g/km. Nur bei LNG-Lkw, die nach dem Prinzip der Selbstzündung arbeiten würden, lägen die Treibhausgase mit 969 g/km darunter. Noch schlechter falle die Bilanz bei Verwendung von Fracking-Gas aus.

Ökoinstitut bezweifelt ausreichende Verfügbarkeit von Biomethan

Die Subventionierungen sollten nach Ansicht der Autoren der Studie wie geplant auslaufen, da der Klimavorteil in der Gesamtbilanz nicht haltbar ist, votieren die Forscher. Zudem halten sie Biogas und synthetisches Methan für zu begrenzt verfügbar, um LNG-Lkw klimafreundlich zu betreiben. Die mögliche verfügbare Menge für nachhaltiges Biogas decke nur einen Bruchteil der heutigen Nachfrage nach Erdgas ab, so ihre Einschätzung.

Traditionell sehen auch die Schienenverbände Pro Bahn, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sowie die Grünen in der Förderung von LNG/CNG einen Fehlanreiz. Die Koalition würde der Verkehrsverlagerung Tür und Tor öffnen mit dieser Subvention, warnte Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn.

Dena sieht in LNG einzige marktreife Alternative

Allerdings war die Deutsche Energieagentur Dena in einer Studie vor der Entscheidung zu einem ganz anderen Schluss gelangt. Sie empfahl die Verlängerung der Mautbefreiung und sieht im Erdgasantrieb eine zur CO2-Minderung taugliche Brückentechnologie und die einzige derzeit verfügbare und marktreife Alternative für schwere Lkw über längere Strecken. Zudem gibt es die Option, den Kraftstoff aus Abfall- oder Strohreststoffen (Biomethan) oder durch die Methanisierung von Grünstrom zu erzeugen, womit der Antrieb nahezu klimaneutral wäre, wie auch die Erdgasverbände sowie Hersteller wie Iveco, Scania oder Volvo immer wieder hinweisen.

Was bedeutet das?

Man wird ja den Verdacht nicht los, dass Daimler-Trucks-Chef Martin Daum vor allem deshalb gegen die Mautbefreiung Front macht, weil die Schwaben schon relativ früh aus dem Thema Erdgasantrieb ausgestiegen sind - und zwar bei Lkw, Transportern und Pkw. Außer im Kommunalfahrzeug Econic und bei den Kommunalbussen wird die Alternative überhaupt nicht mehr bespielt. Alles setzt man bei Daimler auf eine Karte, Elektromobilität, primär auf Batterie, sekundär jetzt auch auf die Brennstoffzelle gemeinsam mit Volvo bei den Trucks, während man das Engagement bei den Pkw in diesem Bereich beendete. Spät dran ist man sowieso.

Wie dem auch sei: Für schwere Trucks, aber auch für Pkw ist Erdgas, wenn es aus Reststoffen oder gar Grünstrom gewonnen wird, derzeit eben doch eine plausible Alternative, die übrigens auch bei den Pkw in der Ökobilanz selbst mit rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen mithalten kann. Im Truck-Bereich ist es sogar die einzige Alternative, aus der sich etwas machen lässt in Sachen CO2-Neutralität. Auch das Thema Methanschlupf nimmt man in der Branche sehr ernst und dürfte bei neuesten Modellen kein großes Thema mehr sein, jedenfalls ein lösbares technisches Problem.

Daraus jetzt wieder einen kompletten Irrweg abzuleiten, ewig den Teufel der Verkehrsverlagerung an die Wand zu malen oder den "Worst-Case" LNG aus US-Frackingquellen per Schiff anzunehmen, wie das die Grünen, die Schienen-Verbände oder der Nabu tun, hilft nicht weiter. "Die Schiene" ist derzeit ja überhaupt nicht in der Lage, größeres Volumen an Fracht aufzunehmen. Diese Voraussetzungen müsste man erst einmal schaffen, das ist ein politisch zu steuerndes Langfristprojekt, nichts, womit ein Transportunternehmer, der heute nach einer zukunftssicheren und umweltfreundlichen Lösung sucht, rechnen könnte.

Fakt ist: Ein LNG-Truck ist derzeit besser, sprich umweltfreundlicher als ein Diesel-Truck, sogar mit fossilem Gas stößt er weniger CO2 aus, ob nun auch schon beachtliche sieben Prozent (wie Daimler konzediert) oder gar 20 Prozent (wie Iveco behauptet). Mit Feinstaub und Stickoxid hat Erdgas nebenbei auch kein Problem. Zudem verbrennt es leiser. So sieht es nun mal aus. Und E-Trucks geschweige denn die Brennstoffzellentechnologie sind - außer bei Hyundai - noch nicht in Serie verfügbar, geschweige denn zu halbwegs vertretbaren Kosten. Das wird auch noch länger so bleiben.

Deshalb hat die Bundesregierung richtig gehandelt, jetzt noch ein letztes Mal das Privileg zu verlängern, erst recht, weil die Branche nach der Coronakrise finanziell mit dem Rücken zur Wand steht und die Quadratur des Kreises schaffen muss: Krise bewältigen und in Klimaschutz investieren. Binnen drei Jahren könnten die LNG/CNG-Mehrkosten durch die Skalierung der Technologie gesunken, die Umweltfreundlichkeit durch Industrialisierung der Biomethanherstellung gestiegen sein. Und die Abgasreinigung beim Diesel wird ja auch noch immer aufwändiger. Die Grünen sollten mal ein technisches Update ihrer festgefahrenen Position machen und pragmatisch statt dogmatisch über die Technologie urteilen, in der einiges an Potenzial steckt. Es kommt eben drauf an, was man draus macht.

Werbung
Werbung