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Macht hoch die Tür: Microlino präsentiert fahrfertige Vorserienmodelle

Nach dem Projektstart 2015 soll noch dieses Jahr mit der Serienproduktion der Elektro-Knutschkugel begonnen werden.

Großer Bahnhof in Zürich: Microlino zeigte die ersten Vorserienmodelle. | Foto: G. Soller
Großer Bahnhof in Zürich: Microlino zeigte die ersten Vorserienmodelle. | Foto: G. Soller
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Gregor Soller

Es war die ganz große Premiere und doch blieb sie ganz familiär – als hätte die Familie Ouboter, die hinter dem Projekt steht, zu einem Abend mit Freunden geladen. In Zürich, keine hundert Meter vom Tesla-Shop und vom eigenen Micro-Flagship-Store entfernt – haben Vater und Söhne Ouboter die ersten beiden Vorserien-Microlinos präsentiert. Offiziell zwar in englisch, doch gesprochen wurde überwiegend „schwizerdeutsch“ und der erste zugelassene Vorserien-Microlino hatte natürlich eine ZH-Nummerntafel und rollte in „Zürich-blau“ aufs Podium. Dazu gesellte sich noch eine Imola-rote Version.

Die Elektrotechnik steuert Tazzari bei, während Bosch Car Services die Wartung übernehmen wird. So der Plan für die Schweiz. Ähnlich wird es wohl in Deutschland laufen, denn ohne ein etabliertes Servicenetzwerk braucht man gar nicht anzufangen. Positioniert wurde das Micromobil in der Klasse L7e. Mittlerweile sollen rund 4.600 Reservierungen vorliegen – genug, um eine Serienfertigung zu rechtfertigen.  

Kommen wir also zu den Hard-Facts: Zwei Personen passen in den 2,43 Meter kurzen Microlino. Der darf quer parken, weshalb bis zu drei der Kugeln auf einen Pkw-Parkplatz passen. Entsteigen kann man wie beim Original direkt durch die Fronttür auf den Bürgersteig. Die ersten Modelle kommen – auch wie beim Original – mit Sitzbank vorn. Der Kofferraum soll 300 Liter fassen, oder – nachdem viele männliche Interessenten danach gefragt hatten – bis zu vier Bierkisten. Das Leergewicht gibt Merlin Ouboter mit 510 Kilo inklusive Akku an. Die 15 kW leistende E-Maschine soll den Flitzer in fünf Sekunden auf 50 km/h beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit gibt man mit 90 km/h an, womit man auf die Autobahn kann, sich aber zwischen die Lkw reihen muss.

Und wie sitzt es sich im Microlino? Bequem. Die Tür öffnet weit genug für einen guten Einstieg und die Ergonomie passt auch für Fahrer bis 1,95 Meter – für noch größere Kunden wird es etwas kuschelig. Die eher harte Sitzbank wird in der Serie noch perfekter ausgeformt. Das Lenkrad steht schön senkrecht und selbst „Langbeiner“ finden genug Platz. Der etwas wuchtige Armaturenkasten beherbergt neben den minimalistischen Instrumenten auch die Klimatisierung und zwei Ausströmer im unteren Bereich. Die sind ebenso Zukaufteile wie die Lenkstockhebel, die eher von der günstigen Sorte sind. Und weil wir schon beim Kritteln sind: Prinzipbedingt hat der Microlino wegen seiner Vordertür eine vergleichsweise breite A-Säule, die etwas Übersicht kostet. Doch auch hier versucht man noch, den einander anderen Millimeter zu optimieren. Trotzdem: Das Design ist innen wie außen wunderbar gelungen und man freut sich schon auf die ersten Ausfahrten rund um Zürich. Die möchten die Ouboters nach der Genfer Messe ermöglichen.

Bei der Batterie beschied man sich mit einem 8kWh-Akku, der 120 Kilometer Reichweite bietet. Ouboters Begründung: Laut ihrer Marktforschung sind die Pkw aktuell mit durchschnittlich 1,2 Personen besetzt und legen im Schnitt nicht mehr als 32 Kilometer am Tag zurück. Die Beschränkung auf den kleinen Akku drückt das Gewicht und dessen Ladezeit: In vier bis sechs Stunden soll der Microlino an der Haushaltssteckdose wieder aufgeladen sein, an der AC-Station dauert das nur eine Stunde. Optional wird es noch einen 14,4 kWh-Akku geben, der bis zu 215 Kilometer Reichweite bietet. Auch das Package und die Innenausstattung sind jetzt festgezurrt. Laut Oliver Ouboter entsprechen die Vorserienmodelle „zu 90 Prozent“ der Serie. An Details wie der Außenspiegelverstellung oder dem Ladesystem, das zu anfangs wohl erst einphasig geplant ist – wird noch getüftelt. Wichtig ist, die Kosten im Rahmen zu halten: Der Basispreis inklusive Faltdach und Micro-Roller im Kofferraum soll bei 12.000 Euro starten.

Aktuell kümmert sich Tazzari um die Homologation in Italien. Auch Crashtests sollen noch gefahren werden. Sie sind zwar nicht in der Leichtfahrzeugklasse nicht nötig, doch eine Basis an Sicherheit soll der Microlino dann doch bieten, optional soll es später auch eine Version mit Airbag geben. Die Serienfertigung des Microlino könnte die Tazzari-Produktion zudem besser auslasten, den Tazzaris Elektromodelle sind nach wie vor Nischenmodelle. ZU den Produktionszahlen gibt Merlin Ouboter konkret Auskunft: 2018 sollen noch 500 bis 700 Stück gebaut werden, die zu allererst in Zürich verkauft werden. 2019 sollen es dann rund 5000 Stück werden und ab 2020 könnte man sich vorstellen, fünfstellig zu fertigen. Außerdem will man Lizenzen für weitere Fertigungen vergeben: Aktuell gäbe es eine Anfrage aus Spanien und zwei aus China. Dabei denken die Ouboters langfristig, wie einst Steve Jobs: „Viele überschätzen vollkommen, was man in einem Jahr erreichen kann, unterschätzen aber, was man in zehn Jahren schaffen kann.“ Den allerwichtigsten Satz sagt Wim Ouboter allerdings am Schluss: „Das wichtigste ist doch, dass das Projekt aus dem Herzen kommt, odr?“ Was man der sympathischen Familie und ihrer Knutschkugel auch anmerkt!

Was bedeutet das?

Der Microlino hat tatsächlich Potenzial, als Brücke zwischen Roller und Pkw zu dienen. Aber nicht mehr, weil man sich wie in den fünfziger Jahren nichts anderes leisten kann, sondern weil man sich heute einfach effizienter bewegen will und in vielen Fällen definitiv nicht mehr braucht. Und wenn diese Effizienz dann so nett verpackt ist, kann man ihr nur schwer widerstehen.

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