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Luftverkehr: Scheuer lehnt Steuer ab und setzt auf grünes Kerosin

Verkehrsminister glaubt an die Entwicklung von CO2-neutralem Flugbenzin und fordert internationale Regeln. Die Grünen plädieren für die Kerosinsteuer und attraktivere Bahn als Alternative. 

Keine Steuer mit Scheuer: Der Verkehrsminister will Kerosin weiter steuerfrei halten und setzt auf die Entwicklung von Synfuels für "grüne Fliegerei". | Foto: BMVI
Keine Steuer mit Scheuer: Der Verkehrsminister will Kerosin weiter steuerfrei halten und setzt auf die Entwicklung von Synfuels für "grüne Fliegerei". | Foto: BMVI
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Johannes Reichel

Im Umfeld der jüngsten nationalen Luftverkehrskonferenz am Berliner Flughafen hat sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gegen die Einführung einer Steuer auf Flugbenzin ausgesprochen. Alternativ bringt der Minister die Entwicklung von sauberem Kerosin "made in Germany" ins Spiel, wie Scheuer im Morgenmagazin von ARD und ZDF erklärte. Allerdings gibt es zu CO2-neutralem Kerosin aus nachwachsenden Rohstoffen aktuell allenfalls Modellversuche und keine Industrialisierung im größeren Maßstab. In der im Februar von der Bundesregierung verabschiedeten Umsetzung der RED-II-Richtlinie etwa ist eine feste Quote für "grünes" Kerosin am Flugtreibstoff erwähnt. Der Anteil von Power-to-Liquid-(PtL)Kerosin soll 2025 aber erst bei 0,5 Prozent liegen und bis 2030 auf zwei Prozent steigen. Und das Umweltministerium ergänzt:

"Strombasierte Kraftstoffe auf Basis von grünem Wasserstoff sollen einen wichtigen Beitrag zu den Klimazielen im Verkehr leisten. Ökostrom ist aber ein kostbares Gut. Auch müssen die nötigen Produktionskapazitäten für strombasierte Kraftstoffe erst noch geschaffen werden".

Dennoch will der Verkehrsminister die beschlossenen Klimaziele erreichen und setzt dafür auf internationale Regeln für die gesamte Branche. Die Konferenz in Berlin müsse aus Sicht des Ministers eine Perspektive für "grünes Fliegen" aufzeigen. Zuletzt vermeldeten die Airlines nach den Corona-bedingten drastischen Einbrüchen wieder stark steigende Passagierzahlen.

"Es ist eine sehr große Herausforderung, das Fliegen grün zu machen", erklärte Yvonne Ziegler, Professorin für Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Luftverkehr in Frankfurt jüngst gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Nach ihrem Dafürhalten würden mit Wasserstoff angetriebene Flugzeuge in keinem Fall in den nächsten zehn Jahren zu erwarten sein. Mittelfristig gilt das synthetische Kerosin als realistischerer Pfad, neben höherer Effizienz der Flugzeuge. Klimaneutrales Fliegen für ein "illusorisches Versprechen" hält dagegen die Umweltorganisation Robin Wood und verlangt eine Verlagerung des Verkehrs. Zumal es eben nicht nur um den CO2-Ausstoß, sondern auch um schädliche Kondensstreifen und die direkte Einwirkung des Klimagases auf die Atmosphäre geht.

Grünen fordern Kerosinsteuer und Attraktivierung der Bahn

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag hatte im Gegensatz zur Union vor kurzem erneut die Einführung einer europäischen Kerosinsteuer gefordert, bei gleichzeitiger Attraktivierung von Alternativen wie der Bahn. Er verwies auf das Beispiel Österreich und forderte einen Ausbau der Nachtzugverbindungen.

"In Deutschland können wir den Flugverkehr Schritt für Schritt überflüssig machen. Wir brauchen und wollen ihn gar nicht verbieten, sondern Zug um Zug weniger Flug", erklärte der Grünen-Politiker.

Was bedeutet das?

Einmal mehr bleibt ein Unions-Politiker die Antwort schuldig, wie man das jüngst beschlossene Klimaschutzgesetz erfüllen will, ohne einschneidendere Maßnahmen zu ergreifen. Bis es mal im industriellen Maßstab produziertes "grünes Kerosin" gibt, vergehen noch viele Jahre, die das Land zur Eindämmung der Klimakrise nicht mehr hat, die Welt auch nicht.

Man muss selbstredend das eine tun ohne das andere zu lassen. Im ersten Schritt gilt es, der Fliegerei den Preis zu geben, den sie an Schäden verursacht. An einer Kerosinsteuer führt sowieso kein Weg vorbei, an einem CO2-Aufschlag auch nicht.

Völlig unverständlich, wieso das Flugbenzin überhaupt so lange steuerbefreit war, das mutet an wie aus einer anderen Zeit als man sich schon Sorgen um das Klima hätte machen können, aber es im Fossilrausch nicht tat.

Nebenbei: Eine Befreiung von der Steuer auf Kerosin ist auch unsozial: Warum sollte die Allgemeinheit die fliegende (und verschmutzende) Minderheit mit ihren Abgaben subventionieren. Es gibt kein Gewohnheitsrecht auf billiges Fliegen. 

Kurzfristig sollten die Fluggesellschaften die Option der CO2-Kompensation ihren Kunden offensiver anbieten, auch um klar zu machen, wie schädlich das Verkehrsmittel eigentlich ist. Zudem müssen schleunigst attraktive Alternativen zum Flugzeug, national, aber auch grenzüberschreitend in Europa etabliert werden, wie etwa der transeuropäische Schnellzug TEE, den Scheuer jüngst so medienwirksam "vom Stapel ließ" oder der Ausbau der Nachtzugverbindungen.

Was dann an Flügen noch übrig bleibt, das muss selbstverständlich mit "grünem Kerosin" betrieben werden. Wobei man sagen muss: 16 Jahre CSU-Verkehrsminister hätten genug Zeit gehabt, die Industrialisierung von grünem Flugbenzin voranzutreiben, auf das sie jetzt so große Hoffnung setzen. Ihr Verhalten ist jedenfalls unredlich.

Feststeht: Die Zeit der Billig-Fliegerei, die ist vorbei. Und das sieht sogar der Lufthansa-Chef so: "Neun-Euro-Tickets sind weder für die Branche sinnvoll noch für die Umwelt verantwortbar", erklärte er. Es hätte sie nie geben dürfen - und doch hat eine Unions-geführte Regierung diese klimaschutzmäßige Fehlentwicklung zugelassen. Jetzt, das sich die Leute an das Budget-Fliegen gewöhnt haben, wird man die Geister, die man rief, nur schwerlich wieder los. Verantwortungsvolle Politik verlangt aber genau das: Den Leuten zu sagen, so geht oder fliegt es nicht weiter.

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