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Meinungsbeitrag

Luftqualität: Die Antriebs-Wende ist nicht genug!

Die Stadtluft wird besser, dank strikten Abgasregimes. Wirklich gut, sprich unbedenklich, ist sie nicht. Dafür braucht es eine Mobilitätswende weg vom Auto. Praktischerweise hilft die auch beim Klimaschutz.

Weniger Autos für bessere Luft: Klar, auch ein E-Cargobike hat Reifenabrieb. Aber halt deutlich weniger. VM-Redakteur Reichel propagiert jedenfalls eine echte Mobilitätswende, die über eine Antriebswende hinaus geht. Anders sind Klima- und Luftreinhaltepläne nicht zu schaffen. | Foto: HUSS VERLAG
Weniger Autos für bessere Luft: Klar, auch ein E-Cargobike hat Reifenabrieb. Aber halt deutlich weniger. VM-Redakteur Reichel propagiert jedenfalls eine echte Mobilitätswende, die über eine Antriebswende hinaus geht. Anders sind Klima- und Luftreinhaltepläne nicht zu schaffen. | Foto: HUSS VERLAG
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Johannes Reichel

Freiwillige Selbstverpflichtung, das gerne von Unions- und FDP-Politikern propagierte "Der-Markt-regelt-alles"-Konzept ist mal wieder gescheitert: Erst als der Gesetzgeber die Abgasgrenzwerte im Zuge des Diesel-Skandals drastisch verschärft und die Regularien enger gefasst wurden, kamen die Autohersteller in die Puschen. Und bauten Selbstzünder, die auch im kalten Zustand und im Stadtverkehr relativ sauber, wenn auch nicht emissionsfrei sind. Ein enorm aufwändiger Mix aus innermotorischen Maßnahmen, Abgasrückführung, Rußpartikelfilter, oft doppelter SCR-Filterung des Stickoxids samt zweitem Betriebsmittel AdBlue, war nötig, um dieses Ziel zu erreichen, ohne andererseits die CO2-Emissionen zu erhöhen. "Push and Pull" ist das Zauberwort: Verbrenner optimieren zugleich Elektro fördern.

Grenzwerte brauchen ein Update auf 2022

Im Ergebnis all dieser technischen Mühen ist die Luftqualität in den Städten laut jüngster UBA-Analyse deutlich besser geworden und kaum Messstellen reißen noch den - allerdings ziemlich veralteten - Grenzwert. Der braucht wie die Abgasnorm und -technik im Diesel dringend mal ein Update auf neue wissenschaftliche Erkenntisse, wie die WHO sie vorgelegt hat. Denn gesundheitlich unbedenklich ist die Luft in den Städten deshalb noch lange nicht. 54.000 vorzeitige Todesfälle gingen im Jahr 2019 in Deutschland laut Hochrechnung der Europäischen Umweltagentur EEA auf das Konto schlechter Luft.

Dennoch zeigt sich mal wieder, dass Umweltnormen ein Ansporn sind und es sie braucht, wenn man vorankommen will in Sachen Klima- und Umweltschutz, der ja eigentlich "Menschenschutz" heißen müsste. Denn vor allem auch an vielbefahrenen Straßen geht die Schadstoffbelastung stark zurück. Kein Grund zum Ausruhen allerdings, wie auch UBA-Chef Messner mahnte.

Neben dem im wahrsten Sinne des Wortes "Luxus-Problem" der ach so trendigen heimischen Hippster-Holzöfen gilt es, vor allem, den urbanen Autoverkehr zu reduzieren. Denn ohne die Reduktion des Fahrzeugaufkommens generell wird eine weitere Absenkung des Feinstaubs nicht machbar sein.

Denn auch E-Autos produzieren Abrieb, tendenziell eher mehr als Verbrenner, erst recht, wenn die pubertären und kontraproduktiven Leistungsorgien der Hersteller anhalten.

Hier hilft dann wohl keine technische Lösung mehr wie die SCR-Kats beim Diesel, auch wenn es erste zarte Versuche mit aktiven Feinstaubfiltern im Fahrzeugboden gibt. Im Zweifel werden Autos dadurch noch teurer, der Aufwand steigt ins Unermessliche. Mit der Euro 7-Norm sollen jedenfalls auch die "motorfernen", sprich sonstigen Emissionen in den Blick genommen werden.

Noch besser wäre es allerdings, Emissionen entstünden erst gar nicht, sei es nun CO2, Stickoxide oder Feinstaub. Ein Faktor, der in der ganzen Debatte um Klimaschutz leider viel zu häufig vergessen wird, in dem Bemühen, ja bloß keine Änderung im gewohnten und eingeübten Lebensstil vornehmen zu müssen und den Status Quo um jeden Preis zu halten: Weniger ist mehr. Im ersten Schritt reduzieren. Im zweiten elektrifizieren. Im dritten regenerieren.

Das Wirschafts- und Klimaministerium unter grüner Führung sollte die alte "Ich bin Energiesparer"-Kampagne des Hauses aus den 80er-Jahren wieder aus den Schubladen holen. Nie war sie aktueller denn heute, in der vom russischen Neo-Zaren Putin bewusst befeuerten Energiekrise. Der Autokrat im Kreml weiß genau, wo die "pain points" energieabhängiger westlicher Gesellschaften liegen. Die am schnellsten wirksame Waffe dagegen ist: Effizienz.

Doch für Energieautarkie wie für weitere Verbesserungen in Sachen Luftreinhaltung braucht es einen echten "Systemwechsel" und statt einer bloßen Antriebswende eine echte Mobilitätswende.

So anspruchsvoll die Abgasreinigung eines Ölbrenners für die Hersteller gewesen sein mag, für die Gesellschaft als ganzes steht die wahre Herausforderung erst noch an. Der Vorteil daran: Wer das Mikro-Klima in den Städten verbessert, verbessert zugleich das Makro-Klima auf dem Planeten. Es gilt, auch unseren Instrumentenkasten zu entstauben. Und unseren Hirnkasten.

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