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Leopoldina: Grenzwerte korrekt, Fokus der Politik falsch

Klares Fazit der von der Bundesregierung beauftragten Wissenschaftler: Stickoxide sind gefährlich, noch gefährlicher wirken aber Feinstaub und vor allem CO2, weil es den Klimawandel befeuert. Die Fachleute fordern den "großen Wurf" und eine Verkehrswende statt "Klein Klein".

So geht's nicht weiter: Die Leopoldina mahnt eine grundlegende Verkehrswende vor allem in den städtischen Ballungsräumen an. Im Bild: Mittlerer Ring in München. | Foto: J. Reichel
So geht's nicht weiter: Die Leopoldina mahnt eine grundlegende Verkehrswende vor allem in den städtischen Ballungsräumen an. Im Bild: Mittlerer Ring in München. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

In einer von der Bunderegierung anlässlich der neuen Debatten um Stickoxidgrenzwerte beauftragten Studie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina kommen die Wissenschaftler zu klaren Aussagen und warnen vor "kurzfristigen Aktionismus". Isolierte Diesel-Fahrverbote brächten nach dem Dafürhalten der Professoren nichts für die Verbesserung der Luftqualität. Sie empfehlen eine umfassende und nachhaltige Strategie und raten zu einer umfassenden Verkehrswende. Dazu gehört auch etwa ein höherer Spritpreis. Im Detail konstatieren sie zum einen, dass die Stickoxidgrenzwerte völlig berechtigt seien, keineswegs zu streng und NOx ein durchaus gesundheitsgefährliches Gas ist, das Symptome von Lungenerkrankungen wie Asthma verschärfen könne.

Als noch gefährlicher schätzen die Experten allerdings den Feinstaub ein, bei dem die Experten eine Absenkung der Grenzwerte empfehlen. Die Gefahren seien bisland unterschätzt worden, Feinstaub erhöhe das Sterblichkeitsrisiko, zudem das Risiko von Erkrankungen wie Lungenkrebs, an Herz-Kreislauf-System oder Diabetes. Die Wissenschaftler befanden die Verengung der Debatte auf Stickoxide als "nicht zielführend". Vor allem sei das Thema CO2-Emissionen aus dem Fokus geraten. Das Gas gefährde indirekt Menschenleben. Die Wissenschaftler hielten es daher für nicht ratsam, auf Benzinantrieb statt dem sparsameren Diesel zu setzen. Generell sei aber "eine nachhaltige Verkehrswende geboten, die systematisch betrieben werden sollte", wie es in einer Stellungnahme heißt. Software-Updates und Hardware-Umrüstungen könnten dabei nur einen kleinen Beitrag bringen, so das Urteil.

"Um die Gesamtemissionen zu reduzieren genügt es nicht, die Emissionen pro Fahrzeug zu verringern. Vielmehr sind neue Mobilitätskonzepte vor allem in städtischen Ballungsräumen notwendig" 

Generell erkannten die Wissenschaftler aber an, dass sich die Luft in den Städten an sich gebessert habe und die Geschichte der Luftreinhaltung eine "technische Erfolgsgeschichte" sei. Dennoch müsse sich die Politik den verbliebenen Problemen entschlossen stellen und eine bundesweite Strategie entwickeln, die auch die Emissionen aus Landwirtschaft und etwa Holzfeuerung berücksichtige.  

In einer ersten Reaktion bezeichnete Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) das Gutachten als "Steilvorlage für eine erneute Diskussion" und erneuerte seine Kritik an den Grenzwerten. Er beharrte auf der Strategie, Nutzfahrzeuge und Busse umzurüsten und die E-Mobilität auszubauen.

Was bedeutet das?

Passenderweise vor der ersten Sitzung des sogenannten Klimakabinetts haben es die Politiker schwarz auf weiß: Das mit den Grenzwerten hat seine Richtigkeit, beim Feinstaub gehören sie eher noch verschärft und vor allem sollte man die CO2-Emissionen stärker angehen. Sie haben den Fokus also wieder gerade gerückt und in die verfahrene und verengte Debatte wieder aus der Sackgasse auf die Hauptsstraße gezogen. Wie Minister Scheuer auf die Idee kommen kann, trotzig wie ein kleines Kind "jetzt erst recht" weiter diskutieren zu wollen und sich bestätigt zu sehen, ist allein sein Geheimnis. Die Leopoldina hat sich eigentlich klar geäußert: Genug gequatscht, handelt endlich! Recht haben sie, die 20 Professoren, die der Politik auch gleich ins Stammheft schrieben, endlich ein schlüssiges und gesamtheitliches Konzept für eine Verkehrswende zu entwickeln, das alle Ressorts übergreift. Man kann nur hoffen, dass wenigstens Kanzlerin Angela Merkel, selbst Physikerin, anders als ihr Minister, den eigenen Experten vertraut und den irrlichternden Verkehrsminister ignoriert. 

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