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Meinungsbeitrag

Klimaziele: Jeder Verbrenner ein kleiner Dämpfer

Auch wenn immer mehr E-Autos zugelassen werden, haben 90 Prozent der Fahrzeuge Verbrenner an Bord, auch HEV und PHEV. Zudem boomen die SUV weiter. So wird das schwer, mit den Klimazielen bis 2030.

Stromer versus Diesel: Auch wenn die Elektrifizierten leicht vorn liegen, aus Sicht von VM-Redakteur Reichel dominiert der "ICE" noch viel zu stark den Markt. | Foto: J. Reichel
Stromer versus Diesel: Auch wenn die Elektrifizierten leicht vorn liegen, aus Sicht von VM-Redakteur Reichel dominiert der "ICE" noch viel zu stark den Markt. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Auch wenn die Tendenz und Entwicklung erfreulich ist und immer mehr Stromer auf die Straßen finden - in Anbetracht der jüngst verschärften Klimaschutzziele und der Ambition, bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften, geht das deutlich zu langsam. Wenn man es nämlich umgekehrt betrachtet, sind Stand April 2021 noch immer zwei Drittel der Neufahrzeuge konventionell angetrieben, sprich Benziner oder Diesel.

Zumal hinzukommt, dass weiter die wuchtigen, schweren und sprithungrigen SUV die meistverkaufte Klasse sind mit fast einem Viertel der Neuzulassungen. Ein fast schon dekadenter Trend, den wir uns eigentlich noch nie leisten konnten. 

Und: Die Umweltbilanz der PHEVs kann gut sein, muss es aber nicht. Die geschlossenen Hybride wiederum mögen sparsam sein im bisherigen Maßstab, verbrennen aber ja leider auch noch fossilen Kraftstoff und stoßen CO2 aus. Selbst die reinen Stromer sind nur so gut, wie der aktuelle Strommix in Deutschland das hergibt - und eben nicht "zero emission", wie die Hersteller werben. Und da kommt laut ADAC-Ecotest selbst beim besten BEB eine CO2-Emission von 90 g/km heraus, "Well-to-Wheel" gemessen, sprich vom Bohrloch respektive Kraftwerk bis zum Rad. Wobei angemerkt sei: Elektroautos sind die einzigen Autos, deren CO2-Bilanz im Betrieb mit den Jahren noch besser wird - wenn der Ausbau der regenerativen Energien vorankommt.

Einer der entscheidenden Vorteile: E-Autos KANN man CO2-neutral betreiben. Verbrenner nicht. Und die sagenumwobenen Synfuels sind hier nun wirklich nur eine Scheinlösung, die uns in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit so gut wie überhaupt nichts bringen - außer weiteren Debatten und dass sie "den Betrieb aufhalten".

Dass die derzeit dank Biomethan in der CO2-Bilanz am besten liegenden Erdgasfahrzeuge mit nicht mal 400 verkauften Einheiten vor sich hin dümpeln und man auf absehbare Zeit bei Pkw einen Haken an die eigentlich so chancenreiche, leichtfertig verdaddelte Technologie machen kann, erleichtert die aktue Lage auch nicht gerade.

Diese gewaltige 90-Prozent-Flotte mit irgendeinem Verbrenner an Bord wird die nächsten zehn bis 15 Jahre CO2 emittieren, sofern nicht eine neue "Verschrottungsorgie" sie vorzeitig aus dem Verkehr zieht. Wie nachhaltig das dann wiederum gesamtbilanziell wäre, ist äußerst zweifelhaft.

Schließlich verschlingt auch die Produktion von Fahrzeugen enorm Energie, die dann berücksichtigt werden muss. Bei Gebäuden würde man von "grauer Energie" sprechen, wenn im reinen Betrieb Abriss und Neubau energetisch sinnvoller erscheint, aber eben nicht, wenn man die ganze Energiekette sieht.

Das gilt es zu berücksichtigen: Jeder Verbrenner, der 2021 noch verkauft wird, ist, so muss man es leider sagen, ein kleiner Dämpfer für das Erreichen der Klimaschutzziele. Gut ist also noch lange nicht gut genug.

Unterm Strich wurde leider viel zu viel Zeit von den verantwortlichen Akteuren in Politik und Wirtschaft mit Debatten vertändelt, verzögert, vertagt, sodass es nun wirklich drastischer Maßnahmen bedarf. Hätte man in der 90er-Jahren begonnen mit dem allmählichen Ausstieg aus dem Verbrenner, etwa mit Biomethan im großen Stil als Brückentechnologie, hätte nicht nur der Verkehrssektor jetzt nicht einen solch dramatischen Nachholbedarf. Jetzt reagiert die Politik, aufgeschreckt vom Karlsruher Urteil, hektisch und im aufziehenden Wahlkampf fast panisch und überschlägt sich mit immer neuen CO2-Einsparzielen. Nur den Weg dorthin, den lässt man derzeit unbeschrieben.

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