Juice Charging Day 2021: Gründer und Geschäftsführer Christoph Erni im Interview
Ist das Thema Cybersecurity bereits bei allen Beteiligten vollumfänglich angekommen?
Erni: Um ehrlich zu sein: Längst nicht bei allen. Das liegt vor allem an den Zeiträumen, in denen manche Industrien und Energieversorger planen. Nur um ein Beispiel zu nennen: Bei einem Kraftwerk wurde kürzlich eine 90 Jahre alte Turbine ersetzt – die Neue sollte jetzt eher 100 Jahre plus halten. In solchen Unternehmen denkt man naturgemäß eher in Dekaden als in Wochen. Hier tun wir uns mit unserem Planungshorizont leichter.
Aber auch Ladetechnik sollte im Idealfall 10 bis 15 Jahre halten?
Erni: Eher 30 Jahre und länger und genau deshalb ist das Thema so wichtig.
Ihr Sicherheitsexperte Thomas Köhler erwähnte den Cybersecurity-Test in Großbritannien, wo man bei fünf von sechs Ladepunkten Sicherheitslücken feststellte. Gibt es schon mehrere dieser Tests und weitere Ergebnisse?
Erni: Das Thema kommt aus meiner Sicht gerade erst auf. Über Cybersecurity spricht jeder, doch in Verbindung mit Ladeinfrastruktur eben noch nicht. Bisher handelt es sich auch noch um vergleichsweise dezente Probleme, doch die große Gefahr besteht ja in der Vernetzung. Auf die Art kann man künftig ganze Firmen, Länder und Kontinente unter Druck setzen, wie man an anderen Beispielen jetzt schon sieht. Und ein Einfallstor ist dann immer das Schwächste, weshalb wir alle Industrien an einen Tisch bringen müssen. Es ist jetzt definitiv der richtige Zeitpunkt, um mit dem Thema zu starten.
Sieht das die ganze Branche so?
Sie wird sich der Probleme langsam bewusst, wenngleich bisher andere Themen dringender unter den Nägeln brannten. Dabei ging es vor allem um das perfekte Funktionieren, die Bediensicherheit, intelligentes Lastmanagement und vor allem einheitliche Normen, welche wir im Normierungskomitee vorantreiben.
Also braucht es künftig auch ein Sicherheitskomitee?
Erni (lacht): Das wäre das Beste, dann hätten alle Beteiligten was davon! Aber wie gesagt, das Thema gewinnt an Bedeutung und wir haben mittlerweile zusätzliches Personal dafür eingestellt und weitere Kooperationen mit Spezialisten abgeschlossen.
Wird das auf Dauer genügen?
Erni: Aktuell ist es das Beste, was wir nach unserem Wissen tun können, doch mein Gefühl sagt mir, dass das künftig ein Dauerbrenner werden könnte. Wir müssen wachsam bleiben und haben deshalb auch das Bug Bounty-Programm aufgelegt, bei dem man sich direkt an uns wenden kann, wenn man Bugs entdeckt hat. Dazu kommen eigene Chipsets und der „No-MVP-Approach“. Das bedeutet, dass wir nicht Minimum Viable Products entwickeln und dann in der Serie weiter verbessern, sondern gleich fertige und sichere Produkte liefern, die wir natürlich trotzdem immer weiter optimieren.
Was die Software ja erleichtert?
Erni: Korrekt. Und nicht umsonst habe ich das Bild des Eisbergs gewählt. Ich glaube, dass da noch Einiges auf uns zukommen kann und das sich schon bald hier die Spreu vom Weizen trennen wird.
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