Werbung
Werbung

Jato-Studie: Elektro- und Leistung-Boom macht Autos immer teurer

Eine Recherche ergab, dass mit der Elektrifizierung des Antriebs die Durchschnittspreise für Neuwagen massiv ansteigen und sich die Marken (noch) höher positionieren. Im Schnitt kosten E-Fahrzeuge 54.000 Euro, Verbrenner bei 37.400 Euro. Erschwingliche E-Kleinwagen sind Mangelware. Dafür geht der Leistungs- und Reichweitenwettlauf weiter - in die falsche Richtung, finden Mobilitätswissenschaftler.

Der Koloss von Schwabing: Verkehrswissenschaftler warnen vor der irren Beschleunigung von E-Autos wie dem BMW iX und der Übertragung falscher Prioritäten vom Verbrenner auf den Stromer. | Foto: BMW
Der Koloss von Schwabing: Verkehrswissenschaftler warnen vor der irren Beschleunigung von E-Autos wie dem BMW iX und der Übertragung falscher Prioritäten vom Verbrenner auf den Stromer. | Foto: BMW
Werbung
Werbung
Johannes Reichel

Nach einer Analyse des Automobildatenspezialisten Jato Dynamics für die Automobilwoche sind die Durchschnittspreise von Neuwagen mit der Elektrifizierung des Antriebs deutlich gestiegen. Viele Marken würden die Transformation für eine Höherpositionierung nutzen, so die Beobachtung. Bei Opel etwa seien die Durchschnittspreise für Neuwagen seit Beginn 2018 um 44 Prozent auf 35.587 Euro gestiegen, bei Volkswagen immerhin um 16 Prozent auf jetzt 36.000 Euro im Schnitt, bei Audi ging es im selben Zeitraum um 21 Prozent auf 50.000 Euro nach oben. Bei BMW kostet ein Neuwagen mittlerweile 55.000 Euro, bei Mercedes 65.000 Euro. Die Preise würden vor allem durch die elektrischen und elektrifizierten Fahrzeuge getrieben. Im Schnitt aller Marken kostet ein Neuwagen, getrieben von den E-Fahrzeugen, heute 37.400 Euro, gemäß der Analyse des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer. 

Reine E-Autos rangieren schon heute mit 60.904 Euro bei den deutschen Marken (2018: 39.350) inklusive Opel und 54.000 über alle Marken betrachtet, deutlich darüber. Aufgrund des Halbleitermangels werden auch kaum Rabatte gewährt. So kostet ein VW ID.3, der vom Hersteller eigentlich als "Volksstromer" gedacht war, mindestens 36.960 Euro, die Basisversion mit 5.000 Euro Abschlag und kleinem Akku ist aktuell nicht lieferbar. Selbst bei einer volumenorientierten Marke wie Renault geht es mit der Einführung des Mégane E-Tech ins höhere C-Segment. Auch bei Tesla dürfte das von CEO Elon Musk angekündigte Volks-Elektroauto Model 2 für um die 22.000 Euro auf sich warten lassen, weil die Rohstoffkosten massiv steigen, wie die Süddeutsche Zeitung anmerkte. So seien die Zellpreise zwar binnen einer Dekade von 1.000 auf 100 Euro pro Kilowattstunde gesunken. Allerdings hat sich zuletzt der Lithium-Preis seit letztem September fast verdoppelt, die Nachfrage bleibt hoch.

Leistungswettlauf treibt Gewicht und Preise

Zugleich steigen die Anforderungen an die Reichweiten und damit die Akkugrößen: Ein BMW iX verfügt über einen 111 kWh großen Energiespeicher, bei einem Leergewicht von mindestens 2,7 Tonnen. Dafür setzt der Hersteller auf einen Antrieb mit 619 PS beim Topmodell iXM60, das über 1.100 Nm verfügt. Der jüngst von Mercedes-Benz nachgelegte EQS AMG 4Matic+ gebietet über 658 PS (1.020 Nm, 108 kWh Akku), ein SUV soll folgen. Dem nicht zuletzt preistreibenden, an Vorreiter Tesla (Model S Plaid 1.020 PS, 795 km, 100 kWh Akku) orientierten Leistungswettlauf haben sich auch andere Hersteller mit der Elektrifizierung längst verschrieben. Im Endeffekt kommen E-Autos selbst in der "bodennahen" Klasse aufgrund der hohen Akkugewichte heute kaum unter 20 kWh/100 km über die Runden, was sich auch mit den VM-Testergebnissen und Erkenntnissen des ADAC im Eco-Test deckt. Der VW ID.3 verbrauchte hier beispielsweise 19,3 kWh/100 km. Die neuen Modelle des Hyundai-Konzerns auf der E-GMP-800-Volt-Plattform liegen durch die Bank deutlich über den Werten der alten, in der Leistung und Akkugrößen weit moderateren 400-Volt-Modelle. Diese sind zugleich ein gutes Beispiel dafür, dass man mit einem "right sized"-Akku von 64 kWh das Gesamtgewicht im Zaum hält und mit diesem Package Reichweiten von 450 Kilometern erzielen kann, Verbräuche um die 15 kWh/100 km sind so machbar. 

"Solche Werte sind ökologisch Quatsch. Mit reduzierten Autokonzepten könnten wir bei 10 kWh je 100 Kilometer sein", kritisiert Martin Unfried von der Uni Maastricht gegenüber der Süddeutschen Zeitung den neu entfachten Leistungswettlauf.

Indikator für echte Effizienz

Mobilitätswissenschaftler fordert eine Begrenzung von Gewicht, Leistung und Verbrauch und eine Erweiterung des Emissionsbegriffs über den "lokalen" Ausstoß hinaus. Es brauche einen Indikator, "was Effizienz bei Autos tatsächlich bedeutet", schlägt Forscher Unfried vor. Er sieht falsche Prioritäten mit der Orientierung an Beschleunigung und Reichweite, die von den Verbrennern auf die E-Fahrzeuge übernommen werde. Und das obwohl im Schnitt mit dem Auto in Deutschland täglich maximal 37 Kilometer zurückgelegt werden. Als Beispiele für eine solche Begrenzung verweist man auf Luxemburg, wo der staatliche Zuschuss für E-Fahrzeuge nur für Modelle unter 18 kWh/100 km Verbrauch gewährt wird, darüber muss man sich mit 3.000 Prämie bescheiden.

Das Argument der Hersteller wie BMW, dass die hohen Leistungen selten abgerufen würden und auch nicht zwangsläufig zu höheren Verbräuchen führen, lassen Verkehrswissenschaftler nicht gelten. "Starke Beschleunigung kostet bei der Masse der Fahrzeuge enorm Energie", gibt etwa der Verkehrswissenschaftler Helmut Holzapfel aus Kassel der SZ zu Protokoll. Dadurch brauche es große Akkus, um bei der Leistung adäquate Reichweiten zu realisieren. Er fordert, die Beschleunigungswerte von E-Autos zu beschränken und warnt vor einer echten Gefahr auch für Fußgänger, die die hohe Beschleunigung unterschätzten.

Werbung

Branchenguide

Werbung