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Interview mit Nico Rosberg: Ich war bei Fridays for Future

Nico Rosberg, 35, ist der letzte Rennfahrer, der Lewis Hamilton in der Formel-1-WM besiegen konnte. Danach trat er zurück und vertritt jetzt als Unternehmer und Gründer „grüne“ Werte. Ein Interview mit einem geläuterten Egoisten, geführt von Werner Jessner.

Nico Rosberg wandelte sich vom Formel-1-Fahrer zum nachhaltigen Unternehmer. Im Interview mit Werner Jesser, das für Print-Ausgabe von INNOVATOR by The Red Bulletin erschien, gibt er tiefe Einsichten für seine Günde. | Foto: Tom Ziora
Nico Rosberg wandelte sich vom Formel-1-Fahrer zum nachhaltigen Unternehmer. Im Interview mit Werner Jesser, das für Print-Ausgabe von INNOVATOR by The Red Bulletin erschien, gibt er tiefe Einsichten für seine Günde. | Foto: Tom Ziora
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Gregor Soller

Du bezeichnest dich als „Nachhaltigkeits Unternehmer“. Was genau verstehst du darunter?

Nico Rosberg: Das ist ein wertebasierter Unternehmer. Jemand, der nicht nur gewinnorientiert denkt, sondern versucht, mit seinen Investments positiv auf die Gesellschaft oder auch auf die Umwelt zu wirken.

Wie kam es dazu?

Dieses Versprechen habe ich mir noch während meiner Formel-1- Karriere gegeben: Nach der ego-getriebenen Phase würde eine kommen, in der ich etwas fürs große Ganze tue. Ich spürte, dass etwas fehlte.

Man wacht eines Tages auf und denkt plötzlich an die Allgemeinheit statt nur an den eigenen Erfolg?

Es ist ein Prozess, der schon während meiner aktiven Karriere begann. Ich arbeitete eng mit einem Psychologen zusammen, und in der gemeinsamen Arbeit wurde deutlich, wie viel Kraft man daraus beziehen kann, wenn man Gutes tut und an andere denkt. Heute weiß ich: Es fühlt sich unglaublich toll an, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, und es reißt meine gesamte Mannschaft mit.

Kann man sich als Rennfahrer, der gegen Lewis Hamilton um die WM kämpft, Altruismus überhaupt leisten?

Als Sportler musst du Egoist sein, um Erfolg zu haben. Aber selbst da kann man versuchen, eine gewisse Balance zu finden. Man braucht die Rückendeckung des Teams, der Fans. Ganz allein geht gar nichts.

War auch schlechtes Gewissen dabei, das dich vom Im -Kreis -Fahren zur Nachhaltigkeit gebracht hat?

Ganz klar: nein. Ich bin stolz auf meine Erfolge im Rennsport. Und man darf nicht vergessen, wie viele Innovationen in der Mobilität ihren Ursprung im Motorsport haben. Sparsame, kompakte Turbomotoren, Hybridantrieb, Leichtbau durch Carbonfasern – all das hat in der Formel 1 begonnen.

Welche Idee steckt hinter der Rennserie Extreme E?

In der Extreme E fahren wir mit Elektro-Buggies Rennen in fünf Weltregionen, die vom Klimawandel unmittelbar betroffen sind. Im Amazonas, wo Wälder gerodet werden, oder im Senegal, wo die Plastikverschmutzung der Meere ein riesiges Thema ist. Extreme E verbindet meine zwei Leidenschaften: Nachhaltigkeit und Rennsport. Wir sind ein wertebasiertes Rennteam und somit hoffentlich eine Inspiration für andere Sportmannschaften. Sport hat eine unglaubliche Emotionalität, und die sollte man für das große Ganze nutzen: Gutes tun, die große Masse auf den richtigen Weg leiten, Vorbild sein.

Was sind die Kernwerte, die Extreme E vertritt?

Ein Beispiel: Wir garantieren, dass wir die Orte, an denen wir unsere Rennen fahren, in einem besseren Zustand verlassen, als wir sie vorgefunden haben. Aufmerksamkeit für den Klimawandel ist das eine, aber die unmittelbare Aktion vor Ort, die Unterstützung der Menschen dort ist mindestens ebenso wichtig. Ende 2020 waren wir in Spanien beim Testen. Wir als Team haben das führende Aufforstungsunternehmen des Landes kontaktiert und eine Partnerschaft geschlossen. Ein Deal mit der Rennstrecke stellt sicher, dass ein Teil mit Bäumen bepflanzt wird. Die ersten 100 haben wir eigenhändig gesetzt. Ein kleiner Schritt, zugegeben, aber er illustriert, wie wir denken.

Auffällig viele deiner Investments drehen sich um Mobilität. Meinst du, man sollte sich nur in Bereichen engagieren, von denen man eine Ahnung hat?

Mobilität ist natürlich mein Zuhause. Hier ist meine Leidenschaft, mein Netzwerk, meine Glaubwürdigkeit. Und es wird im nächsten Jahrzehnt ein riesiges Thema bleiben: Energiewende, Elektromobilität, vielleicht auch Wasserstoff. Von meinen 20 Investments sind drei auf dem Weg zum Unicorn (Investoren-Fachbegriff für Unternehmen mit einem Wert von über einer Milliarde Dollar, Anm.d.Red.). Alle drei haben mit Mobilität zu tun: Formula E, Lilium (elektrisches Lufttaxi) und Tier (E-Scooter-Sharing). Aber ich blicke durchaus über den Tellerrand: Der Food-Bereich interessiert mich sehr, auch das aus innerer Überzeugung. Ich bin Gesundheitsfanatiker.

Gibt es ein Lieblingsprojekt, das unverhofft zum Erfolg wurde?

Der E-Scooter-Bereich mit Tier war so eine Geschichte. Der Markt ist wahnsinnig umkämpft, amerikanische Konzerne pumpen da Milliarden rein. Anfangs gab es keine Regulierungen in den Städten, daher war das Risiko enorm. Vor kurzem ist der japanische Riesenkonzern Softbank bei uns eingestiegen, und zwar mit 250 Millionen Dollar. Tier ist weltweit auf Platz 2 in seiner Branche und Marktführer in Europa. Es ist schon irre, wie das abgegangen ist in den letzten Jahren. Und es zeigt die Kompetenz der Gründer, in einem so umkämpften Markt so erfolgreich zu sein.

Mit welcher Geschäftsidee, mit welchen Qualitäten kann ein neues Projekt Nico Rosberg als Investor gewinnen?

Die Geschäftsidee muss erstens funktionieren und zweitens wertebasiert sein. Das Potenzial, Geld zu verdienen, ist genauso wichtig wie das Potenzial, Gutes zu tun. Darüber hinaus muss ich mit den Gründern auf einer Wellenlänge sein. Und sie dürfen nicht stur und von sich selbst eingenommen sein. Jedes junge Unternehmen wird sein Geschäftsmodell mindestens einmal umbauen müssen, um sich an das eigene Wachstum anzupassen. Dafür braucht es Flexibilität. Dann interessiert mich, welche Co-Investoren bereits an Bord sind.

Siehst du dich denn als reinen Investor?

Nein, ich bin auch selbst Gründer. Das Greentech-Festival, eine Messe für grüne Technologien, stammt von mir, und auch hier sind wir in kürzester Zeit zu einem der führenden Festivals in Europa geworden. Von Google CEO Sundar Pichai bis EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sind echte Hochkaräter bei uns aufgetreten.

Sind Solarparks und alternative Antriebe inzwischen bereits bessere Investments als Tabak und Waffen?

Ja, absolut. Der Hype in der Investment-Branche sind genau solche Unternehmen. Und das ist so cool, denn das wird die Energiewende dramatisch beschleunigen! In den nächsten fünf bis zehn Jahren liegt die größte Rendite genau in diesen Themenfeldern. Und letzten Endes spielt hier auch „Fridays for Future“ rein.

Wie genau?

Ich kenne das aus meinem persönlichen Umfeld: Die Kids eines großen CEO kommen am Freitag von der Demo nach Hause und fragen: „Papa, welchen Beitrag leistest du zur Klimawende? Du hast doch alle Möglichkeiten! So kann das nicht weitergehen!“ Und prompt wird das in der Vorstandssitzung in der Woche darauf zum Top-Thema. Man darf die Power der Kids nicht unterschätzen.

Die Kids würden schön schauen, wenn plötzlich mit Nico Rosberg, ein ehemaliger Formel‑1-­Weltmeister, bei „Fridays for Future“ mitmarschieren würde.

Hab` ich doch schon gemacht! Das war in Berlin, im Zuge meines Greentech-Festivals. Ich gebe zu, da war ich erst mal raus aus meiner Komfortzone. Als dann ein neunjähriger Junge neben mir auf der Bühne stand, war es faszinierend, zu spüren, mit welcher Leidenschaft er bei der Sache war. Das war Enthusiasmus wie in der Formel 1! Ich versuche, mit meiner Bekanntheit und meinem Netzwerk einen Beitrag zu leisten, dass diese Leidenschaft im breiten Publikum rüberkommt.

Wie reagieren die Petrolheads auf einen grünen Abtrünnigen?

Mein Vater (Keke Rosberg, F1- Weltmeister 1982, Anm.) ist der ultimative Petrolhead. Als ich mich an der Formel E beteiligt habe, hat er mir auf den Kopf zugesagt, ich sei bescheuert. Inzwischen stellt er sich für jedes Rennen den Wecker, so ist er reingekippt. Leute wie er sind ein guter Indikator, wie weit wir auf dem Weg bereits sind, wie akzeptiert E-Mobilität mittlerweile ist. Jetzt müssen wir nur noch den allerletzten Petrolhead überzeugen, nämlich Rallye-Weltmeister Walter Röhrl. Aber das schaffen wir auch noch. (Lacht.)

Was kann man Leuten raten, die nicht sicher sind, ob E-Mobilität für sie das Passende ist?

Sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich undogmatisch zu informieren. Nicht jeder muss ein E-Auto kaufen. In vielen Bereichen ist E-Mobilität heute der konventionellen bereits überlegen, aber es hängt immer von den persönlichen Bedürfnissen ab. Im innerstädtischen Bereich kann ein E-Auto bereits heute über fünf Jahre gerechnet die günstigste Variante sein.

Was soll mit all den schönen alten Porsches und Ferraris passieren, die in den Garagen stehen?

Ich hoffe sehr, dass es nach wie vor einen Platz dafür geben wird, Klassiker zu genießen. Das ist unsere Historie, da kommen wir her. Vielleicht gibt es einmal einen synthetischen Kraftstoff, der Benzin ersetzen kann. Ich finde, man muss altes Kulturgut erhalten. Wir sollten immer bessere Lösungen suchen, statt mit Verboten zu agieren.

Besitzt du ein altes Auto?

Ja, einen Mercedes 300 SL Gullwing. Daheim in Monaco bin ich im Alltag allerdings meist mit Mobee (Sharing-Dienst, Anm.) unterwegs, wo man kleine, elektrisch betriebene Renault Twizy mieten kann, die man auf Motorrad-Parkplätzen abstellen darf.

Was kann die Mobilitätsbranche vom Motorsport lernen?

Perfektion. Keine halben Lösungen.

Und die Investment-Welt?

Geschwindigkeit in den Entscheidungen. Gerade auch in der Politik wird zu viel geredet und zu wenig entschieden. Im Sport läuft es so: Diskussion – Entscheidung. Diskussion – Entscheidung. Das ist eine Stärke, die ich aus dem Sport ins Business mitbringe: Ich entscheide. Diese lähmende Betulichkeit gerade in großen Konzernen kann ich gar nicht leiden.

Warum bloß fällt mir jetzt dein ehemaliger Teamchef Toto Wolff ein?

Toto ist ein tolles Beispiel für einen Manager, der Entscheidungen trifft. Ein echter Leader. Und er setzt sehr stark auf das Empowerment seiner Mitarbeiter. Er agiert nicht wie ein Diktator, sondern gibt seinen Leuten Vertrauen und Verantwortung. Jeder fühlt sich stark und mutig – davon profitiert die gesamte Firma. Empathie und Anerkennung vom Chef sind ganz starke Triebfedern. Etwas, was ich in meiner Firma ebenfalls vorzuleben versuche.

Wie konkret?

Kleines Beispiel: Wir haben komplettes Homeoffice eingeführt, und das wird auch nach der Corona -Pandemie so bleiben. Das erlaubt zum Beispiel meinen deutschen Mitarbeitern, bei ihren Familien leben zu können und nicht nach Monaco oder Frankreich pendeln zu müssen. Sie fühlen sich wohl, und das ist in der Produktivität messbar.

Wie werden wir 2040 unterwegs sein?

Wir werden – jedenfalls in der westlichen Welt – überwiegend komplett emissionsfrei unterwegs sein, und zwar tatsächlich, nicht nur rechnerisch mithilfe von Kompensationsmaßnahmen. Darüber hinaus wird es Mobilitätsketten geben. Wir werden eine einzige Mobilitäts-App haben, ein Von A -nach B -Abo, so wie Netflix. Dieses Mobilitäts-Netflix wird mir die Transportkette bereitstellen. Von Berlin nach Hamburg? E -Scooter bis zum Zug, in Hamburg steht die autonome Drohne bereit für den Weg zum Zielort, der etwas außerhalb der Stadt liegt. Am Abend fahre ich mit Car-Sharing zum Grillabend mit meinen Kumpels.

Was löst diese Vorstellung bei dir aus?

Ich freue mich drauf. Es wird uns allen einen großen Mehrwert geben.

Diese Mobilitätskette führt – anders als heute – konsequent von Tür zu Tür.

Exakt. Und genau hier muss man wach sein als Autoland Deutschland: Die Power des Geschäftsmodells liegt dann in der App, in der Software. Die Hardware-Hersteller verlieren genau wie einst die Handy-Industrie viel an Power. Deutsche Autohersteller müssen saumäßig aufpassen, dass es ihnen nicht so geht wie seinerzeit Nokia. Ich möchte ihnen raten, dieses Software-Thema nicht von den Amerikanern oder Chinesen besetzen zu lassen, sondern dringend eigene Kompetenz aufzubauen.

Werden wir 2040 so viel unterwegs sein wie in Zeiten vor Covid-19?

Bis dahin wird es eine weitere Innovation geben, auf die ich mich sehr freue: Wir werden virtuelle Konferenzen mit Hologrammen haben. Die fehlende menschliche Nähe bei Conference Calls werden wir damit virtuell hinkriegen. Aber wenn Reisen eines Tages komplett emissionsfrei sein werden, spricht auch nichts dagegen, wieder unterwegs zu sein wie früher. Es macht ja auch Spaß!

Wie wird man auf die heutige Gegenwart zurückblicken?

Vielleicht so, wie wir heute auf die Formel 1 der 1960er-Jahre zurückschauen. Oder auf eine Zeit, in der man ohne Sicherheitsgurte unterwegs war. Wir werden froh sein, dass die Wende gekommen ist, und sagen, dass es viel sinnvoller ist als damals.

Deine Töchter sind heute drei und fünf Jahre alt. Werden sie noch einen Führerschein machen?

Ich vermute: die eine schon, die andere nicht. Aber das liegt eher an ihren unterschiedlichen Charakteren. Die eine ist eher draufgängerisch und mutig, die andere eher vorsichtig und zurückhaltend. Gut, vielleicht sind 50 Prozent ja auch ein Indikator für die Geschwindigkeit des Wandels.

Was wäre das Äquivalent zum Weltmeister-Titel in deiner Karriere als Nachhaltigkeitsunternehmer?

Die Größe des Impacts all meiner Projekte. Wie viele Menschen ich damit bewegt und inspiriert habe. Wie viel ich dazu beigetragen habe, etwas zum Besseren zu verändern. Die Latte liegt mit einem Formel 1-Titel natürlich hoch, aber die gute Nachricht ist, dass meine Karriere als Unternehmer deutlich länger dauern wird als die als Rennfahrer.

 

Das Interview führte Werner Jessner. Es erschien ursprünglich in der Print-Ausgabe von INNOVATOR by The Red Bulletin. Das Magazin erzählt von innovativen Menschen und zukunftsträchtigen Ideen und will uns damit inspirieren, die Welt von morgen mitzugestalten.

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