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IAA Nutzfahrzeuge 2018: Renault liefert mit dem EZ-PRO autonom und elektrisch

Die Franzosen setzen zur IAA die EZ-Serie fort. In der futuristischen Studie für die teilautonome Belieferung bleibt der Fahrer an Bord – kann aber andere Aufgaben erledigen. Wir durften exklusiv und vorab Platz in der "Concierge"-Kanzel nehmen.

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Johannes Reichel

Renault stellt zur IAA Nutzfahrzeuge in Hannover eine Design-Konzept-Studie zur Belieferung auf der Letzten Meile in den Mittelpunkt. Der EZ PRO basiert technisch auf der zur Geneva Motor Show vorgestellten Personen-Shuttle-Studie EZ GO, fährt damit vollelektrisch und autonom auf Level 5. Eine dritte Studie will der Hersteller zum Pariser Salon präsentieren, die einen edlen Limousinenfahrdienst darstellen könnte. Leitendes Prinzip des EZ PRO ist die Modularität. Je einem Leader-Fahrzeug, in dem auch der Fahrer, jetzt Concierge genannt, sein mobiles Büro hat, sind vier sogenannte PODS nachgeordnet, die diesem folgen und mit dem Führungsfahrzeug vernetzt sind. In einem Anwendungsbeispiel könnte so der Zug etwa aus dem Logistik-Hub am Stadtrand gesammelt ausrücken und sich in der Stadt dann autonom, aber überwacht vom „Concierge“ verteilen. Der an dem Projekt beteiligte Kurier-Paket-Expressdienstleister DPD würde die Fahrzeuge dann als sogenannte Mikrodepots nutzen, von denen aus die Paketboten die Feinzustellung absolvieren.

„Die Boxmodule werden im Depot vorkommissioniert und dann direkt auf die Fahrgestelle beladen, sodass der Fahrer auch hiermit nichts mehr zu tun hat. Er kann sich auf den Schlüsselmoment, die Zustellung zum Kunden fokussieren“, erklärt Jean-Claude Sonet, Customer Experience Director bei DPD in Frankreich. Aus seiner Sicht sind zwei Punkte an dem Konzept entscheiden: Flexibilität und Modularität. „Wir hatten hier überraschenderweise schnell Gemeinsamkeiten in den Zielsetzungen gefunden, als wir das Projekt mit Renault gestartet haben“, erzählt der Manager, der das Projekt keineswegs für reinen Futurismus hält. „In Anbetracht des anhaltenden Booms im Online-Handel erwarten wir eine Verdoppelung der ohnehin schon stark gewachsenen Paketmengen in absehbarer Zeit. Um das zu bewältigen, brauchen für flexible, modulare neue Lösungen, die wir je nach kommunalen Eigenheiten anpassen können. Der EZ PRO geht genau in diese Richtung“, findet der KEP-Experte. Er hält den EZ für ein „Konzept-Car mit pragmatischem Ansatz“.

Autonom und Elektrisch: Die rollende Paketstation 

Auch einen Anwendungsfall mit absperrbaren „Locker“-Schubfächern hat der Hersteller durchgespielt. Im Verbund mit einer eigens programmierten App könnten Kunden so minutengenau zu der mobilen „Paketbox“ geleitet werden und ihre Sendung entgegennehmen. Als weitere Anwendungen hat Renault beispielhaft eine mobile Cafè-Bar oder einen mobilen Laden für Floristen entworfen. Das Leader-Fahrzeug verfügt hinter dem „Leitstand“ hinter einer spektakulär aufschwingenden Flügeltür, der flexibel als Büro genutzt werden kann, über ein Ladeabteil mit sechs Kubikmeter Volumen, das aus Sicht der Renault-Designer um Design-Chef van den Acker für besonders wertvolle Sendungen vorbehalten sein könnte. Die dem Leaderfahrzeug zugeordneten, autonom agierenden PODS verfügen über wechselbare Box-Aufbauten mit zwölf Kubikmeter Volumen.

„Wir wollten Maß nehmen an den aktuellen Bedarfen der KEP- und Logistikbranche. Das entspricht dem Volumen eines Standard-Master“, erklärt LCV-Designchef Louis Morasse. Und das bekommt man in den PODS sogar auf 4,80 Meter Länge, 2,10 Breite und 2,20 Meter Höhe kompakter unter als bei dem aktuellen Transporter. Die Lithium-Ionen-Akkus sind unterflur und damit laderaumneutral untergebracht, der Einstieg in den Laderaum gelingt dank niedriger Stufe problemlos. Die Akkus sollen bis zu 300 Kilometer Reichweite ermöglichen. Für das Wiederbefüllen der Energiespeicher denkt man bei Renault an induktives Laden, möglicherweise auch mobil auf speziellen Fahrstreifen. Hierzu gibt es bereits erste Pilotprojekte. Für Unterwegsstrom der On-Board-Verbraucher soll ein Solarpanel auf dem dennoch lichtdurchlässigen Dach sorgen. Als Höchstgeschwindigkeit hält man 70 km/h für völlig ausreichend, um auch Stadtautobahnen zu bewältigen.

Ganz entscheidend war aus Morasses Sicht, dass der Fahrer weiter gebraucht wird: „Wir wollen den Fahrer nicht ersetzen, wir sind zutiefst überzeugt, dass für spezielle Aufträge ein menschlicher Zusteller unersetzlich ist. Wir wollen den Fahrer aber entlasten, von Staus und Stress am Steuer“, so der Designer. Nur in bestimmten, komplexen Situationen soll der Fahrer das Steuer, progressiv als Joystick ausgeführt, wieder übernehmen. Nach Außen kommuniziert das autonom fahrende Fahrzeug mit einem Front- und einem Heck-LED-Bar mit der Umwelt.

Van den Acker: "Wir werden nicht so schnell verschwinden"

„Wir wissen nicht, was morgen passiert, wie die Zukunft genau aussieht. Dann müssen wir wenigstens mal fundiert spekulieren. Ein Konzept-Car kann etwas ausprobieren“, formuliert resümierend Design-Chef Laurens van den Acker, der die Idee in den Kontext „120 Jahre Renault“ stellt. Und er ist sich sicher, dass Renault auch noch 2030, nach gut 130 Jahren geben wird. „Wir werden nicht so schnell verschwinden, wie viele vielleicht gedacht haben. Die Autoindustrie ist auf einmal wieder sexy für junge Leute, die vorher vielleicht zu Google oder Apple gegangen wären“, erzählt van den Acker. „Die Neuerfindung der Mobilität, das passiert jetzt, das ist unheimlich spannend“, fügt er an. Aus seiner Sicht kauft man künftig kein Auto mehr, sondern bucht es pro Kilometer.

Komplementär: Autohersteller und Mobilitätsdienstleister

Zu einem besonderen Anlass dann auch vielleicht eine schicke autonome Limousine. „Unser Ziel ist es, Innovationen zu demokratisieren“, gibt der Design-Chef die Richtung vor. Seine Vision ist ein Mobilitätsdreieck für Renault: Halböffentliche Shuttledienste mit dem EZ-GO, Logistikdienste mit dem EZ-PRO und individueller Limousinenservice mit dem EZ-XX, dessen Konzept erst in Paris enthüllt wird. Aus seiner Sicht werden Mobilitätsdienste komplementär zum Kauf eines Autos stehen. „Wir werden auch 2030 noch Autohersteller sein – und Mobilitätsdienstleister“, ist sich van den Acker sicher. Wenn der rechtliche und versicherungstechnische Rahmen passt, könnten Systeme wie der EZ PRO aus seiner Sicht in einem Horizont bis 2030 Realität werden. „Aber wir wollten mal eine physisch greifbare Gesprächsgrundlage für die Politik schaffen“, erklärt Morasse. Die ist jetzt am Zug.

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