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Meinungsbeitrag

IAA Mobility 2021: In Summe ein gelungener Neustart

Ein inspirierender Gesamteindruck bleibt von der "neu erfundenen" Schau, dank etlicher Mikromobilitäts- und Bikehersteller, aber auch OEMs, die verstanden haben. Dass man so massive Messebauten in den öffentlichen Raum stellt und die Staatsregierung Proteste unterdrückt, ist aber problematisch. IAA goes IMA!

Inspiriert: VM-Redakteur Reichel fand zahlreiche clevere Ideen und Anregungen, wie Mobilität sich nachhaltiger gestalten lässt, etwa den Velohub am Königsplatz. | Foto: J. Reichel
Inspiriert: VM-Redakteur Reichel fand zahlreiche clevere Ideen und Anregungen, wie Mobilität sich nachhaltiger gestalten lässt, etwa den Velohub am Königsplatz. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Aller berechtigter Kritik zum Trotz - diese Woche in München war tatsächlich ein Treffpunkt und Tummelplatz neuer (und kaum noch alter) Ideen, wie sich Mobilität im 21. Jahrhundert besser, nachhaltiger, emissionsfrei und sozial gerechter organisieren lässt. Wir mussten jedenfalls gar nicht nach der "Nadel im Heuhaufen" suchen, die Ideen lagen ganz offenbar und waren für jeden, der sie sehen wollte, zugänglich. Speziell am Wochenende wurde davon auch reichlich Gebrauch gemacht, fast kam ein Hauch von Volksfest auf in den Hallen und im Freigelände, die Open Spaces waren ebenfalls gut frequentiert, die Begeisterung für (neue) Mobilität spürbar. Der dann doch äußerst inspirierende Gesamteindruck ist weniger den großen OEMs zu verdanken, obwohl sie sich sichtlich Mühe gaben, ihre elektromobilen, umweltfreundlicheren Lösungen in den Vordergrund zu rücken: Bei den Pressekonferenzen ging es überhaupt nur noch um alternative Antriebe, Verbrenner waren noch nicht mal mehr "ferner liefen", zumindest in der Kommunikation. Wer hätte das vor zwei Jahren gedacht!

Nein, vor allem den zahlreichen kleinen Anbietern von Mikromobilen, auch größeren Zulieferern auf neuen Wegen oder Digital-Start-ups ist es zu verdanken, dass diese Messe einen Wendepunkt markieren dürfte. Und nicht gilt es, den unzähligen Fahrradherstellern höchsten Respekt zu zollen, die auf Kommunikation statt auf Konfrontation setzten und die Einladung zur Präsenz gerne annahmen. Zumindest auf den Open Spaces, aber am Wochenende auch auf der Messe in Riem hat sich ihre Präsenz unserem Eindruck nach schon gelohnt. Aber: Die nächste Messe muss "Internationale Mobilitätsausstellung" heißen, IAA passte schon jetzt nicht mehr.

Dass der VDA sich den neuen Bewegungen und Strömungen öffnete und auch die Radhersteller einlud, vor Ort zu sein, zeigt, es sind mehr als Lippenbekenntnisse und man hat auch im Verband und an der Verbandsspitze erkannt, das Mobilität in Zeiten der Klimakrise nicht mehr nur "Automobilität" sein kann und darf. Statt "entweder oder" gilt "sowohl als auch" und "je nachdem". Respekt auch hierfür!

Hinterher ist man zwar immer schlauer, dennoch gibt es ein paar Dinge, die man schon vorher hätte wissen und besser machen können. Daher hier ein paar konstruktiv-kritische Vorschläge aus Beobachterperspektive:

  • Open Spaces: Ausschließlich für alternative Antriebe, keine riesigen, klar werblichen Messeaufbauten, die die Mobilität der Bürger*innen schon massiv einschränkten und natürlich Proteste provozierten. Hier wurde klar überreizt - und die Hersteller tun sich selbst keinen Gefallen damit. Wobei man auch konstatieren muss: Es gab eine nicht kleine Klientel, die staunend einen hochglänzenden Maybach Elektro-SUV in Augenschein nahm - oder die Gelegenheit zur Sitzprobe im stets umlagerten Kia EV6 nutzte.
  • Polizeipräsenz: Eine Messe, die mit 4.500 hochgerüsteten, teils massiv eingreifenden Polizisten und mit Mitteln der Präventivhaft geschützt werden muss vor den berechtigten Sorgen und Anliegen der jüngeren Generation und von etablierten Umweltverbänden, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Man hätte die Kritiker mit einer großen Geste zum Gespräch auf die Messe bitten sollen, statt so konfrontativ vorzugehen. Aber diesen "Schuh" muss sich die bayerische Staatsregierung anziehen, die wenig Fingerspitzengefühl zeigte, und die bewährte, moderate "Münchner Linie" bei solchen Einsätzen verließ, als stünde unmittelbare Terrorgefahr ins Haus.
  • Mobilitätskongress: Dieser sehr spannend zusammengestellte, parallel und leider weitgehend im Abseits laufende, vom Mobilitätsreferat veranstaltete Kongress sollte offen integriert und besser verzahnt werden, als Debattenforum mit Stakeholdern jenseits des Automobils, der das Thema Mobilität und Verkehr auch stadtplanerisch und gesellschaftspolitisch beleuchtet.

Feststeht nach der IAA 2021: Es geht in die richtige Richtung und es bewegt sich was. Hier muss man weiter anknüpfen und nachsetzen. Denn klimafreundliche Mobilität ist möglich und dringend nötig: Sie muss weniger autozentriert, dafür multimodal, digital gestützt, sowie elektrisch, geteilt, irgenwann autonom, aber vor allem effizient und suffizient sein und den urbanen und den ländlichen Raum neu denken. Dafür gab die IAA zahlreiche Impulse, finden wir jedenfalls. Und sie bewies nebenbei, eine Messe in Zeiten von Corona ist möglich. Denn: Das persönliche Gespräch ist durch noch so viele Zoom-Konferenzen und Digital-Veranstaltungen nicht ganz zu ersetzen.

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