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Greenpeace-Studie: Zug statt Flug ist möglich - aber ausbaufähig

Ein knappes Drittel der 150 wichtigsten europäischen Kurzstreckenflugrelationen lassen sich in unter sechs Stunden mit der Bahn absolvieren. NGO fordert Flugverbote auf plausiblen Bahnverbindungen wie Paris- oder Brüssel-Frankfurt oder Berlin-München. Internationale Verbindungen zunehmend schlechter.

Raus aus dem Flieger, rauf auf die Schiene: In einem Drittel der 150 wichtigsten EU-Strecken wäre die Bahn schon eine Alternative. Aber es besteht noch großes Potenzial und Handlungsbedarf, vor allem transeuropäisch. | Grafik: Screenshot/Greenpeace
Raus aus dem Flieger, rauf auf die Schiene: In einem Drittel der 150 wichtigsten EU-Strecken wäre die Bahn schon eine Alternative. Aber es besteht noch großes Potenzial und Handlungsbedarf, vor allem transeuropäisch. | Grafik: Screenshot/Greenpeace
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Johannes Reichel

Die Umwelt-NGO Greenpeace hat einen Vergleich der Verkehrsmittel Flugzeug und Bahn vorgelegt, in dem die wichtigsten 150 EU- sowie 250 transeuropäischen Flugrouten verglichen und auf Bahn-Alternativen hin untersucht werden. Bis 2040 wird sich die Zahl der Fluggäste mehr als verdoppeln, prognostiziert das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) 2019. Für den Klimaschutz ist das rasante Wachstum ein Problem. Fliegen sei zwölfmal so klimaschädlich wie Bahnfahren, seit 1990 sei der CO2-Ausstoß im Verkehr nicht gesunken, stellen die Autoren fest. Ohne zusätzliche Maßnahmen werde der Bereich seine gesetzlich festgeschriebenen Klimaziele für das Jahr 2030 weit verfehlen, bestätigte gerade erst der jüngste Projektionsbericht der Bundesregierung: Bis 2050 würde die Luftfahrt 27 Prozent des weltweiten Kohlenstoffbudgets zur Erreichung des 1,5-°C-Ziels verbrauchen, so die Prognose.

In den letzten Jahrzehnten sei der Luftverkehr die am schnellsten wachsende Quelle von Treibhausgasemissionen (THG) in Europa (+29 Prozent zwischen 2009 und 2019 in der EU), und die Branche plant, bis 2024 wieder auf den Stand von vor Corona zu kommen und den Flugverkehr bis 2037 weltweit zu verdoppeln. Wissenschaftler:innen wiesen seit Langem darauf hin, dass die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C noch möglich sei, aber nur wenn es gelinge, die CO2-Emissionen rasch auf netto null (Net Zero) oder darunter zu senken. In Relation zu den Gesamtemissionen aus der Stromproduktion von Kohle, Gas und Öl sowie dem CO2-Ausstoß von landgebundenen Fahrzeugen nimmt sich der Flugverkehr mit 3,5 Prozent allerdings relativ bescheiden aus, wie 2020 eine internationale Studie unter Beteiligung des DLR ergab. Dennoch mahnt Greenpeace:

"Die Luftfahrtindustrie ist eine der klimaschädlichsten und ungerechtesten Branchen der Welt – und das auf Kosten künftiger Generationen. In der Coronakrise erhielt die Luftfahrtindustrie Unterstützung von den Regierungen in Form von höheren Investitionen, Rettungspaketen und anderen Subventionen aus Steuergeldern; dies ging deutlich zulasten der Eisenbahnindustrie. EU-weit macht der Bahnverkehr weniger als sieben Prozent des gesamten Personenverkehrs aus. Um die globale Erwärmung auf 1,5 °C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen, ist eine Reduzierung des Flugverkehrs erforderlich", konstatieren die Autoren der Studie.

Zu nötigen Sofortmaßnahmen gehört für die NGO auch ein Aussetzen von Kurzstreckenflügen, die schon heute bequem mit dem Zug zu absolvieren sind. Wie viele es davon gibt, zeigt der neue Report „Auf die Schiene, fertig, los“ auf. Er untersucht die 250 am meisten geflogenen Verbindungen in Europa, darunter die 150 wichtigsten EU-Relationen. Das Ergebnis: Ein knappes Drittel (29 Prozent) dieser europäischen Flugverbindungen sind schon heute in weniger als sechs Stunden mit dem Zug zu erreichen. Für weitere 15 Prozent bestünden direkte Nachtzugverbindungen.

„Es ist ein Irrsinn, dass in einer sich beschleunigenden Klimakrise zum Beispiel gut 2 Millionen Menschen pro Jahr zwischen Frankfurt und Berlin fliegen, obwohl sich die Strecke in vier Stunden mit dem Zug absolvieren lässt“, findet Greenpeace Bahnexpertin Lena Donat.

Bahnangebot dringend ausbauen

Wenn die kommende Bundesregierung es mit dem Klimaschutz ernst meine, müsse sie das Bahnangebot weiter ausbauen und klimazerstörende Kurzflüge beenden. Deutschland kommt dabei aus Sicht der NGO eine besondere Bedeutung zu, weil fast ein Drittel der 250 europäischen Top-Flüge, die gut 85 Prozent aller Flugpassagiere ausmachen, hier starten oder landen. Auf die 150 meistgenutzten Flugstrecken innerhalb der EU, die im Rahmen des Reports untersucht wurden, entfällt rund die Hälfte der Fluggäste auf allen EU-Binnen-Flugstrecken unter 1500 km (Flugverbindungen von und zu Inseln ausgenommen). Zuletzt hätten Politiker wie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Bedeutung des europäischen Zugnetzes zwar beteuert, aber politische Schritte gescheut, um diese Verbindungen konsequent zu stärken. Immerhin wird ab nächstem  Jahr erstmals mehr in die Schiene investiert mit 9,3 zu 8,3 Milliarden Euro und die Umsatzsteuer für Fahrkarten wurde auf sieben Prozent reduziert, die Luftverkehrssteuer etwas angehoben. Auch Nachtzugverbindungen sollen wiederbelebt werden, aus Österreich und der Schweiz starten zwei Relationen Wien-Paris sowie Zürich-Amsterdam in diesem Jahr.

Langstreckenflüge als Hauptquelle, aber Kurzstrecken besonders ineffizient

Langstreckenflüge verursachen den größten Teil der CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr, 50 Prozent der CO2-Emissionen aus dem europäischen Flugverkehr stammen von Flügen mit einer Distanz von über 4000 km. Sie müssten daher reduziert werden. Flüge mit einer Distanz von unter 1500 km, seien für 25 Prozent der CO2- Emissionen aus dem EU-Flugverkehr verantwortlich.

"Da so kurze Flugverbindungen im Vergleich zu Zugverbindungen eine unverhältnismäßig hohe Klimabelastung verursachen, müssen Kurzstreckenflüge, wo immer möglich, durch Bahnalternativen ersetzt werden", fordert Greenpeace.

Hinzu komme, dass die Nicht-CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr wie Stickoxide (NOx), Rußpartikel oder Wasserdampf doppelt so viel zur globalen Erwärmung beitrügen wie das von den Flugzeugen emittierte CO2. Dies sei bereits von unabhängigen Wissenschaftler:innen nachgewiesen und in einer von der Europäischen Kommission veröffentlichten Studie bestätigt worden. Die Bereitschaft für einen Wechsel sei vorhanden: Laut einer von der Europäischen Investitionsbank (EIB) durchgeführten Umfrage befürworten 62 Prozent der Europäer:innen ein Verbot von Kurzstreckenflügen, und eine große Mehrheit befürwortet den Ausbau der Tages- und Nachtzugverbindungen

"An unseren Lebens- und Reisegewohnheiten muss sich dringend etwas ändern. Nachhaltigkeit und die Zukunft der Menschheit müssen in den Mittelpunkt rücken", fordert Greenpeace.

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