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Meinungsbeitrag

goUrban-CEO über Shared Mobility: Krisenfall oder Schlüsselfaktor?

Scooter-Verbot in Paris, mieses Image? Steckt die Shared Mobility in der Krise oder ist sie der Schlüssel zu besserer Mobilität und ersetzt das Privatauto? Jonathan Gleixner, CEO und Mitgründer der Mobilitätsplattform goUrban, sieht im Gastbeitrag hausgemachte Fehler, große Potenziale und träumt vom "Netflix der Mobilität".

Sieht noch Hausaufgaben für die Branche: Ein gutes Produkt könnte das eigene Auto mittel- und langfristig obsolet machen, glaubt goUrban-CEO Jonathan Gleixner. | Foto: goUrban
Sieht noch Hausaufgaben für die Branche: Ein gutes Produkt könnte das eigene Auto mittel- und langfristig obsolet machen, glaubt goUrban-CEO Jonathan Gleixner. | Foto: goUrban
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Johannes Reichel

Zuletzt warfen das E-Scooter-Verbot in Paris und die neuen Roller-Regelungen in Wien Fragen auf, wie es um die Akzeptanz von Shared-Mobility-Angeboten steht. Dass seit geraumer Zeit auch in Deutschland Verbotsforderungen immer lauter werden, erweckt den Eindruck, eine ganze Branche stecke mitten in der Krise. Trügt der Schein? Ob als Freizeitbeschäftigung, für öffentliche Straßenrennen, Hindernis am Gehweg oder Sondermüll in Flüssen und Hecken: Der schlechte Ruf eilt E-Scootern und dem Shared-Sektor-Branche voraus und bringt eine ganze Branche in Misskredit – von Micromobility-Angeboten wie Scooter, Fahrrad- oder Moped-Sharing bis hin zu Carsharing-Services.

Kritik am aktuellen Zustand von Shared-Mobility-Angeboten ist dabei durchaus berechtigt: Bislang sind die Services am Markt weit davon entfernt, ihr positives Potenzial vollumfänglich und auf einem durchgehend qualitativ hohen Niveau zur Geltung zu bringen: Ihr Potenzial als sichere, bequeme und jederzeit zugängliche Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr, zur Entlastung der Verkehrssituation in Ballungsräumen und zur Steigerung der Lebensqualität.

"Denn es lässt sich nicht leugnen: Derzeit ist Shared Mobility zu teuer, zu wenig sicher, komfortabel und verlässlich".

Doch um den Zustand einer ganzen, so komplexen, Industrie hinsichtlich einer Krisensituation zu beurteilen, bedarf es einer differenzierten Betrachtung. Shared Mobility als “Minimum Viable Product” (MVP) Blickt man auf die Herausforderungen, die Shared Mobility mit sich bringt – auch über das Votum in Paris hinaus – sehen wir, dass wir noch viele weitere Entwicklungen brauchen, bis geteilte Mobilität tatsächlich einen signifikanten Beitrag leisten kann, auf das eigene Fahrzeug zu verzichten:

  • Verfügbarkeit und Verlässlichkeit: Es ist frustrierend, wenn das gewünschte Fahrzeug nicht in der Nähe verfügbar ist oder wenn man länger als geplant warten muss, um ein Fahrzeug zu finden. Im schlimmsten Fall fällt das System aus und Nutzende können das Fahrzeug weder öffnen noch schließen.
  • Convenience: Das eigene Auto zu ersetzen erfordert derzeit noch viel Planung – denken Sie nur mal an einen Wochenendausflug außerhalb der Stadt mit zwei Kindern und entsprechendem Gepäck. In diesem Szenario will niemand weitere Strecken laufen, um das Fahrzeug zu finden. Nutzer von geteilter Mobilität erwarten weiterhin zu Recht einen Zustand, der hohe Sicherheitskriterien erfüllt.
  • Zustand der Fahrzeuge: Sofern sich das Fahrzeug auffinden lässt, ist es oft schmutzig, mit zahlreichen Schäden oder unzureichendem Tank- oder Ladestand.
  • Erreichbarkeit des Anbieters: Oftmals entspricht das Support-Angebot nicht den Anforderungen und man erreicht niemanden oder hängt lange in der Warteschleife
  • Preis: Betrachtet man den Preis über alle Anbieter hinweg, so ist ein Mix aus öffentlichem Nahverkehr und Shared-Mobility-Angeboten aktuell noch zu teuer – oder aber er kommt gerade einmal an die monatlichen Kosten eines eigenen PKW heran. Anbieter wiederum können Shared Mobility bei der derzeitigen, geringen Nutzerzahl kaum kosteneffizient als Geschäftsmodell betreiben.

Verzicht aufs Auto darf keinen Komfortverzicht bedeuten

Möchte man auf das eigene Auto verzichten, darf das kein Kompromiss in Sachen Komfort sein, gerade in Bezug auf die damit verbundenen Kosten, Verfügbarkeit, Bequemlichkeit, Sicherheit oder auch Nachhaltigkeit. Somit liegt es uns allen geteilte Mobilität zu weit voranzutreiben, damit es ein Leichtes wird, auf das eigene Auto zu verzichten. Über die gesamte Lebensdauer kostet ein Fahrzeug rund 600 Tausend Euro, wobei der heimische PKW rund 97 Prozent der Zeit ungenutzt bleibt. In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten werden sich weniger Menschen diese Investition leisten können (und wollen). Zusätzlich gehen allein 20 Prozent des CO2-Ausstoßes in Europa auf den Verkehr mit Verbrennermotoren zurück. Davon entfallen etwa 12 Prozent auf den PKW.

Vom Besitz zum Service: Das Beispiel vom “Netflix der Mobilität”

Um die hier skizzierten Nachhaltigkeitseffekte und Kosteneinsparungspotentiale zu realisieren, muss Mobilität letztendlich eine Entwicklung durchlaufen, wie wir sie schon bei den bekannten Streaming-Diensten gesehen haben: Während wir früher in der Videothek eine Videokassette ausgeliehen haben, steht uns nun ein gesamtes Filmuniversum mit Streaming-Angeboten wie Netflix und Co. mit nur einem Klick zur Verfügung – günstig und von überall aus abrufbar. So bequem, einfach, flexibel und kostengünstig muss auch geteilte Mobilität werden, damit das eigene Auto schon bald mehr Last als Hilfe ist.

"Wir werden ohne Zweifel ein neues Level an Mobilität erreichen: Je höher die Verfügbarkeit von Shared-Mobility-Fahrzeugen und bequemer die Nutzung ist, je sicherer die Fahrzeuge werden – für Nutzer und Nichtnutzende von Mobilität – desto mehr Menschen werden die Angebote in Anspruch nehmen".

Das mindert auf lange Sicht gesehen Lärm- und Umweltbelastungen, fördert Lebensqualität und verbessert den Schutz von ökologischen Lebensräumen. Je mehr Menschen geteilte Mobilität nutzen, desto stärker wirkt sich dies auf die Angebotspreise aus. Schließlich muss es auch für Anbieter wirtschaftlich profitabel sein, geteilte Fahrzeugflotten durch intelligente Steuerung zu betreiben.

Fazit: Ziel ist ein hochwertiges Produkt, das das Auto obsolet macht

Es muss letztendlich das Ziel sein, ein qualitativ hochwertiges Produkt zu liefern, dass es auf lange Sicht gesehen eine unumgängliche Alternative zum eigenen Auto wird - sowie eine sinnvolle und viel genutzte Ergänzung zum ÖPNV. Die Kriterien hierfür sind aktuell noch nicht erfüllt. Es wird noch etwas dauern, bis wir diesen Punkt erreicht haben. So gesehen betrachtet diese Bestandsaufnahme die Entwicklung von Shared Mobility vielmehr als Chance, die derzeitigen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, als im Krisenmodus.

Jonathan Gleixner ist CEO und Mitgründer von goUrban, der B2B-SaaS-Plattform für servicebasierte Mobilität. Zusammen mit Bojan Jukić gründete er das Unternehmen 2016 in Österreich. goUrban ist mittlerweile in 100 Städten vertreten und vernetzt für seine Kunden weltweit insgesamt 30.000 Fahrzeuge. Neben Wien hat das Unternehmen inzwischen einen zweiten Standort im serbischen Novi Sad und Banja Luka in Bosnien-Herzegowina. 2021 wurde Gleixner unter die Forbes 30 Under 30 gewählt. Gleixner, der ursprünglich aus dem baden-württembergischen Waldshut-Tiengen stammt, studierte Entrepreneurship & Innovation, Marketing an der Wirtschaftsuniversität Wien. Dort lernte er auch seinen Mitgründer Bojan Jukić kennen.

goUrban wurde 2016 in Österreich gegründet und startete zunächst mit einer eigenen Fahrzeugflotte in Wien. Das Betriebssystem bietet Shared-Mobility-Anbietern, Unternehmensflotten, Städten und Gemeinden ein datenbasiertes, modulares und fahrzeug-agnostisches Mobilitäts-Ökosystem, das den operativen Erfolg optimieren will. Dabei fördert das System eine nahtlose Verknüpfung von Anwendungsfällen wie Carsharing- oder Kick Scooter- und Moped-Sharing, Corporate-Fleet-, Abonnement- und Leasing-Lösungen. Das große und here Ziel bei allem Geschäft: Allen Menschen Zugang zu bezahlbarem, bedarfsgerechtem, sicherem und nachhaltigem Transport zu verschaffen. Mittlerweile ist das Unternehmen in 91 Städten vertreten und vernetzt für seine Kunden weltweit 30.000 Fahrzeuge. Neben Wien hat das Unternehmen inzwischen weitere Standorte im serbischen Novi Sad und Banja Luka in Bosnien-Herzegowina. An beiden Standorten sind derzeit rund 100 Mitarbeitende beschäftigt. 

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