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Genf 2020: Fiat startet mit dem 500 ambitioniert in die Elektro-Ära

Die Neuauflage geht konsequent den "elektrischen" Weg und fügt dem E-Antrieb mit satter Reichweite von 320 km, einen 85-kW-Bordlader, ein üppiges Infotainment nebst Konnektivität sowie teilautonomes Fahren auf Level 2 hinzu. Und natürlich ein betörendes Design. 

Retro reloaded: Der neue Fiat 500 wird komplett elektrifiziert und schärft die Optik des alten Modells in vielen Details und insgesamt deutlich nach. | Foto: Fiat
Retro reloaded: Der neue Fiat 500 wird komplett elektrifiziert und schärft die Optik des alten Modells in vielen Details und insgesamt deutlich nach. | Foto: Fiat
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Johannes Reichel

Fiat hat per Webkonferenz den für Genf 2020 vorgesehenen neuen 500 vorgestellt und damit das erste vollelektrische Fahrzeug der Marke. Fiat-Brand-Präsident Olivier Francois präsentierte das Fahrzeug im Rahmen eines inszenierten Rundgangs durch die Altstadt von Mailand und machte eine starke Ansage: "Es ist Zeit zu Handeln, um eine bessere Zukunft zu schaffen". Dementsprechend wird das neue Modell komplett elektrifiziert. Der Kleinwagen wuchs auf komplett neuer Plattform in der Länge und Breite um je sechs Zenimeter, im Radstand zum zwei und erhielt ein zumindest auf dem Papier auch für Mittelstrecken taugliches Elektropackage: Neben einem großzügigen 42-kWh-Akkupaket, das den elektrifizierten Klassiker bis zu 320 Kilometer nach WLTP weit bringen soll. Im Stadteinsatz, für den man den 500 immer noch prädestiniert sieht, sollen es sogar 400 Kilometer sein.

Zudem packen die Entwickler standardmäßig einen starken 85-kW-CCS-Bordlader mit ins Fahrzeug, mit dem sich - wie sollte es anders sein - binnen fünf Minuten für 50 Kilometer Strom bunkern lassen. In 35 Minuten ist man auf 80 Prozent Kapazität. Der Ladeanschluss per Combo für DC und AC sitzt allerdings etwas ungünstig an der hinteren rechten Flanke, in der Front wäre praktischer, gerade bei Schnellladevorrichtungen mit meist kurzen Kabeln. Auch eine von Engie EPS eigens für Fiat gestaltete Heimladelösung mit 3 kW und upgradebar 7,4 kW will man offerieren, die in der Launch Edition bereits enthalten ist. 

Drei Modi beim Fahren, Automatisierung auf Level 2

Im Fahrbetrieb bietet der Elektro-500 drei Modi an: Der Normalbetrieb, der ähnliches Agieren wie beim Verbrenner bieten soll, der Range-Modus, der Ein-Pedal-Fahren ermöglicht sowie der skurillerweise "Sherpa" genannte reichweitenoptimierende Modus mit begrenztem Tempo von 80 km/h und gedrosselter Leistung. Apropos: Die beträgt ebenso üppige 87 kW, mit der die Elektromaschine den Kleinwagen binnen drei Sekunden auf 50 und 9 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt.

Neben dem E-Antrieb will man auch in Sachen Fahrerassistenz in die Zukunft weisen: Nach eigener Darstellung als erstes Fahrzeug im Kleinstwagensegment kommt der 500 wahlweise mit autonomen Fahrfertigkeiten auf Level 2-Niveau daher. Das umfasst also die in höheren Klassen üblichen Features adaptiver Tempomat (ACC) mit integrierter Notbremse samt Fußgänger- und Radfahrererkennung, aktiven Spurhalteassistenten, intelligente Tempoanpassung per Verkehrsschilderkennung, Tot-Winkel-Warner, Aufmerksamkeitsassisten oder eine 360-Grad-Drohnenperspektive für sicheres Einparken.

Zudem zieht Fiat auch beim Infotainment nach, wo bisher die Konkurrenz weit enteilt war in Sachen Screengröße und Bedienbarkeit. Das neue, U5 Connect genannte, voll konnektive System verfügt über einen breiten 10,25-Zoll-HD-Touchscreen und verbindet das Smartphone auch drahtlos per Apple Carplay oder Android Auto. Selbstverständlich ist auch ein Telematik-Modul, das sogenannte e-Calls, Notrufe, im Falle eines Unfalls ermöglicht. 

Sondereditionen etwa von Giorgio Armani, Fahrsound wie eine Synfonie

Selbstredend kümmern sich die stilbewusster Italiener auch um ein entsprechendes Dress ihres neuen Hoffnungsträgers: Im Interieur, wo man besonders stolz auf die Recycling-Materialien und Bezüge aus recyceltem Meeresplastik "Seaqual"-Garn verweist, dominiert eine klare Formensprache mit viel Retro-Anklängen. "Ruhiger, cleaner und knackiger" soll die neue Gestaltung insgesamt sein, preist Francois. Vor allem soll es aber mehr Platz für Schultern und Beine geben, definitiv ein Manko des aktuellen Modells. Und nicht zu vergessen: Statt eines tristen AVAS-Tons haben die Ingenieure aus der Heimat der großen Oper eine Synfonie als Fahrsound komponieren lassen, von Nino Rota - mit dem schon als Buchstaben klangvollen Namen "Amarcord". Und selbstredend fehlen originelle und fast kunstvoll gestaltete Sondermodelle Giorgio Armani, "Mai Troppo" und "Kartell" nicht.

Preis ab 37.900 für "La Prima" - und Konzern-Verbrenner nach Bedarf

Per Prebooking können sich Interessenten in einem simplen dreistufigen Prozess am Smartphone für die üppig ausgestattete "La Prima"-Version einloggen, wofür Fiat 500 Euro Reservierungsgebühr aufruft. Der Gesamtpreis beträgt hier selbstbewusste 37.900 Euro brutto. Praktisch: Nach der Postleitzahl wird gleich der entsprechende Umweltbonus in Anrechnung gebracht.

Und sollte der Cinquecento doch mal zu klein sein, versäumt der "presidente" nicht den Hinweis auf das verlockende Feature der "Dream Garage", einem neuen "On-Demand"-Mobilitätsservice: Per eigens gestaltetem "Dongle" in handschmeichlerischer Steinform hat man Zugang zu einer auch von heißen Verbrennungsmotoren angetriebenen Carsharing-Flotte, die vom 500X über den Alfa Romeo Giulia oder Stelvio oder die "Dinos" aus dem Konzern wie Jeep Renegade, Compass oder Wrangler reicht. Dann sollte aber ein entsprechender Langstrecken oder Transportauftrag anliegen. Dieses Angebot gestaltete man gemeinsam mit Leasys und es steht exklusiv den Käufern eines 500 Electric zur Verfügung.

Was bedeutet das?

Es soll ein Befreiungsschlag werden für die Marke Fiat, aber auch ein Leuchtturm für den FCA-Konzern: Der neue Fiat 500 MUSS funktionieren. Liebevoll, lecker und leidenschaftlich verpackt und gemacht ist er schon mal, die Italiener haben alles mobilisiert an Stil, Kreativität und Technologie, was sie im runtergehungerten Konzern noch "auf der Pfanne" haben - und der Cinquecento entfaltet aus dem Stand mehr Sex-Appeal als alle Generationen des Renault Zoe zusammen und löst spontane "Will-haben"-Gefühle aus. Ob er technologisch auch mithalten kann mit dem deutlich geräumigeren Franzosen, wird sich weisen. Formal klingt das Package nicht übel. Wobei man sagen muss: Wenn die Verantwortlichen schon so sehr die "tradizione" bemühen, die bis ins Jahr 1957 zurückreicht, dann sollten sie auch den wichtigsten Aspekt nicht vergessen:

Der Cinquecento bedeutete vor allem bezahlbare Mobilität für alle. Dringend sollten die Fiat-Macher also über die üppige "La Prima"-Version auflegen, die selbstbewusste 38.000 Euro aufruft, mehr sogar als Peugeot für den e208 mit Topausstattung.

Man sollte eine abgespeckte Variante auflegen, etwa mit kleinerem Akku, normalem Bordlader und simplerem Infotainment, die in Richtung 20.000 Euro runterkommt. Denn dort lauern die starken Wettbewerber aus dem VW-Konzern mit den Elektro-Derivaten VW eUp, Seat Mii electric und Skoda Citigo iV, die mindestens so viel Platz bieten und de facto nicht viel weniger Reichweite. Bei aller Ambitioniertheit: Aber ob es jetzt unbedingt einen 85 kW-CCS-Bordlader braucht, bei einem Fahrzeug, das doch primär auf Stadtanwendung peilt, sei dahingestellt und ist ein wenig wie übers Ziel hinausgeschossen. Echte 22 kW täten es auch. Auch 400 km Reichweite im City-Betrieb, ja, klar, kann man machen, treibt aber den Preis und ist vielleicht etwas "oversized". Für einen Tipo Electric, da würde das passen. Aber der ist einstweilen nicht in Sicht. Ebenso ambitioniert ist das teilautomatisierte Fahren auf Level 2, aber vieles davon für einen City-Flitzer unnötig oder wie Spurassistent oder Abstandstempomat schlicht unnötig - und teuer.

Ein Cinquecento ist nun mal kein Tesla, muss er auch nicht sein. Aber preiswert, das sollte er schon sein.

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