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Ford Explorer elektrisch: Köln statt Chicago!

Der Explorer basiert auf Volkswagens MEB-Architektur – die Ford bestmöglich genutzt hat. Ist der Explorer gar "die bessere ID."?

Optisch schlägt der Elektro-Explorer die Brücke zum größeren Plug-in aus den USA, den er in Rente schickt. | Foto: Ford
Optisch schlägt der Elektro-Explorer die Brücke zum größeren Plug-in aus den USA, den er in Rente schickt. | Foto: Ford
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Gregor Soller

Wechsel nach den Werksferien: Ford nimmt den Explorer aus dem Programm und ersetzt den bärenstarken Fünf-Meter-Plug-in aus Chicago durch: Den Explorer! Der mit dem in den Staaten weitergebauten Giganten null gemeinsam hat, da er auf VWs MEB-Plattform steht und keine 4,5 Meter misst! Wofür er innen trotzdem gigantisch viel Platz bietet und dem US-Explorer in Reihe eins und zwei kaum nachsteht. Dafür übertrifft er ihn bei der Effizienz deutlich. In Sachen Leistung bleibt er etwas dezenter: Gestartet wird mit dem 125-kW (170 PS)-Hecktriebler, den ein permanent erregter Synchronmotor an der Hinterachse antreibt, der dank Haarnadelwicklung eine höhere Leistungs- und Drehmomentdichte entfaltet. Darüber rangiert ein 210 kW (286 PS) starkes Heckantriebsmodell, die Allrad-Topversion leistet mit zusätzlicher Asynchronmaschine vorn 250 kW, was in alter Währung 340 PS entspricht.

Mit 4,46 Meter Länge und knapp 2,8 Meter Radstand stellt Ford den Explorer ziemlich genau zwischen VW ID3 und ID4, wobei der Innenraum sich wegen des aufrechten Charakters – man orientierte sich hier optisch stark am großen Bruder aus Chicago – sich eher an Letzterem orientiert, heißt: Es gibt reichlich Platz für vier große Insassen und dank ebenem Boden wird auch der Mittelplatz im Fond nicht zur Strafbank. Dahinter bleiben 450 Liter kastiger Kofferraum, dessen Volumen sich bis auf gut 1.400 Liter erweitern lässt. Dazu kommt ein kleiner Frunk unter der Haube, der auch das Reifenpannenset beinhaltet.

Flexibles Riesenablagefach mit Nothammer

Leider ist die Rückbank nur geteilt klappbar, lässt sich aber nicht in Lehnenneigung oder in der Länge verschieben. Die eher dezente Flexibilität hier macht Ford dafür mit einer extrem durchdachten Mittelkonsole wett: Sie bietet unter der Armlehne bis zu 17 Liter Stauvolumen, sodass sich in ihr bis zu drei 1,5-Liter und eine 1,0-Liter-Flasche komplett stehend „versenken“ lassen. Davor sitzt ein Becherhalter, den man auch nach ganz vorn packen kann: Holt man sich dann von dort die flache Ablageschale, kann man auch einen 15-Zoll-Laptop in die Mittelkonsole stellen. Und ganz vorn unten wartet tatsächlich ein Nothammer darauf, hoffentlich nie gebraucht zu werden: Sollte es bei einem Unfall einen Totalausfall aller Systeme geben, kann man sich damit theoretisch in die Freiheit hämmern…Und der Raumteiler des Ablagefachs kann im Winter auch als Eiskratzer genutzt werden.

Kluge Idee: Verstellbarer Tresor-Touchscreen

Der eigentliche Clou ist aber der verstellbare 15-Zoll-Touchscreen. Er lässt sich stufenlos um mehr als 30 Grad in der Neigung verstellen. Dank der individuell konfigurierbaren Bedienoberfläche kann der Fahrer schnell zwischen den einzelnen Ansichten und Funktionen wechseln, um beispielsweise die Navigation zu überprüfen, die Temperatureinstellung der Klimaanlage zu verändern oder um die Innenraum-Anmutung seinem persönlichen Geschmack anzupassen. Die Klimatisierung bleibt hier immer in einem Streifen am unteren Rand des Screens stehen und bietet alle Funktionen wie einst die Tasten in erster Ebene – danke dafür! Hier lernte Ford auch vom Partner: Kleine Anekdote am Rand: Im Connect, der seinen Screen samt Touchslidern komplett aus dem baugleichen Caddy übernimmt, sind schon mehrere Ford-Mitarbeiter an der Bedienung verzweifelt. 

Ob der Screen jetzt unbedingt hochkant stehen muss, sei dahingestellt: Im BYD, wo wir die Wahl zwischen Hoch- und Querformat hatten, bevorzugten wir grundsätzlich Letzteres. Laut Ford soll man aber bei der Navigation nach „oben“ so weiter nach „vorn“ schauen können. Grundsätzlich erfreulich sind die riesigen Touchfelder, die sich auch in Fahrt gut treffen lassen sollten. Ebenfalls angenehm: Viele Funktionen wie die Temperatur lassen sich sowohl „touchen“ als auch „sliden“. Der eigentliche Clou ist aber die niedrigste Stellung, in welcher der Touchscreen zu „My Private Locker“ mutiert. Dahinter befindet sich ein weiteres große Ablagefach mit zwei USB-C-Anschlüssen. Dieser in den Armaturenträger integrierte Stauraum schützt private Gegenstände vor neugierigen Blicken. Gut, ist damit kein Geheimnis mehr –aber da der Locker aus einer Stahlplatte besteht, die sich beim Absperren des Autos ebenfalls „sperrt“, würde es Diebe sehr viel Zeit und rohe Gewalt kosten, das Kompartment dann aufzubrechen. Davor findet sich eine induktive Ladestation, die auch zwei Großbild-Smartphones aufnehmen kann.

Und wie bedient sich das nun alles? Nach unseren ersten Eindrücken sehr gut, zumal auch die Haptik und Verarbeitungsqualität einen großen Sprung gegenüber dem eher lässig ausstaffierten Chicago-Explorer darstellt: Auch hier „lernte“ man von VW, wo man die haptische Armut des ID.3 mit dem Facelift gerade nachkorrigiert hat. Ford setzt auf wertige weiche Oberflächen und einen schwebenden „Soundbar“ über dem Instrumententräger, der übrigen ähnlich klein ausfällt wie bei VW. Reicht den Kunden, erklärt Designer Nedzad Mujcinovic, denn man führte vor der Gestaltung ausführliche „Clinics“ durch. Die auch ergaben, dass es kein Head-Up-Display braucht, wenn auf dem Instrumentencluster ordentlich angezeigt wird. Damit schlugen Mujcinovic und sein Team gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits konnte man auf das teure Head-up-Display verzichten, was Kosten spart, weshalb man in Folge auch mit der A-Säule um rund sechs Zentimeter nach hinten rücken konnte, wodurch der Explorer optisch eine viel längere Haube vor sich herfährt als die VW-Modelle. Was ihm auch ein bisschen hilft, optisch an den Ur-Explorer anzuknüpfen, unter dessen Haube der V6 samt E-Maschine Platz finden musste.

Die Optik: Orientiert sich klar am US-Modell

Überhaupt der Explorer: Tatsächlich standen Name und die kastige Optik schon sehr früh fest, weshalb man laut Mujcinovic viel Zeit hatte für feine und gelungene Details: So wird die markante C-Säule der US-Version hier in einem aufwändigen Druck zitiert, ebenso wie die Grafik der Rückleuchten. Es gab auch Ideen, den Explorer optisch Richtung Mustang zu gestalten, was dann aber wieder verworfen wurde. Es gab auch Ideen für eine flacher stehende Heckscheibe, welche aber auch verworfen wurde.

Aussagen in diesem Video müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.

Fahren soll er sich den Umständen entsprechend dynamisch, wobei der Fahrer dafür zwischen den Programmen Normal, Sport, Eco und Individual sowie – beim Allradmodell – Traction wählen kann – im Screen dann je aufwändig mit entsprechenden Hintergründen angezeigt. Die Fahrprogramme sollen sich auch auf das Pedalgefühl, den Lenkwiderstand und die Regelintensität der elektronischen Stabilitätskontrolle (ESC) auswirken – wir rechnen mit einem „leichten“ Heck im Sport-Modus, das auch den Mach-E schon freudig, aber immer beherrschbar über die Hinterhufe kommen lässt. Passend zum versprochenen dynamischen Charakter des neuen Explorer wollen die Ingenieure auch Fahrwerk, Lenkung und ESC entsprechend abgestimmt haben. Hinzu kommen spezielle, eigens entwickelte Reifen. Ihr Vorteil: Sie verbessern nochmals die Handling-Eigenschaften und steigern die maximale elektrische Reichweite, zu der Ford noch keine Angaben macht. Bei den Rädern fährt Ford groß auf: Zwischen 19 und 21 Zoll werden angeboten und auf Letzteren steht der Stromer optisch schon ganz gut stämmig da.

Auch Ford rüstet bei der Assistenz auf

Den Explorer nutzt Ford auch für neue Assistenzsysteme: Die technische Basis liefern zwölf Ultraschall-Sensoren, fünf Kameras und drei Radargeräte, die gemeinsam eine 360-Grad-Rundumüberwachung des Fahrzeugs übernehmen sollen. Sensoren im Lenkrad analysieren zudem die Reaktionen des Fahrers. Stellt der Explorer Aufmerksamkeits-Defizite fest, weisen optische, akustische und haptische Warnungen auf die Ermüdungsgefahr hin – wie hoffen jetzt mal, das Ford die nicht so nervtötend und dauerbelehrend eingestellt hat wie asiatische Marken. Dank dem Assisted Lane Change soll auch beim Explorer ein Antippen des Blinkers genügen, um die Spur zu wechseln. Bewertet das System den geplanten Spurwechsel als sicher, bewegt es den Explorer daraufhin mit einem Lenkimpuls sanft in die Parallelspur, positioniert ihn mit Hilfe der Spurenzentrierung automatisch in der Mitte der Fahrbahn und passt die Geschwindigkeit dem vorausfahrenden Auto an. Die mögliche Maximal-Geschwindigkeit lässt sich dabei manuell oder auch automatisch durch Aktivieren der Verkehrszeichen-Erkennung festlegen. Dank des automatischen Start-Stopp-Systems kann der Explorer in zähfließendem Verkehr bis zum Stillstand abbremsen. Auf Knopfdruck oder durch Antippen des Gaspedals nimmt das Auto die Fahrt selbstständig wieder auf.

Clear Exit warnt beim Öffnen der Türen, falls von hinten Fahrzeuge kommen

Praktisch ist auch der „Clear Exit Assist“: Mit Hilfe von Radar in den Karosserie-Ecken im Heck erkennt das System beim stehenden Fahrzeug, ob sich andere Verkehrsteilnehmer von hinten nähern. Droht eine Kollision, macht das System über optische Hinweise im Kombi-Instrument und im entsprechenden Außenspiegel sowie mittels einer akustischen Warnung auf die riskante Situation aufmerksam. Dies soll die Passagiere davon abzuhalten, die Tür zu öffnen, solange die Gefahr von Zusammenstößen droht. Dabei greift das System greift auf dieselben Radarsensoren zu wie Cross Traffic Alert mit Active Braking, das beim rückwärts Herausfahren aus einer Parklücke oder einer Einfahrt vor möglichen Kollisionen mit querenden Fahrzeugen warnt. Der Rückfahr-Bremsassistent wiederum erkennt Objekte, die sich direkt hinter dem Fahrzeug befinden, mithilfe einer nach hinten gerichteten Kamera. Beim Zurücksetzen mit geringer Geschwindigkeit leitet er einen Bremsvorgang ein, um Beschädigungen zu vermeiden.

Optional: Matrix LED-Scheinwerfer mit unterschiedlichen Lichtkegeln

Die optionalen Matrix LED-Scheinwerfer passen die Fahrbahn-Ausleuchtung automatisch der jeweiligen Verkehrssituation an: Bei Autobahntempo sorgt die geschwindigkeitsabhängige Technologie für einen langen Lichtkegel. Das Schlechtwetterlicht aktiviert sich durch Einschalten der Scheibenwischer automatisch und erzeugt einen breiteren, kürzeren Lichtkegel. Er leuchtet Fußgänger und Radfahrer am Straßenrand besser aus und verhindert bestmöglich das Blenden des Gegenverkehrs.

Bei der Ausstattung geht auch Ford den Weg zu „All-in“, was wiederum den Preisen und Gewinnen nach oben hilft und die Varianten reduziert: Glasdach und Wärmepumpe sind Serie, ebenso wie Sitzheizung vorn. Geplant sind nur zwei Ausstattungen und wenige Optionen, darunter AGR-Sitze, die dann einstellbare statt integrierter Kopfstützen haben. Man darf gespannt sein, wie sehr sich Ford bei den Versionen beschränken kann – hier orientiert man sich im Gegensatz zur Optik weniger in Chicago als vielmehr in Freemont respektive Austin, wo Tesla vormacht, wie man mit Variantenarmut die Kosten im Zaum hält. Gemeinsam ist Model Y und dem Explorer auch ihr Produktionsland: Beide sind immer noch „made in Germany“ – nach den Werksferien startet die Produktion in Köln.

Was bedeutet das?

Viele Kollegen deuteten es bereits an: Der Explorer könnte der bessere „ID“ werden. Er überzeugt mit einem stimmigen Package, stimmigem Design und überzeugender Raumausnutzung – bei trotzdem schicker eigenständiger Optik. Womit er eine absolut attraktive Alternative im Segment der (noch) kompakten Elektro-SUV darstellt. Well done!

 

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