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Ford E-Transit: Heckantrieb und 350 Kilometer Reichweite

Beim E-Transit setzt der jüngst sehr erfolgreiche Vanhersteller nach in Sachen E-Mobilität - und auf ein Package aus großem 67-kWh-Akku, Heckantrieb sowie Schnelllader mit bis zu 115 kW. Aber erst ab 2022.

Brüder im GeistE: Nach dem Mustang Mach-e kommt der E-Transit, gefolgt vom tatsächlich elektrifizierten Urgestein, dem Pick-up F150. | Foto: Ford
Brüder im GeistE: Nach dem Mustang Mach-e kommt der E-Transit, gefolgt vom tatsächlich elektrifizierten Urgestein, dem Pick-up F150. | Foto: Ford
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Redaktion (allg.)
von Johannes Reichel

Ford hat bei einer Web-Präsentation einen ersten Ausblick auf den neuen E-Transit gegeben, der zuerst nach USA und dann ab Frühjahr 2022 auch nach Europa kommen soll. Neben dem Crossover Mustang Mach-e und dem schweren US-Pick-up F-150 Electric ist der Transporter das dritte vollelektrische Fahrzeug des US-Herstellers, der in den nächsten Jahren 11,5 Milliarden US-Dollar in die Elektrifizierung der Modellpalette investieren will.

Beim E-Transit setzen die Ford-Ingenieure auf ein noch komplett unabhängig von der Volkswagen-Kooperaton entwickeltes Antriebsset aus einem äußerst kraftvollen und im Heck platzierten Elektromotor nordamerikanischer Provenienz mit 198 kW Leistung und 430 Nm Drehmoment sowie einem unterflur platzierten Lithium-Ionen-Akku, der 67 kWh an nutbarer Kapazität bietet. Eine kleinere oder größere Batterie ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vorgesehen, man hält die Größe für das richtige Maß für die meisten Anwender, wie ein Entwickler versichert. Ansonsten bleibt übrigens auch der Plug-in-Hybrid, wie er im kleineren Transit Custom verbaut ist, eine Option für die gesamte Transit-Reihe. Die Zellen des Akkus werden im Übrigen in Polen gefertigt, der Akku selbst im Transit-Werk Kocaeli in der Türkei paketiert.

Interessanter Ansatz: Heckmotor und Heckantrieb

Interessant ist vor allem, dass Ford auf ein Heckantriebslayout setzt, was für exzellente Traktion auch im beladenen Zustand sorgen soll. Der Raum unter der frei gewordenen Motorhaube wird allerdings nicht als zusätzlicher Stauraum, sondern für Nebenaggregate zur Kühlung und Komponenten genutzt. Mit dem wohl auch im Hinblick auf den US-Markt groß dimensionierten Energiespeicher soll das Fahrzeug im WLTP-Zyklus bis zu 350 Kilometer weit fahren. Das entspräche einem Verbrauch von 19 kWh/100 km und wäre für dieses Fahrzeugmaß und Tonnage ein enorm günstiger Wert. Ein spezieller Eco-Modus, der die Nebenverbraucher wie die Klimatisierung und Heizung minimiert sowie Tempo und Leistung limitiert, soll acht bis zehn Prozent mehr Reichweite bringen. Auch die sogenannte Vorkonditionierung des Fahrzeugs, das Vorwärmen am Stromnetz soll mehr Effizienz im Betrieb bringen. Eine energiesparende Wärmepumpe wie bei vielen E-Fahrzeugen und auch beim Mustang Mach-e ist beim E-Transit vorerst aber nicht vorgesehen.

Schnell voll: Wahlweise mit 115 kW Gleichstrom-Lader

Geladen wird mittels eines standardmäßigen 11,3-kW-AC-Bordgeräts, optional gibt es einen DC-Lader, der bis zu 115 kW leistet. Mit ersterem sind die Speicher in acht Stunden wieder befüllt, der Schnelllader schafft es von 15 auf 80 Prozent der Akkukapazität in 34 Minuten. Originell ist die Option, den E-Transit auch als mobilen Energiespeicher zu nutzen und Geräte und Werkzeuge mit bis zu 2,3 kW Leistung am Fahrzeug anzuschließen.

In Sachen Konnektivität ist standardmäßig das Ford-Pass-Connect-Modem an Bord, das diverse elektrospezifische Services erschließt, im Rahmen der Ford Telematics Dienste. Zudem will man über die Sparte Commercial Solutions Konnektivitätsfunktionen wie flottenweites Energiemonitoring und -management in Echtzeit ermöglichen. Dazu zählen etwa der Energieverbrauch der Fahrzeuge, die Ladegeschwindigkeit oder die verbleibende Reichweite. Selbstverständlich sind für den E-Transit auch eine GPS-Lokalisation der Fahrzeuge sowie eine Diebstahlwarnung.

Verbessertes Infotainment, Echtzeit-Fahrer-Coaching

Selbstredend ist auch wahlweise das neueste Infotainment namens Sync 4 erhältlich, das mit einem 12“-Touchscreen kombiniert wird und über eine deutlich verbesserte Spracherkennung, cloud-unterstützte Navigation sowie Update-over-the-Air-Funktionalität verfügen soll. Mittels Sync 4 will man auch ein Echtzeit-Coaching für den Fahrer einführen, der etwa bei harschen Brems- respektive Beschleunigungsmanövern, Tempoüberschreitungen oder falls der Gurt nicht angelegt ist, direkt ermahnt wird per Audionachricht. Zusätzlich steht den Fahrern eine App zur Verfügung, mit der sich Routinen wie Fahrzeugcheck oder etwaige Schäden digitalisieren lassen.

Noch mehr Durchblick erhält der Fuhrparkmanager dann mittels Driver-ID mit Identifizierungscode im Fahrzeug, mit der sich die Fahrdaten dann exakt einem Fahrer zuordnen und sich mögliche Sparpotenzial erschließen lassen. Über die Fahrzeugdaten sollen auch die  Servicezeiten optimierbar und Werkstattaufenthalte präziser planbar sein.

Bekannte Fahrerassistenz - auch elektrisch viele Varianten

An Fahrerassistenz verbaut der Hersteller die schon bisher aus dem Modell bekannten Systeme wie intelligenter und adaptiver Tempomat mit Verkehrsschilderkennung, Auffahrwarner, Tot-Winkel-Warner, Spurwechselassistent sowie eine 360-Grad-Kamera mit Auspark-Assistent samt Notbremsfunktion. Der auf Basis des Heckantriebsmodells realisierte E-Transporter verfügt über die identischen 15,1 Kubikmeter Ladevolumen als Kastenwagen, die Nutzlast soll bei 1.616 Kilo für den Kasten und bis zu 1.967 Kilo für das Fahrgestell liegen. Generell will man Kunden in Europa eine breite Auswahl von 25 Modellen bei der E-Version bieten, die vom Fahrgestell über Doppelkabiner, verschiedene Radstände, Längen und Dachhöhen bis hin zu einer Heavy-Duty-Variante mit bis zu 4,25 Tonnen Gesamtgewicht reicht. Ein Allradantrieb ist im Elektro-Konzept allerdings nicht vorgesehen.

Wie üblich bei E-Antrieben gewährt auch Ford eine Garantie von acht Jahren und über 160.000 Kilometer auf die Batterie und die Hochvoltkomponenten. Zudem verspricht der Hersteller für die Elektrovariante um bis zu 40 Prozent reduzierte Gesamtbetriebskosten im Vergleich zum Diesel, gerechnet über drei Jahre und 180.000 Kilometer. Sie sollen sich nicht zuletzt aus nicht zuletzt aus den niedrigeren Service- und Wartungskosten ergeben. In ersten Piloteinsätzen, die 2021 starten sollen, will man diese Werte auch in der Praxis überprüfen.

„Die Elektrifizierung eröffnet den Kunden neue Wege, ihre Flotten effizienter zu gestalten. Der E-Transit soll mit großer Erfahrung, einem Händlernetzwerk sowie einem Ökosystem aus digitalen Werkzeugen helfen, das Potenzial der Elektrifizierung in reale Geschäftsmodelle zu übersetzen“, warb Hans Schep, Ford-Nutzfahrzeugchef Europa für den neuen Transporter.

Was bedeutet das?

Man versteht ja schon, dass Ford schon mal einen Pflock einrammen will gegenüber den Wettbewerbern: Nicht nur, dass VW/MAN mit dem e-Crafter und Renault mit dem Master Z.E. sowie zuletzt Mercedes mit dem eSprinter längst in der Klasse der 3,5-Tonnen-Transporter elektrisch aktiv sind. Auch PSA hat ja E-Versionen des Boxer/Jumper für 2021 avisiert und Fiat macht Druck mit dem Ducato Electric. Aber dass man quasi eineinhalb Jahre, bevor ein Modell auf den Mark kommt, den Startschuss drückt, das ist schon arg früh. Klar, man muss die Ford-Kunden bei der Stange halten. Trotzdem ist der Hersteller in Sachen reiner Elektrifizierung eher spät dran. Das Plug-in-Hybrid-Konzept mit Range-Extender im Kompaktvan Custom hat uns nicht wirklich überzeugt, zu gering ist die EV-Reichweite, zu groß die Kompromisse und zu hoch der Preis. Man kann nur hoffen, dass Ford hier beim E-Transit ein "preiswertes" BEV-Package schnürt.

Das technische Konzept mit Heckantrieb lässt schon mal aufhorchen - und deutet einen elektrischen Achsantrieb an. Wenn die WLTP-Werte stimmen, wäre der Verbrauch von 19,1 kWh/100 km sensationell für diese Größe, ebenso die Reichweite mit einem netto 67 kWh großen Akku, der brutto um die 75 kWh bieten dürfte. Diese Einheitsgröße ist sicherlich vom US-Markt und der "Supersize"-Mentalität her motiviert, viele hiesige Kunden würden wohl auch mit der Hälfte über die alltäglichen, aber nicht zu langen Lieferrunden kommen. Ob der Fahrer aber ohne effizienten Wärmetauscher glücklich wird und ob das 2,3-kW-Power-Outlet nicht mehr ist als ein reichweitenzehrender Gag, wird man abwarten müssen und hängt stark vom Einsatzprofil ab. Mal sehen, ob Ford in Sachen Akkuformat noch mal nachbessert. Ist ja noch genug Zeit, bis zum wirklichen Marktstart, dem erst einmal die üblichen Piloteinsätze voraus gehen. Zeit wird's für die Elektrifizierung. Immerhin: Ford, die tun was - wenngleich spät.

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