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Fahrpräsentation Cadillac Lyriq: Aufrüttelnd!

Die erste Fahrt mit dem Lyriq überraschte uns in mehrfacher Hinsicht – vergessen Sie vieles, was Sie mit dem Namen Cadillac verbinden!

Der Lyriq kann eine Alternative für Künstler, Designer oder Architekten sein. | Foto: G. Soller
Der Lyriq kann eine Alternative für Künstler, Designer oder Architekten sein. | Foto: G. Soller
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Gregor Soller

Unsere erste Fahrt im Lyriq fand bereits statt: Im Fond in Paris auf dem Weg zur Optiq-Präsentation. Damals hatten wir viel Platz und bequeme Sitze, deren Kopfstützen allerdings viel zu weit vom Haupt entfernt waren. Kleine „Lässigkeiten“ wie diese machen US-Modelle nach wie vor aus, dazu später noch mehr.

Der Lyriq wird seit 2022 im US-Bundesstaat Tennessee gebaut, wo GM auch seine Akkumontage und Ultium-Plattform herstellt. Tennessee? Ja, kennt man jetzt eher vom dortigen, speziell gebrannten Whiskey, vor allem Jack Daniels, aber für US-Fans immer noch besser als Mexico oder China, von wo aus GM mittlerweile auch fleißig Autos nicht nur in die USA importiert…

Die Türen schließen satt und innen gibt es viel Platz für vier (oder fünf)

Wir nehmen vorn Platz, schließen die Tür, die satt ins Schloss fällt wie das bei einem Premium-Burgtor sein muss! Und blicken auf eine sauber verarbeitete Armaturenlandschaft, die mit 44-Zoll-Screen in sauberer 9K-Aufklösung auch in jedem deutschen oder asiatischen Premium so ähnlich gestaltet worden sein könnte. Das Google-basierte System kann Android Auto wireless, für Apple Car Play fordert es allerdings eine Kabelverbindung…doch wenn man sich mit dem Auto connected, wirft es einem die Routenplanung samt exakter Ladeplanung mit Stauverzögerungen gleich aufs I-Phone.

 Im Gegensatz zu den deutschen Herstellern hat der Lyriq allerdings nie die Karte in der Hinterhand, wodurch automatisches Verzögern vor Kreiseln oder Kreuzungen das Fahren noch angenehmer machen würde, könnte aber mit „Supercruise“ als Update over the air kommen. Besser klappt das schon mit dem Abstandstempomaten, auch wenn der das Auto gern sehr nah auflaufen lässt. Sodass wir feststellen müssen, dass die Digitalisierung im Lyriq noch Luft nach oben hat.

Das Fahrwerk? Europäisch im besten Sinne

Dafür fährt und federt er fein – grobe Unebenheiten werden trocken „überploppt“, wobei Cadillac unserer Meinung nach einen guten Kompromiss aus Straffheit und Komfort fand. Auch hier orienteirte man sich klar an den Euro-Premiums. Auch der Lyriq fährt sich gefühlt leichter als er ist. Die Lenkung ist um die Mittellage angenehm straff, was sich bei größeren Einschlagwinkeln und höheren Tempi allerdings etwas verliert. Bis zum Toptempo – bei Tacho 216 km/h wird abgeregelt – wird er dann auch etwas nervöser, trotzdem lassen sich gut schnelle Schnitte fahren.

Dabei sitzt man auf bequemen und straffen Sitzen, die vorn aber gern eine ausziehbare Oberschenkelauflage bieten dürften und im Fond, wie bereits erwähnt, ergonomisch sinnvoll angeordnete Kopfstützen. Der Innenspiegel kann für große Fahrer nicht weit genug nach oben gestellt werden. Also umschalten auf den Kamera-Mode, was auch nachts hilfreich ist, dann klappt das. Ergonomisch scheinen hier ein paar Punkte einfach mit „accepted“ durchgewunken worden zu sein… Aber: Das verstellen und klimatisieren der Sitze sowie Massagen wählt man komplett in der Türtafel aus und muss dazu nicht in irgendwelche Menüs abtauchen, danke dafür!.

Beim Schulterblick nach schräg hinten hilft das dritte Seitenfenster in der C-Säule und notfalls ein Totwinkelwarner, der die ganze Sitzfläche massiv vibrieren lässt. Und das passiert im Alltag gar nicht so selten! Problem dabei: Man kann die Warnung nicht immer sofort verorten. Einmal tauchte dann neben uns auf einmal eine Dame aus dem toten Winkel auf, die wir tatsächlich komplett übersehen hatten. Auch hier rüttelte die Sitzfläche, aber wir konnten nicht zuordnen weshalb. Grundsätzlich ist das Rütteln im wahrsten Sinne des Wortes „aufrüttelnd“, aber eine Unterstützung zur Einordnung des Grundes wäre hilfreich.

Praktisch viel Platz innen – dank 3,09 Meter Radstand und großem Kofferraum

Man merkt also schnell: Der Lyriq orientiert sich zwar sehr strikt an internationalen Standards, im Detail lassen es die US-Amerikaner aber dann doch immer lässig angehen. Praktisch ist auf jeden Fall der riesige Kofferraum mit großer Heckklappe, der 588 bis 1.687 Liter Ladevolumen bietet. Hier wäre natürlich auch Gelegenheit gewesen, hier mit einer neigungsverstell- und verschiebbaren, dreiteiligen Rücksitzkonfiguration einen Meister der Flexibilität auf die Räder zu stellen, was in diesem Segment aber grundsätzlich eher negiert wird. Das Kabel kann man in ein tiefes Unterfach ganz im Heck versenken oder an die Seite packen, für einen Riesenfrunk wie bei Tesla hat es leider nicht gereicht.

 

Cadillac-unique ist dagegen die Auskleidung der unteren Mittelablage: grellblau oder –rot, sowie der mittlerwen Schublade, die die Amerikaner ebenso farbenfroh auslegten. Auch sehr eigen ist das kleine Rekupaddel an der linken Lenkradspeiche, mit dem sich die Stärke der Rekuperation einstellen lässt – von sanft bis ganz stark, stufenlos. Kann man machen, macht auch Spaß, dafür gibt es sonst keine Voreinstellung der elektrischen Energierückgewinnung.

Der Verbrauch ist für die Größe noch angemessen

Hilft das beim Sparen? Nun ja, mit gut 2,5 Tonnen Leergewicht, 373 kW und fünf Meter Auto ist das nicht so leicht: Wir verbrauchten je nach Fahrweise nach Anzeige 20,4 (brutto gut 22,4 kWh/100 km) bis 32,3 kWh/100 km (brutto eher 35,8 kWh) nach einer längeren Autobahnhatz. Im Winter dürfte es noch mehr werden, aber wer von 25 kWh/100 km plusminus x ausgeht, dürfte nicht so falsch liegen. Damit würde der 102-kWh-Akku knapp 400 Kilometer reale Reichweite bieten. Geladen werden kann mit bis zu 190 kW DC, aber immerhin mit bis zu 22 kW AC.  

Und so strömen wir dahin in einem gefühlt dann sehr europäischen Auto, das nicht an die geschliffene Perfektion der deutschen Premiums heranreicht und stattdessen als „All-in-Angebot“ kommen soll: Außer Farben, Dachbox und Anhängekupplung für bis zu 1,6 Tonnen Zuglast lässt sich nix dazukonfigurieren. Man wählt „Luxury“ oder „Sport“ - Letzteren mit weniger Chrom, die Farbe, fertig!

Der Preis geht mit All-in-Ausstattung schwer in Ordnung, aber das Händlernetz ist viel zu dünn

Sowohl die Luxus- als auch die Sportversionen sind bei 10.000 Euro Anzahlung ab 750 Euro im Monat für eine Leasingdauer von 48 Monaten und 15.000 km pro Jahr verfügbar. Die Rate deckt die Fahrzeugwartung für die gesamte Leasingdauer mit ab.

Alternativ gibt es bei Order bis 30.9.2024 dieses Angebot: 973 Euro pro Monat, die auch die Fahrzeugwartung für die Dauer des Leasings beinhalten (das Angebot gilt für eine Leasingdauer von 48 Monaten, 10.000 km pro Jahr, mit einer anfänglichen Anzahlung von 8.000 EUR).

Aktuell liegt der Anteil an gewerblichen Zulassungen (was eher Einzelzulassungen sind, keine Flotten), rund 70%, perspektivisch geht man jedoch von rund 80% aus. Wofür ein viel dichteres Händlernetz wichtigst wäre, denn aktuell hat man drei Niederlassungen. In München kümmert sich US-Experte Geigercars um den Lyriq, der eher für Camaro, Mustang, Challenger oder Ram bekannt ist, in Berlin das Autohaus Kramm und in Frankfurt das Autohaus Brass. Aber Marktpräsenz und Servicenetz sollen „kontinuierlich ausgebaut“ werden. Wie schnell und wie viele Händler es dazu braucht, will uns der Chief Marketing Officer Europe, Jean-Pierre Diernaz nicht verraten. Er erklärt nur, dass man dafür einen langfristigen Plan hat: „Wir sind GM, wir haben Zeit“, erklärt er. Die nahm sich Cadillac auch gründlich, um vom deutschen Markt zu verschwinden: 2023 wurden laut KBA ganze 217 Cadillac XT4 zugelassen…weniger als halb so viele wie vom Fisker Ocean mit 494 Einheiten…bis Juli 2024 schaffte Cadillac 2024 bisher 131 Einheiten – da ist noch viel Luft und Lyriq nach oben.

Was bedeutet das?

Im Gegensatz zum bald folgenden kompakteren und deutlich europäischer gestylten Optiq dürfte der Lyriq vor allem Individualisten ansprechen. Wer nahe der Händler wohnt, kann sich auf das Wagnis einlassen, für alle anderen gilt: Das beste Produkt aus Tennessee bleibt Jack Daniels Whiskey…

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