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Fahrbericht Tesla Cybertruck AWD: Endzeitauto fürs Handwerk?

Kommt er nun oder kommt er nicht nach Europa? Seit Jahren wurde über kein Auto mehr diskutiert, als über den Tesla Cybertruck. Wir haben mit dem elektrischen Endzeit-Offroader eine Tour durch die Everglades gemacht und wissen nach wie vor nicht, was wir von dem Pick-Up halten sollen.

Mit dem Cybertruck kann man auch dann noch arbeiten, wenn Straßen überschwemmt sind, Wälder brennen oder oder - das vermitteln jedenfalls Optik und Kommunikation des Cybertruck. | Foto: B. Filser
Mit dem Cybertruck kann man auch dann noch arbeiten, wenn Straßen überschwemmt sind, Wälder brennen oder oder - das vermitteln jedenfalls Optik und Kommunikation des Cybertruck. | Foto: B. Filser
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Redaktion (allg.)

Teslas Cybertruck polarisiert – auch in den USA und das ständig: Optisch eine Mischung aus rollendem Geodreieck, Offroad-Pick-Up und Mad-Max-Filmauto ist der knapp 5,70 Meter lange Cybertruck nichts für Schöngeister und selbst ausgemachte Tesla-Jünger tun sich mit dem grobschlächtigen Kantholz auf mächtigen 285er-Offroad-Pneus schwer. Selbst im Süden Floridas, wo selbst ein pinker Lamborghini Aventador oder eine grellgrüne Mercedes G-Klasse niemandem auffällt, drehen sich Fußgänger und Autofahrer gleichermaßen nach dem Elektro-Pick-Up um.

In den Everglades findet man eher Alligatoren als Ladepunkte

Es geht in die Everglades und da dort die Ladesäulen seltener sind als die Stationen für die Alligator-Touren, empfiehlt sich ein Ladestopp am letzten Supercharger vor den Everglades am Kendall Village Einkaufszentrum. Mit etwas suchen öffnet sich die Ladeklappe gut versteckt im Plastikradlauf hinten links.

Das cleane, kantig-großflächige Design innen wie außen ist allemal eine Schau - führt aber auch zu einer umständlichen und nicht ganz intuitiven Bedienung. Dies zeigt sich bei der versteckten Ladeklappe ebenso wie bei den Türen ohne Türgriff. Hier heißt es zunächst eine Sensortaste an der B-Säule drücken, bevor die Tür einen Spalt aufspringt und man an die Türkante greifen kann, um die Tür dann zu öffnen. Warum dieser Umstand? Denn das Ergebnis sind mehr Handabdrücke an allen vier Türen wie am heimischen Edelstahlkühlschrank. Was die äußere Optik schnell dezent verunziert. Ebenso, wie sich Staub und Schmutz über die Zeit dezent in die Edelstahlhülle einarbeiten. 

Innen ist der Cybertruck kaum gefälliger als von außen. Die Bedienung: typisch Tesla, aber eben auch etwas gewöhnungsbedürftig. Da es nur ein paar Knöpfe am Lenkrad gibt, muss fast alles über das 18,5 Zoll große Display in der Mitte gesteuert werden – vom Scheibenwischerintervall bis zu den Lüftungsdüsen, die vorne und hinten elektrisch angesteuert werden. Im Fond blicken die Insassen auf einen gerade einmal 9,4 Zoll großen Bildschirm.

Die offene Pritsche kostet 25 Meilen Reichweite - im Idealfall immer Rollo schließen!. 

Mit einem Ladestand von 95 Prozent geht es mit offener Ladefläche los in Richtung Süden. Schnell informiert uns das Display, dass sich die Reichweite auf Grund schlechterer Aerodynamik um 25 Meilen verringert – wie aufmerksam. Daher schließen wir das elektrische Laderaumrollo wieder und gewöhnen uns daran, dass man durch den Innenspiegel keinerlei Sicht mehr nach hinten hat. Wie im Lkw halt...Wirklich staubempfindliches Ladegut sollte besser mit in den Innenraum, weil die geschlossene Ladefläche nicht komplett dicht ist. Platz ist auch für größere Gegenstände genug vorhanden - zum Beispiel unter der Rücksitzbank.

Auf der Pritsche finden durch das Volumen von über 3.400 Litern große Gegenstände ausreichend Platz und mit geschlossener Jalousie geschützt vor neugierigen Blicken und allzu schnellem Zugriff. An den Steckern lassen sich elektrische Geräte aller Art vom Wasserkocher bis zur Bohrmaschine anschließen. Und die Zuglast liegt bei 5.000 Kilogramm. Damit lässt sich also arbeiten, auch wenn wir auf unserem vorherigen Trip quer durch die Staaten den Eindruck hatten, dass die Handwerkerquote, die den Cybertruck als "Arbeitsgerät" nutzt, eher gegen null geht - und die meisten Lenker einfach was noch auffälligeres als eine grellgrüne G-Klasse suchten.

Mit gut 300 Meilen Reichweite geht es auf der US-41 W erstmal 20 Meilen geradeaus ins Herz der Everglades. Perfekte Bedingungen für den viel diskutierten Tesla Autopilot – eigentlich. Dieser ist aktuell für den Cybertruck noch nicht verfügbar - nicht einmal ein Abstandstempomat. Nicht so schlimm wie befürchtet, denn spätestens auf der Schotterpiste der Loop Road im Big Cypress National Preserve hätte der Autopilot ohnehin kapitulieren müssen. Was auffällt ist, dass dieses über drei Tonnen schwere Elektromonster sich überaus komfortabel fährt. Das Um- und Durchfahren der zahllosen Schlaglöcher meistert der Tesla ungemein lässig und entspannt. Bis auf die allzu laute Allradlenkung (nach 15.000 Meilen Laufleistung) ist die Geräuschkulisse des Tesla Cybertruck auf Wohnzimmerniveau. Tatsächlich gibt es am Fahrverhalten wenig zu kritteln - für einen Drei-Tonnen-Pickup fährt er sich fast schon sportlich.

Der XXL-Scheibenwischer ist so groß, dass seine Aktivierung im ganzen Auto zu spüren ist!

Für die nötigen Offroadgefühle wird kaum eine Pfütze und kein Dreckloch ausgelassen: eine harte Prüfung für den XXL-Scheibenwischer. Dieser aktuell größte Wischer eines Serienfahrzeugs ist so groß und massiv, dass bei jedem Richtungswechsel ein Impuls an die Karosserie weitergegeben wird. Das spürt man selbst hinter dem Steuer. Es geht weiter durch dschungelähnliche Wälder, über zahllose Brücken und vorbei an vielen Touristen, die den vorbeifahrenden Cybertruck auf einmal interessanter als die spektakuläre Natür der Everglades finden und die Handykameras zücken.

 

Selbst in den USA hat dieses Raumschiff noch immer Seltenheitswert, immer wieder. Beim nächsten Fotostopp werden wir von einem Deutschen angesprochen:

"What car is this?"

Der Urlauber habe so etwas noch nie gesehen, nicht mal auf Bildern. Das wird nebst Fotosession nunmehr nachgeholt. Auffällig auch der  ausgefallene LED-Lichtbalken vorne und die harten Kanten der Edelstahlbleche. Ja, genau, mit Euro-NCAP eckt der Cybertruck hier an...im wahrsten Sinne des Wortes.

Für einen 5,7-Meter-Pickup hat er ein knackiges Fahrverhalten

Zurück nach Norden in die Zivilisation fällt der Cybertruck kaum weniger auf als in den Everglades. Wieder in der Zivilisation angekommen, dürfen angesichts Allradantrieb und 450 kW / 612 PS ein paar kernige Ampelstarts nicht fehlen. Die Beschleunigung ist für einen derartigen Koloss allemal beeindruckend, denn bei Vollgas geht es in 4,5 Sekunden bis auf 100 km/h. Durch die Allradlenkung fährt sich der Cybertruck zudem deutlich handlicher als man es bei 5,70 Metern Länge hätte erwarten können. Rangieren und Einparken erfolgen gleichermaßen mühelos, doch angesichts der Gesamtbreite von 2,40 Metern dürfte es in Europa im Cityalltag oder in Baustellen ungemütlich werden.

Nach vier Stunden Fahrzeit und 125 Meilen ist der Supercharger in Coral Terrace, einem südlichen Stadtteil von Miami, erreicht. Der Batteriestand zeigt 52 Prozent an. Die Reichweite ist solide, wenn man bedenkt, dass die Klimaanlage angesichts von 35 Grad Celsius und der hohen Luftfeuchtigkeit die ganze Zeit durchlief. Tesla verspricht bei seinem Lademeister Dank 800-Volt-Technik ein Nachladen von bis zu 135 Meilen in 15 Minuten an einem entsprechenden Supercharger der neuesten Generation.

Ein rollendes Einhorn ist der Cybertruck übrigens auch im Süden Floridas nicht mehr. Den ganzen Tag über gab es vier Begegnungen mit anderen Cybertrucks. Man grüßt sich noch untereinander. Das hat allemal etwas Gemeinschaftliches im sonst unpersönlichen, amerikanischen Straßenalltag. Und während ich bei der Ladepause mit meinem Beifahrer eine Wendy´s-Limonade trinke, ertappe ich mich dabei, mir auszumalen, wie es wäre, einen trotz schlechter Übersichtlichkeit für handwerkliche Arbeiten gar nicht so unpraktischen Tesla Cybertruck zu kaufen, sollte sich mein Lebensmittelpunkt in die USA verlagern. Arbeiten an den dort in der Regel einfach zusammengezimmerten Holzhäusern samt ihrer Vorgärten könnte man mit ihm sicher gut voranbringen.

Absatzseitig gerät der Pick-Up-Neuling bereits schon mächtig unter Druck, denn die endlosen Wartezeiten sind Vergangenheit und die einstigen Aufpreise für eine schnellere Lieferung verpuffen. Selbst Tesla-Fans berichten von einem Neupreisverfall von bis zu 10.000 US-Dollar pro Woche. Von den Schwarzmarktpreisen über 150.000 US-Dollar ist nichts mehr zu spüren und so geht es für die Basisversion des Cybertruck AWD bei exakt 99.990 US-Dollar los. Womit Elon Musk gegenüber den ursprünglichen Ankündigungen ohnehin wieder mehrere zehntausend Dollar draufgelegt hat. Zu viel für viele echte Handwerken, denn mit Steckdosen für Powertools können mittlerweile auch Verbrenner-Pickups wie der Ford F-150 dienen. Und der startet dort bei 38.610 Dollar vor Steuern und zieht über 6,5 Tonnen... Die Wartezeit für den Cybertruck liegt aktuell bei nicht einmal acht Wochen.

Was bedeutet das?

Ja, der Cybertruck fällt auf und wird das immer tun - sogar mehr als ein De Lorean. Aber wenn alle Poser mal einen haben, wird es schwer sein, Handwerker und Flotten zu überzeugen, ihn statt einem F-150 (Lightning) oder Co. zu kaufen. Außer sie wollen "posen". Denn wenn es um harte Dollars geht, hat das rollende Geodreieck eher schlechte Karten. Weshalb auch wir uns am Ende unserer Tour irgendwie schwer tun damit...

Den Cybertruck fuhren für uns Bernhard Filser und Stefan Grundhoff von press-inform

Technische Daten: Tesla Cybertruck AWD

Motor: Elektro vorn / hinten

Leistung: 450 kW / 612 PS

Max. Drehmoment: über 1.000 Nm

Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h

Beschleunigung 0 – 100 km/h: 3,0 Sekunden

Länge / Breite / Höhe: 5,68 / 2,41 / 1,79 m

Reichweite: bis zu 550 km

Ladegeschwindigkeit DC: bis zu 250 kW

Antrieb: Allrad

Leergewicht: 3.050 kg

Preis: ab 99.990 US-Dollar

 

 

 

 

 

 

 

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