Fahrbericht Porsche Taycan Turbo GT: Hypercar mit vier Türen
Der Einstieg beim Hypercarhersteller Rimac trägt Früchte. Denn mit der Überarbeitung hat Porsche sein Taycan-Programm erheblich gestärkt, bis zu 35% Reichweitenzuwachs gefunden und es bei der Gelegenheit neu geordnet: Der mittig im Programm positionierten GTS flog raus, dafür baute man oberhalb des Turbo S mit dem Turbo GT an.
Hyper hyper: Mit dem Turbo GT reißt der Taycan die 1.100-PS-Marke
Der ist bis zu 815 kW (das sind in alter Währung 1.108 PS) stark, bietet bis zu 1.340 Nm Kraft und sprintet in 2,3 Sekunden auf 100 km/h, in 6,6 Sekunden auf 200 und wird erst bei 290 km/h eingeregelt. Und weil man jetzt ohnehin schon so nah an diversen elektrischen Rekordfahrzeugen auf der Nordschleife oder in Laguna Seca dran war, dachte man erst heimlich, dann offiziell darüber nach, deren Rekorde zu unterbieten. Was zum „Weissach-Paket“ führte: Mit stehendem Heckflügel statt dem dezenten Guerny-Flap, die Rückbank flog raus, die Scheiben ersetzte man durch Leichtbauglas und innen gibt es mechanisch verstellbare Vollschalensitze vom 918 statt der Sportsitze.
Auf der Rennstrecke holt man mit dem Weissach-Paket dank stärkeren Abtriebs stellenweise bis zu 25 km/h!
Sodass man 75 Kilogramm sparte und dank der Aeromaßnahmen auf manchen Abschnitten bis zu 25 km/h schneller fahren kann als mit dem 700 kW starken Turbo S, der mit seinen umgerechneten 952 PS noch brav im dreistelligen Bereich bleibt…die extra leistung holt man übrigens über einen geänderten Siliziumkarbid-Wechselrichter, der 900 statt 600 Ampere Stromstärke aufbringt und hier nochmal für einen kleinen aber feinen Boost sorgt. Kostet mit 240.000 Euro brutto 30.100 mehr als der Turbo S und die Frage ist, braucht man das?
Objektiv gesehen natürlich überhaupt nicht, aber Porsche lässt natürlich auch beim Taycan mal einen Versuchsballon starten, wie sich so ein „Top-GT“, der beim 911 als GT3 oder GT3 RS auch immer das geheime Top- oder wahre Fanmodell ist, je nach Sichtweise. Gut, starten wir beim Start des Circuito Monteblanco, einem 2007 eröffneten Privatrennkurs im spanischen Palme des Condado bei Sevilla, der immer öfter von Autoherstellern für genau solche Fahrpräsentationen gebucht wird. Unter der Woche Lang- am Wochenende Rundstrecke, das ist das Motto des Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket. Wir stehen voll auf Gas und Bremse und für die Launch-Control müssen 760 kW respektive 1034 Nm im Overbost reichen. Auf der Strecke kann man das durch den Attack-Mode steigern, den man sich per rechtem Paddel-Hebelchen dazuzupfen kann.Maximalm sind für zwei Sekunden dann bis zu 815 kW verfügbar, nach der Peak-Power-Messmethode gemessen. Denn wie auch die Verbrenner stellen die E-Maschinen ihre Höchstleistung nicht dauerhaft zur Verfügung.
Von 0 auf 100 km/h schneller als Sie diese Zeile lesen können
Fuß von der Bremse und es geeeeeeeht los! In 2,2 Sekunden ist die Digitalanzeige auf 100, in 6,4 Sekunden auf 200 km(h gezuckt und unsere Mundwinkel zog es vor grinsen fast bis an den Hinterkopf…bevor wir ganz hart bremsen müssen, da dann eine ganz scharfe Rechtskurve folgt.
Und hier spürt man leider schon deutlich das Gewicht des Taycan, der dank Weissach-Paket zwar 75 kg abspeckte, aber mit 75-kg-Fahrer eben immer noch 2295 Kilogramm wiegt…die Bremse selbst hat Porsche dabei, nun sagen wir „gewöhnungsbedürftig“ ausgelegt: Erst eher weich, fast schon ins Matschige tendierend, dann plötzlich sehr bissig. Was auch daran liegen mag, dass man erst mal die volle Rekuperation reinwirft - es kann mit bis zu 400 kW Energie zurückgeholt werden – bevor dann die Keramik-Leichtbaustopper böse beißen, auch sie natürlich gewichtsoptimiert, allein an Bremsscheibentopf und -sattelgehäuse fanden die Ingenieure nochmal zwei Kilogramm…
Die Bereifung macht einen massiven Unterschied: Auftritt oder besser „Aufgrip“ Pirelli Trofeo RS
Doch dann groovt man sich sehr schnell ein und freut sich an der sonst extrem feinen Balance, die laut Entwicklungs-und Rekordfahrer Lars Kern der Hauptvorteil gegenüber den scharfen 911ern ist und der Hauptgrund, warum Kern denen den Taycan auf manchen Strecken vorziehen würde. Wobei es grundsätzlich immer ein Vorteil ist, wenn die lange Geraden haben, auf denen sich der Stromer schneller auf Speed zoomen kann als Verbrenner. Dafür drücken in Kurven die 2,3 Tonnen auch hier merklich aufs Temperament. Was sich auch dadurch äußert, dass der serienmäßig mit Pirelli P-Zero-R Pneus besohlte Taycan bei (zu) hohen Geschwindigkeiten dezent über die Vorderachse schiebt, auch wenn das Torque-Vectoring-Plus-System samt Hinterachssperre alles dafür tut, das Einlenken zu unterstützen. Einige Kollegen von uns fuhren dann mit dem Semislick Trofeo RS und siehe da – plötzlich biss sich der Taycan in den Kurven nochmal ganz anders fest oder wie es Lars Kern formuliert: „Mit dem Trofeo RS kann der Taycan Grip aufbauen, wo eigentlich gar keiner sein kann.“
Die Reichweite? Bis zu 555 km wenn man brav fährt, keine 155 auf dem Racetrack
Und stechen wir Runde um Runde immer flotter durch die feine Strecke und rechnen all das im Kopf schon auf den elektrischen 718 Boxter runter: Wenn man jetzt die Technik in ein kleineres Auto mit kleinerem Akku…ja, dann wird ein Schuh draus, auch wenn uns Entwicklungsfahrer Kern ernüchtert erklärt: „Auf absehbare Zeit werden wir hier keinen elektrischen 1000 oder 1300-Kilo-Racer zusammenbringen, dafür wiegt die Akkutechnik einfach zu schwer.“ Klar, hier hängen 97 kWh Kapazität drin und die allein wiegen immer noch 615 statt 634 Kilogramm. Und würden bei einem Race-Durchschnittsverbrauch von gut 65 kWh/100 km gerade mal für gut 149 Kilometer oder hier 33 Runden reichen. Wobei ein gut getretener GT3RS hier so viel weiter auch nicht käme…
Nach dem Adrenalinboost fahren wir eine Abkühlrunde und statt dem Auspuff klickern auf in der Boxengasse einige Steinchen in den Radhäusern. Theoretisch könnten wir jetzt direkt weiter auf die Straße, wo der Taycan GT mit abtriebstarkem Weissach-Paket bei einem Verbrauch von 20,6 bis 21,3 kWh/100 km 538 bis 555 Kilometer weit kommen würde. Bei Bedarf wäre der Akku im Idealfall auch binnen 18 Minuten wieder von 10 auf 80% SOC geladen und es könnte weitergehen. Runde um Runde, immer wieder.
Am Ende überlassen wir jedem, selbst die Entscheidung, ob man sowas braucht. Fakt ist: Mehr als vier Turbo GT kann Porsche pro Tag ohnehin nicht bauen und das natürlich fragwürdige Wettrüsten in der E-Mobilität würde mit dem Ausstieg Porsches auch nicht enden.
Lars Kern sieht das sportlich: Denn es gäbe eben auch andere gute Hersteller, die hier zuletzt stark vorgelegt hätten und diese Herausforderung müsse man als sportlich geprägte und wettkampforientierte Marke einfach annehmen. Zumal man eben genau bei Entwicklungen wie diesen immer auch wieder Ideen findet, die nicht nur im Fast-Hypercar Taycan GT fruchten, sondern auch auf das übrige Volkswagen-Konzernprogramm übertragen werden können. Aus Weissach in die Welt sozusagen. Und nachdem man jetzt auch Innovator Mate Rimac an Bord hat, ist durchaus schnell oer manchmal auch sehr schnell mit weiteren Innovationen zu rechnen.
Was bedeutet das?
Wie schnell der Fortschritt in der E-Mobilität voranschreitet kann man auch am Porsche-Taycan-Facelift ablesen: Während das neue Topmodell um 77%(!!!!) erstarkte fand man bis zu 35% zusätzliche Reichweite. Womit sich der Taycan Turbo GT Richtung Hypercar entwickelt und nebenbei übrigens den Rekord des stärksten je gebauten Porsche ever einstellte: Der für die vogelwilde Can-Am-Serie eingesetzte 917/30 leistete 1973 unglaubliche 1.100 PS – und verbrauchte übrigens zwischen 76 und 97 Liter Super auf 100 km…weshalb er einen 400-Liter-Tank mit sich führte, der gefüllt schon bald so viel wog wie der Akku des Taycan Turbo GT…
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