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Fahrbericht Peugeot e-208: Eine Plattform, zwei Welten, keine Frage

Mit der Vorstellung des neuen 208 gibt Peugeot dem Kunden die Wahl zwischen Diesel, Benziner oder reinem Elektroantrieb. Doch der Stromer fährt sich wie ein eigenes Modell, gefällt mit top Performance, guter Reichweite und identischem Raumangebot. Der Verbrenner sieht da fast "alt" aus.

Geschmeidiger Stromer: Die ersten 100 Kilometer im e-208 gingen VM-Redakteur Reichel flott von der Hand. | Foto: R. Lüders
Geschmeidiger Stromer: Die ersten 100 Kilometer im e-208 gingen VM-Redakteur Reichel flott von der Hand. | Foto: R. Lüders
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Johannes Reichel

Man muss spontan an die alten Werbeslogan „Ich bin zwei Öltanks“ denken, wenn man vom Verbrenner-Modell des 208 in die Elektrovariante umsteigt. Speziell zum Basis-Benziner mit 75 PS in der zweituntersten Ausstattungsvariante ist der Kontrast drastisch. Es ist "Fahren 4.0", wie sich der französische Vollelektriker um den kurvigen Landstraßenparcours zirkeln lässt. Mit dem raffiniert in H-Form statt als Block unterflur verbauten 50-kWh-Lithium-Ionen-Akku mit CATL-Zellen, die 340 Kilo wiegen und netto für etwa 300 Kilo Mehrgewicht sorgen, liegt der 1,5 Tonnen schwere e-208er spürbar satter und erwachsener auf der Straße. Das Fahrwerk wurde selbst gegenüber der sportiven GT-Line, die als Benziner mit EAT8-Automatikgetriebe allenfalls näherungsweise so viel Fahrspaß bietet, nochmal angepasst. Vorne sind bei beiden Mc-Pherson-Konstruktionen verbaut, hinten sorgt beim Elektro-Kompaktwagen aber ein Panhardstab für mehr Wankstabilität. Das spürt man. So stabil und unerschütterlich, wie sich die Elektroversion durch die Kurven zoomen lässt, wie sie Bodenwellen pariert, wie das Fahrwerk förmlich am Boden klebt, wie das Chassis dabei unerschütterlich verwindungssteif bleibt, das hat schon fast Sportwagenformat.

Stromer gegen Verbrenner: Wie aus einer anderen Welt

Selbst der GT-Line-Benziner schaukelt da mehr auf, walkt und arbeitet mehr und auch der Federungskomfort ist nicht von dieser satten Straffheit wie beim e-208. Gefühlt wirkt auch die Lenkung weniger präzise, sie ist im Verbrenner generell etwas synthetisch. Relativ betrachtet fährt er sich nicht ganz so flockig-souverän wie ein Polo/Ibiza/Fabia und nicht ganz so präzise und erwachsen wie ein neuer Ford Fiesta. Selbst bei der Traktion hat der e-208 Vorteile: Allenfalls im Sportmodus, wenn die 260 Nm aus dem Stand über die beiden Vorderräder herfallen, zucken die Räder kurz, bis das gut abgestimmte ESP trocken nachjustiert und für fetten Grip sorgt. Hier tut sich der 130-PS-Benziner schwerer, wenn er erst mal nach kurzer Gedenksekunde des Laders aus den Puschen kommt, geht ziemlich abrupt die Post ab. Überhaupt: Dieses Antriebsgejuckel! In jedem Fall ist das unharmonischer, prinzipbedingt ein Verbrennernachteil.

Auch in Sachen Beschleunigung zeigt der Stromer sämtlichen übrigens Euro6d-sauberen Verbrennern die „dreikrallig“ glimmenden Rückleuchten: Formal mit 8,1 zu 8,7 Sekunden auf 100 km/h, für Statistiker. Im Sportmodus katapultiert die im eigenen Haus entwickelte PSA-Synchronmaschine den e-208 mit 260 Nm ab 0/min aus den Startlöchern, beamt sich nahtlos in Richtung Horizont, begleitet nur von einem diskreten Sirren. Selbst wenn der 130-PS-Dreizylinder-Turbo-Benziner sich guter Manieren befleißigt, munter ausdreht, mit sonorem Sound gefällt und mit der EAT-Schaltung auch recht nahtlos beschleunigt, das hat dann doch noch mal eine ganz andere Qualität im Elektro-Löwen. Man muss kein Autohedonist sein, um das vergnüglich zu finden.
 

Der e-208 ist zudem so irrsinnig leise, dass es fast magisch anmutet. Und weil er so leise ist, bekam er standardmäßig eine Isolierverglasung spendiert, was den Geräuschpegel im Stromer weiter senkt. Dass man den Strom-Franzosen im „B“-Modus dank strammer Rekuperation locker mit einem Pedal fährt, macht das Fortkommen noch müheloser. Wer den vernünftigerweise auf Vmax 150 km/h limitierten e-208er nicht zu langsam, nicht zu schnell und meist über Landstraße mit einigen Ortsdurchfahrten lenkt, der landet bei einem Verbrauch von 17,5 kWh/100 km, womit man sich nahe an die Obergrenze zum Werksverbrauch nach WLTP herantastet (16,9 kWh/100 km). Der agil bewegte Top-Benziner kam auf 7,9 l/100 km. Vielfahrer mit hohem Autobahnanteil sind da mit dem „wirklich sauberen“ Diesel mit 100 PS und satten 250 Nm Drehmoment, der stoisch vor sich hin brummelt und bis zu 760 Kilometer am Stück "frisst", besser bedient: Mit 5,5 l/100 km schlugen wir nach 127 km an.

Wie mühselig: Schalten, kuppeln, bremsen - und das Gebrumm

Erst recht der „Otto-Normal“-208er kann da nicht mehr mithalten: Das ist fast ein wenig langweilig, längst nicht so sämig und flüssig, wie der 75-PS-Benziner sich über die gleiche Strecke pilotieren lässt, bei immerhin moderatem Verbrauch von 5,4 l/100 km laut Bordrechner. Hinzu kommt das nervige Geschalte, mit der teigigen Schaltung und schluffigen Kupplung nicht gerade ein knackiges Vergnügen und das dann doch etwas angestrengte Dreizylinder-Rumoren des Basis-Aggregats. Auch Wind- und Abrollgeräusche liegen bei den Verbrennern übrigens generell höher. Das alles hat man schon fast vergessen und mutet im Vergleich an wie „20. Jahrhundert“, auch wenn der neue 208er durchaus auf Augenhöhe mit dem Verbrennerwettbewerb in der „Polo-Klasse“ liegt. Mag sein, dass der Stromer in der vergleichbaren Ausstattungsvariante „Active“ 14.000 Euro mehr kostet. Aber wenn man nicht den Kleinwagenmaßstab ansetzt, sondern etwa einen BMW i3 oder einen Tesla 3 zum Maßstab nimmt, denen der e-208 technologisch in Nichts nachsteht, relativiert sich der Mehrpreis doch gewaltig.

Von der Performance müsste man wie gesagt am ehesten den 130-PS-Benziner mit der schnell und flüssig sortierenden EAT8-Gang-Automatik zum Vergleich heranziehen, für den der Hersteller mindestens 23.500 Euro aufruft. Der lässt sich mit der sportiven GT-Line mit allerhand klavierlackschwarzen Applikationen noch weiter optisch „aufmascheln“. Wer auf diese zweifellos sehr stilsicher gemachte, rassige Optik Wert legt, landet beim e-208 allerdings bei 36.600 Euro. Da bekommt man dann auch schon einen geräumigeren Hyundai Ioniq oder e-Kona mit kleinem Akku. Oder fast einen Kia e-Soul mit riesigem 64 kWh-Akku. Oder vielleicht bald einen VW ID.3 mit 45-kWh-Batterie. Oder den upgedateten Renault Zoe mit 52-kWh-Akku und gleichstarkem 100-kW-Motor. So langsam steigt die Freiheit der Wahl, nicht nur Peugeot-intern …

Paketlösung: Wichtige Fahrerassistenz enthalten

Nötig ist das GT-Package für das „Strom-Vergnügen“ nicht unbedingt, nett aber zweifelllos. Und nicht nur das. Denn in dem Paket sind auch die wichtigsten Fahrerassistenzsysteme gebündelt. Als da wären, der hier sogar aktive Tot-Winkel-Assistent, der präzise arbeitende Abstandstempomat mit Notbremsung bis zum Stillstand, dessen Bediensatellit allerdings völlig verdeckt hinter dem abgeflachten Lenkrad sitzt. Der etwas ruckartig agierende aktive Spurassistent mit Lenkeingriff, die Voll-LED-Scheinwerfer (Standard bei e-208 sind Eco-LED-Leuchten), ein 10‘‘-Multifunktionstouchscreen mit zeitgemäßer Konnektivität und DAB+Radio oder eine Rückfahrkamera. Fehlt was? Ja, zum Beispiel die automatische Anpassung des Tempo als erlaubte Limit oder ein aktiver Querverkehrswarner, die beim Ausparken im Zweifel für eine Notbremsung sorgt. Aber gut, es ist ja ein Kleinwagen, kein Peugeot Boxer L4. Den aktiven Einparkassistenten braucht man für das kompakte Autochen aber dann auch nicht.

3-D-i-Cockpit: Spieltrieb für die Generation Playstation

Über das trendige 3D-i-Cockpit, verfügbar für Stromer und Verbrenner, lässt sich ansonsten trefflich streiten: Die Peugeot-Designer haben sich für den Innenraum wohl Raumschiffcockpits zum Vorbild genommen. Jedenfalls wirkt das alles sehr spacig, nicht unbedingt immer gut ablesbar. Aber man kann das Display individualisieren - und die Farbe der Ambientebeleuchtung! Auch die Bedienung der fast wie aus einem Retro-Flieger oder einem Star-Wars X-Wing-Fighter entlehnten Knopfkonsole namens „Toggle-Switches“ in der Mitte erschließt sich nicht auf Anhieb, hier wären die guten alten Drehregler die intuitivere Lösung. Überhaupt wünschte man sich in der schicken, wertig hinterschäumten Ballustrade im Carbon-Look lieber ein paar Ablagefächer, mit denen der 208er nicht gerade klotzt. Immerhin bringt man das Handy gut in einem wahlweise induktiv ladenden Schacht unter, auch für Flaschen und Papier ist genug Platz, das Handschuhfach geräumig.

Raumangebot: Im Fond eher enger als ein Renault Zoe

Nicht unbedingt aber für die Mitfahrer auf der Rückbank: Man kommt zwar klar, aber der Einstieg durch die engen Türausschnitte fällt nicht ganz leicht und der Bein- sowie Kopfraum liegt nicht auf Polo oder Skoda-Fabia-Niveau – und das obwohl das Fahrzeug mal wieder länger wurde und um ganze neun Zentimeter auf 4,06 Meter zulegte. Der Kofferraum geht mit 265 Liter, 1.106 bei umgeklappten Rücksitzen, in Ordnung, auch wenn ein gleich langer, aber 13 Zentimeter höher bauender Renault Zoe mehr bietet (365 l). Immerhin, hier fordert der Stromer keinerlei Abstriche zum Verbrenner. Vier Personen und Gepäck bekommt man mit dem 208er ordentlich befördert. Und zwar beim e-208 am Stück bis zu 340 Kilometer weit, laut Werksangaben. Bei unserer 104-Kilometer-Runde mit zum Start auf 280 km geladenen Akkus waren am Ende noch 160 Kilometer laut Hochrechnung des Bordsystems übrig. Die koreanischen Stromer von Hyundai oder Kia bieten hier im Übrigen präzisere Information.

Ein Drittel aller Kunden fährt nie im Jahr mehr als 200 km

Wie meinte PSA-Groupe-Chef Carlos Tavares so schön in seiner Ansprache: Bei Peugeot hat man jetzt die „Freiheit der Wahl“ bei den Antrieben. Geht es nach den Aspekten der Antriebs- und Fahrqualitäten, ist das aber keine Frage: Der Stromer macht das Rennen. Und trotz des höheren Anschaffungspreises: Über die Laufzeit von vier Jahren und 40.000 km soll sich der e-208 inklusive etwaiger staatlicher Förderungen exakt auf das monatliche Kostenniveau von 326 Euro arbeiten, das der vergleichbare Verbrenner realisiert – dank ein Drittel niedrigerer Wartungskosten (warum eigentlich ein 25.000-km-Serviceintervall?!) und einem Fünftel an Energiekosten (für Frankreich 2,50 Euro statt 10 Euro pro 100 km). Und die Reichweitenthematik? Fast gelangweilt winkt man ab: Die PSA-Analysen ergaben, dass 80 Prozent aller täglich per Auto gefahrenen Wege nicht mehr als 50 Kilometer betragen. Ja, dass sogar ein Drittel aller befragten Kunden kein einziges Mal im Jahr über 200 Kilometer absolviert.

Eine Version mit kleinerem Akku fehlt

Wenn das so ist, fragt man sich allerdings, warum Peugeot nicht noch eine Variante mit kleinerem Akku aufgelegt hat, der mit um die 30 kWh deutlich preiswerter, leichter und für die meisten Alltagsanliegen gewappnet wäre. Die nicht unplausible Begründung der Verantwortlichen: Man habe mit dem üppigen 50 kWh-Akku Vertrauen schaffen wollen, dass man auch mal eine größere Strecke bewältigen kann, wenn es sein muss. „Und so muss der normale Kunde eben nur einmal in der Woche die Batterie laden“, so der oberste E-Mobilitätsstratege.

Das geht dann dank des anders als beim baugleichen, etwas günstigeren Opel Corsa e beim e-208 serienmäßigen 100-kW-Laders an Bord „ratzfatz“: Wenn die Säule, wahlweise im Free2Move-Netzwerk (Plugsurfing) aus 105.000 Ladepunkten in Europa, mitmacht, sind binnen einer halben Stunde 80 Prozent Kapazität gewonnen, an der 22-kW-Säule ist man binnen fünf Stunden fünfzehn wieder voll marschbereit. „Ratzfatz“ soll der e-208 übrigens auch heizen, dank 5kW HPC-Element mit Wärmepumpe, das zudem sehr energieeffizient arbeiten soll. Apropos Vertrauen: Das will man auch mittels einer 160.000-Kilometer- und Acht-Jahres-Garantie auf die Akkus (70 Prozent Ladekapazität) unterstreichen.

Zehn Prozent Elektro-Anteil, aber flexible Produktion

Und wie viel Vertrauen hat man, dass die Kunden auch zum Stromer greifen? Vorsichtig tastet man sich an die vielbeschworene „power of choice“ heran und rechnet für den Anfang mit zehn Prozent Anteil am Modellsplit für den e-208. Sollte die Schätzung zu konservativ sein, verweist Carlos Tavares auf die Flexibilität in der Produktion: Der 208 rollt in trauter Eintracht als Stromer wie Verbrenner vom gleichen Band, der Vorteil des kostenoptimierten 3in1-Konzepts auf der Basis der modularen e-CMP-Plattform, auf das ja auch Hersteller wie Hyundai oder künftig BMW setzen. Und man habe sich genügend Zell-Kapazitäten bei CATL gesichert, um etwaige anspringende Stromer-Nachfrage auch bedienen zu können. Man darf gespannt sein, ab Ende 2019 stehen die ersten Elektro-Löwen für Probefahrten beim Händler, ab 2020 will Peugeot dann liefern.

Was bedeutet das?

Eine Plattform, drei Varianten - es ist natürlich ganz im Sinne der auf Kosteneffizienz getrimmten Strategie des PSA-Chefs Carlos Tavares, die Firmenikone 208 zwar mit einer Elektroversion in die Zukunft zu führen, aber doch auf der gleichen Basis bodenständig in der Verbrenner-Gegenwart zu verbleiben. Das erfordert Kompromisse: So raumeffizient wie ein reines Elektrokonzept à la Renault Zoe kann der mit einer optisch dynamischen langen Haube versehene 208er nicht sein.

Preislich pendelt sich der e-208 auf dem üblichen Niveau um die 30.000er-Marke herum ein, bietet dafür aber ein spaßig-sportives Paket aus agilem Fahrwerk, kräftigem Motor und rassiger Optik - bei ansprechender Reichweite. So würde es nicht wundern, wenn die Nachfrage wie beim baugleichen Pendant Corsa e bald die geschätzten zehn Prozent überstiege. Ein Mini Electric oder ein BMW i3 werden es schwer haben gegen dieses attraktive Package von PSA, das sich zudem über die Zeit rechnen soll. Auch wenn der Blick in die Preisliste einen erst mal schlucken lässt, nach der Fahrt im e-208 steht fest: Er ist seinen Preis wert!

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