Fahrbericht Opel Astra Sports Tourer Electric: Leicht und leise
Fliegt man über das Datenblatt des Astra Sports Tourer Electric, stellt man keine Ausreißer fest – weder nach oben, noch nach unten. Auch beim Studium der Preiseliste: Keine Auffälligkeiten. Und trotzdem setzt er Maßstäbe. Denn mit ihm kehrt Opel gleich in mehrfacher Hinsicht zu seinen Wurzeln zurück: Indem die Opelaner einen (noch) kompakten (noch) bezahlbaren hübschen Kombi auf die Räder stellen und den im Stammwerk bauen. „Mehr Rüsselsheimer kann man eigentlich nicht sein“, freut sich Pressesprecher Patrick Munsch in ganz dezent hessischem Unterton und tatsächlich hat man das Gefühl, dass die Marke mit dem Blitz mit dem elektrischen „Caravan“ wieder ganz bei sich angekommen ist.
Wir steigen ein, drücken den Startknopf und warten die typische Stellantis-Gedenksekunde, bis alle Systeme hochgefahren sind, schnippen den Wählschalter auf „D“ und strömen los.
Der Astra ist für einen Stromer extrem leicht - und das fühlt man sofort!
Und wundern uns doppelt: Erstens, wie leicht sich der immerhin 4,64 Meter lange Kombi mit 54-kWh-Akku anfühlt und zweitens, wie leise er ist! Denn just am Tag der Fahrpräsentation schneit es im Raum Frankfurt derart, dass der Schnee überall liegen bleibt und beim Spurwechsel auf der Autobahn in den Radkästen eigentlich entsprechend lärmen müsste – doch nix: Der Astra fühlt sich für einen Stromer wirklich sehr leicht an, was er mit gut 1.760 Kilogramm samt Fahrer auch ist und lässt unter anderem dank Dämmglas nur wenig Geräusche zu den Insassen durch.
In Verbindung mit dem dünnen, gut zu greifenden Lenkrad, der passenden Sitzposition auf komfortablen AGR-Sitzen und dem sauber abgestimmten Fahrwerk gehört er zu den absolut gelungenen Stromern, die noch dazu zwischen 516 und 1.553 Liter Ladevolumen bieten oder ein Quadermaß von 1,03x1,03x0,8 Metern. Sodass auch ohne Umlegen eine Waschmaschine hinten reinbekommt, die man leider legen muss, da sie mit 85 cm um 5 cm zu hoch baut. Wenn man die 40:20:40 geteilte Rückenlehne komplett umlegt, hat man bis zu 1,85 Meter Ladelänge innen. Passt, zumal Opel noch ein flaches Unterfach für Krimskrams anbietet, aber wegen Frontmotor und -antrieb leider keinen Frunk. Doch diese Einbaulage sollte uns später noch aus der Patsche helfen…
Sechs- statt achtpolig: Der neue Antrieb ist sparsam
Der Synchronmotor entstammt der Stellantis-Kooperation mit Nidec und punktet mit Sechs- statt Achtpoldesign, was die elektrischen Verluste reduziert. Dabei helfen auch der voll integrierte Wechselrichter und die Hochleistungs-Wärmepumpe und tatsächlich stehen wir nach der ersten kurzen Runde trotz Winterreifen, Autobahnanteil und kalten drei Grad bei 20,8 kWh netto. Bevor wir uns Richtung Feldberg aufmachen, wo die Temperaturen weiter sinken und der Schnee dann liegen bleibt. In Oberursel brechen wir notgedrungen ab - können an Steigungen im Ort aber gleich die Traktion testen, die dank E-Maschine und einem Teil des Akkupaketes hinter der Vorderachse besser ist als gedacht. Tatsächlich geht einem Corsa mit Ganzjahresreifen und einem kompakten Elektro-Hecktriebler hier die Traktion aus, während der Astra locker vorbeigeht. Auch im weiteren Verlauf meldet sich die Traktionskontrolle erstaunlich selten und trotz wildem Schneetreiben warnen die Sicherheitssysteme nicht dauernd, dass sie jetzt eigentlich nicht mehr so sicher arbeiten können.
Auch die Temperierung klappt sehr gut, zumal sich Front- und Heckscheibe heizen lassen, ebenso wie die Vordersitze und das Lenkrad. Auch die Klimatisierungstaster findet man sofort, aber: Das übrige Infotainment gibt sich leider eher unintuitiv: Die Spracheingabe klappt gar nicht (dazu soll man sich bitte mit seinem Smartphone verbinden, was auch schon nicht ganz einfach klappt) und auch sonst wischt man die vielen Möglichkeiten des Infotainments eher hilflos hin- und her. Dabei öffnen und schließen sich die Felder ganz kunstvoll, aber man hat den Eindruck, dass französische Optik hier wichtiger war als teutonisches Funktionieren. Was umso ärgerlicher ist, als Opel viele Grundfunktionen bis zum Radioknopf beibehielt.
Der Sound klingt trotz nur sechs Speakern klar und stark und umhüllt uns einmal so gut, dass wir uns wundern, weshalb Eis oder schwerer Schnee plötzlich so laut in den Radkästen rauschen. Der Klang kam aber vom Unterton eines mystischen Popsongs! Auch hier findet Opel eine gute Synthese aus klarem Klang und Bezahlbarkeit.
Der Verbrauch fällt für die Gegebenheiten günstig aus
Am Ende kehren wir mit 19,5 kWh/100 km nach Rüsselsheim zurück, was brutto mit Ladeverlusten rund 21,5 kWh/100 km sein dürften. Kein Rekord, aber sehr ordentlich für die winterliche Witterung mit zeitweisem Wühlen im Schnee. Im Sommer dürfte man deutlich näher an die kolportierten 15 kWh/100 km nach WLTP rankommen und damit auch an die bis zu 413 km Reichweite. Schade, dass man nur mit maximal 100 kW nachladen kann, denn die immer gern kolportierten „unter 30 Minuten“ gelten hier von 30 bis 80% Ladestand und nicht von 10 bis 80%. AC-Laden klappt dreiphasig mit bis zu 11 kW, 22 kW wären natürlich cooler. Für eine volle Ladung am 11-kW-Lader gibt Opel ca. 5 Stunden und 45 Minuten an, am Haushaltsstrom mit 3,2 kW werden daraus 19 Stunden…
Dafür hielt Opel beim Preis Maß: Der Sports Tourer Electric startet bei 43.490 Euro brutto, wenn man ihn noch bis 31.12.2023 zulässt, was laut Opel durchaus klappen soll, werden daraus 36.312,50 Euro. Nimmt man die Förderung als Anzahlung, fährt Opel im Leasing auch hier die Gleichpreisrate wie beim Benziner: Ab 299 Euro sind ein Wort. Womit Opel auch hier zu seinen Wurzeln zurückgekehrt wäre!
Was bedeutet das?
Die Stärke des Astra Sports Tourer Electric liegt in seiner Ausgewogenheit: Er setzt nirgends (außer beim Gewicht) Maßstäbe, bietet in Summe aber ein extrem gelungenes Package, das sich auch keine echten Schwächen erlaubt. Und genau diese bezahlbare Ausgewogenheit war und ist wieder die Kernkompetenz von Opel.
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