Fahrbericht Mercedes S-Klasse Drive Pilot: Volle Assistenz im Benz
Vielsagend, dass Daimler das früher stets zuvorderst platzierte Kapitel "Antrieb" diesmal irgendwo weiter hinten versteckt. Aber es ist schon wahr: Das eigentliche Highlight der neuen S-Klasse, bei dem sie Vorreiter und wenn man will Platzhalter für den auf 2021 vorgezogenen vollelektrischen EQS darstellt, ist eher nicht der "konventionelle" Antrieb, sondern die Fahrerassistenz. Schon in der „Basis“ fährt der Benz auf Level 2 des automatisierten Fahrens auf und bestückt mit Aktiver Abstands-Assistent DISTRONIC, Aktiver Geschwindigkeitslimit-Assistent, Aktiver Stau-Assistent, Aktiver Lenk-Assistent, Aktiver Spurwechsel-Assistent, Aktiver Nothalt-Assistent, Aktiver Brems-Assistent, Ausweich-Lenk-Assistent, Aktiver Spurhalte-Assistent, Aktiver Totwinkel-Assistent.
Hohe Regelgüte: Sanftes Bremsen und Korrigieren
Aber es ist vor allem das „Wie“, das die Fahrt im „S“ wirklich „Klasse“ macht. Bremst sanft, wenn der Abstand zu gering sein sollte, lenkt ebenso sanft gegen, wenn man die Spur verlässt. Drosselt vor Kurven das Tempo, wenn der Fahrer es zu optimistisch angeht. Regelt automatisch runter, wenn die Kameras eine Limitierung entdecken. Warnt vor einer Ampel, wenn sie rot ist und der Fahrer offenbar unaufmerksam. Steigt voll in die Eisen, wenn ein spielendes Kind auf die Straße rennt. Mahnt, wenn der Fahrer die Tür aufreißen will, obwohl ein Radfahrer sich nähert. Weicht aus, wenn ein Radler plötzlich nach links zieht, weil ein Hindernis am Radweg ist. In Sachen Fusion aus drei Radarsensoren, Multi-Purpose-Front- sowie 360-Grad-Heckkamera und zwölf Ultraschallsensoren und Feinjustierung ist Daimler tatsächlich auf Augenhöhe mit Tesla.
Was geht: Bis 60 km/h darf die S-Klasse ab nächstem Jahr teilautonom
Mindestens: Denn, was man ab zweitem Halbjahr 2021 noch als erster Hersteller weltweit optional und gemäß hier mal wegweisender deutscher gesetzlicher Vorgabe bis 60 km/h nachlegen will, ist ein Level-3-Automat, den man aber nach wie vor bewusst nicht „Auto Pilot“ nennt, wie uns ein Ingenieur erklärt, sondern eben „Drive Pilot“. Den aktiviert er logisch eindeutig und nachvollziehbar per zusätzlicher Daumen-Taster im Lenkrad, die wie der Leuchtkranz überm Lenkrad blau erleuchtet bleiben, solange das System aktiv ist. Wir dürfen schon eine erste Runde mitfahren in Immendingen.
Und sind beeindruckt, wie souverän der Drive Pilot, der zusätzlich mit einem Lidarsensor in der Front sowie einer Kamera im Heckfenster (für die Erkennung von Rettungsfahrzeugen) und Außenmikrofonen sowie eine präzise HD-Karte sowie hochgenaue Positionierung weit über GPS-Niveau arbeitet. Situationen wie zähe Stau- oder Zuckelfahrt verarbeitet das in einem leistungsfähigen Zentralrechner gebündelte System souverän, es bildet sogar automatisch eine Rettungsgasse. Es sucht sich stets ein Führungsfahrzeug, lässt aber auch sofort davon ab, wenn etwa ein Verkehrsteilnehmer unerwartet aus der Autobahneinfahrt querschießt. Dann bremst der Benz wie von Geisterhand runter, während wir im dann aktivierbaren TV auf dem großen Screen einer Seifenoper folgen und kurz aufblicken: War da was?
Kooperation: Das System bindet den Fahrer eng ein
Denn das ist genau der Unterschied: Auf Level 3 darf man sich diesen Nebenbeschäftigungen widmen, muss binnen zehn Sekunden aber wieder „auf dem Schirm“ sein. Nähert sich von hinten ein Rettungsfahrzeug, erkennt dies die Extrakamera und übergibt optisch eindeutig im Head-up-Display und im Zentralscreen an den Fahrer zurück. Es ist überhaupt diese Kooperationsfunktionalität, die imponiert und die S-Klasse von Teslas „Auto Pilot“ unterscheidet. Nach dem Start als optionales Paket wollen die Ingenieure schnell nachlegen. Technisch sei das kein Problem, meint der Testingenieur selbstbewusst. Jetzt sei der Gesetzgeber gefragt, die Voraussetzungen auch für höhere Geschwindigkeiten zu schaffen. Die kann man dann übrigens per „Luftschnittstelle“ nachrüsten.
Auf dem Drive Pilot setzt dann auch der Intelligent Park Pilot auf, der automatisiertes Parken auf Level 4 ermöglicht, das sogenannte „Automated Valet Parking“. Wir steuern den Ausgangs- und Zielort des Pilot-Parkhauses P6 am Stuttgarter Flughafen an – und könnten dann bald einfach den Wagen am Drop-Off-Punkt abgeben. Er sucht sich dann schon selbst einen Platz. Andererseits: S-Klasse selbst, sprich im wahrsten Sinne „autonom“ fahren, das hat schon auch seinen Charme. Na, gut, muss ja nicht im engen 60er-Jahre-Parkhaus sein.
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