Fahrbericht Mercedes-Benz C-Klasse W206
Kein Modell hat sich in den letzten Jahrzehnten bei Mercedes-Benz besser verkauft als die C-Klasse. Insgesamt hat Daimler seit dem 190 als „Wagen 201“ und Urahn der Baureihe über 10,5 Millionen Einheiten verkauft. Da darf also nix schiefgehen. Und weil die letzte C-Klasse in Sachen Design so massiv vorgelegt hat, blieb hier diesmal thematisch (fast) alles beim alten. Grundsätzlich neue Ideen findet man eher keine, was auch für en Antriebsstrang gilt, der allerdings komplett auf Vierzylinder in diversen Eskalationsstufen zusammengestutzt wurde.
Der „Wagen 206“ dürfte der Letzte seiner Art sein
Fragt man verantwortliche Entwickler nach der langfristigen Perspektive der C-Klasse, winken diese eher ab: „Wagen 206“ wird der letzte seiner Art sein, sein Nachfolger könnte im neuen „One-Bow-Design“ unter EQS und EQE andocken oder kommt als Cross-Over oder oder. Damit folgt die C-Klasse allerdings allen übrigen Mittelklassemodellen: Denn auch VW Passat und Skoda Superb gehen aktuell in ihre letzte Runde, ebenso wie Audi A4 und BMW Dreier maximal noch einen Nachfolger erhalten werden, der auch als Verbrenner angeboten wird. So ändern sich die Zeiten. Doch zurück ins Hier und Jetzt.
Flotten werden die Plug-ins bevorzugen, vor allem als Diesel
Wichtigstes Auto für Flotten dürften hier vor allem die Plug-in-Hybride sein, die anfangs als Benziner und später auch mit Diesel vorgehalten werden und bis zu 100 Kilometer Reichweite bieten sollen – von denen reell tatsächlich gut 90 machbar sind, wie erste Rundfahrten auf der Schwäbischen Alb ergaben.
Doch bevor wir einsteigen und starten kurz noch zu den Abmessungen: Leider konnte es sich auch Mercedes-Benz nicht verkneifen, das Modell wieder massiv wachsen zu lassen: Mit einer Länge von 4,75 Meter ist „Wagen 206“ sechs Zentimeter länger als der W205, die Breite wächst um einen Zentimeter auf 1,82 Meter, die Höhe liegt mit 1,44 Meter knapp unter dem Vorgänger. In Kombination mit dem um 25 mm gewachsenen Radstand (jetzt: 2.865 mm) geht es innen merklich luftiger zu – opulent wäre jedoch anders. Zar wuchs die Beinfreiheit um zwei Zentimeter, noch stärker spürt man aber den Zuwachs an Schulter- und Ellenbogenfreiheit auf allen Plätzen.
Schade auch: Das Kofferraumvolumen der Limousine bleibt bei 455 Liter. Das T-Modell packt mit 490 bis 1.510 Liter nun 30 Liter mehr. Bei den Plug-ins entfällt endlich die Stufe. Denn die vierte Generation der Die Hochvolt (HV)-batterie wurde weiterentwickelt. Heißt: Sie besteht aus 96 Zellen in Pouch-Bauform. Die Akku-Gesamtkapazität beträgt 25,4 kWh. Um der hohen Leistungsdichte Rechnung zu tragen, verfügt die HV-Batterie über eine innenliegende Kühlung. Über das Thermomanagement kann so die Betriebstemperatur unabhängig von der Innenraumklimatisierung geregelt werden. Dies ermöglicht neben dem Dauerbetrieb in Heiß- und Kaltländern auch das Schnellladen mit Gleichstrom. Selbst bei entleertem Akku soll laut Daimler eine volle Aufladung mit dem optionalen 55-kW-DC-Lader in rund 30 Minuten machbar sein. Für das Laden am heimischen Wechselstromnetz ist serienmäßig ein 11-kW-Charger (marktabhängig) für das dreiphasige Laden an der Wallbox verfügbar.
Das T-Modell bietet über dem Akku mit 360 Litern immerhin 45 Liter mehr, die Limousine kommt auf 15 Liter mehr als der Vorgänger. Die Länge des Gepäckraumbodens steigt beim T-Modell um 63 auf 1.043 mm. Hohe Getränkekisten können problemlos unter die Kassetten von Abdeckrollo und Laderaumnetz geladen werden, denn auch die Höhe legt zu: Um 150 auf 732 mm. Bei umgeklappten Rücksitzen passen immerhin 1.375 Liter (40 Liter mehr) ins T-Modell. Luftfederung und Niveauregulierung hinten sind bei Limousine und Kombilimousine serienmäßig. Trotzdem bleibt der Kofferraum in der Realität in der Limousine sehr flach und für die Außenabmessungen zu klein.
Ausentwickelt is`: Viel technischer Aufwand und Feinschliff mit kaum merklichem Ergebnis
Trotzdem tat sich viel bei der Technik: Unter Verwendung der gleichen Grundmotoren macht die Elektrifizierung hier einen weiteren großen Schritt, denn das neue Hochvolt-System ist laut Daimler kompakter und leistungsfähiger. Die Zahl der Hochvolt-Schnittstellen wurde deutlich reduziert. Außerdem verringert die Die Integration der Leistungselektronik in das Getriebegehäuse verringert die benötigten Bauräume und vereinfacht Montageprozesse. Außerdem steigt durch eine Erhöhung der Systemspannung die Antriebsleistung, ohne dass dafür größere Leitungsquerschnitte notwendig wurden.
Die hohe Leistungsdichte des Hybridtriebkopfs wird mithilfe einer permanenterregten Innenläufer-Synchronmaschine erreicht. Das maximale Drehmoment der E-Maschine von 440 Nm ist ab der ersten Motorumdrehung bereit und bewirkt eine hohe Agilität beim Anfahren und ein dynamisches Fahrverhalten. Die volle elektrische Leistung steht bis 140 km/h zur Verfügung und wird dann soft abgeregelt. Genug der Technik, jetzt starten wir und tatsächlich fährt dich der neue Plug-in eben wie ein Elektro-Auto. Und nachdem die zur Verfügung stehende Testrunde nur knapp 50 Kilometer lang war und die C-Klasse stark auf Stromern gepolt ist, sprang der Verbrenner kein einziges Mal bei – zumal er akustisch als Zwei-Liter-Vierzylinder ohnehin systembedingt eher banal bleibt. Aber, typisch elektrisch eben: Leiser Durchzug ab 0 Umdrehungen und kräftiges schnelles Schweben. Und im Gegensatz zu vielen Marktbegleitern ist er Plug-in so ausgelegt, dass er so lange wie möglich im Elektromodus bleibt, auch wenn man mal mehr Kraft braucht. Und so strömt man dahin und freut sich über die lokal emissionsfreie Fortbewegung und einigermaßen akzeptable Verbräuche, die in unserem Fall exakt 22,0 kWh/100 km betrugen. Doch auch hier muss man sagen: wirklich sparsam wäre anders, was auch am eben nicht ganz konsequenten Plug-in-Package liegt.
MBUX: Starker nächster Schritt – auch in Sachen Bedienung
Das neue MBUX-System, das in den Grundzügen der S-Klasse ähnelt (aber nicht alle Funktionen übernehmen durfte) gefällt durch vergleichsweise einfache und intuitive Bedienung, zumal der große Screen um sechs Grad zum Fahrer hingeneigt wurde. Auch am Lenkrad wurden die Slider verändert, aber so, dass man sie im Gegensatz zu VW auch ordentlich und sinnvoll bedienen kann. Und da Daimler auch bis zu vier Streamingdienste „unter Vertrag“ hat und man generell so viel einstellen kann, findet man sich dann doch permanent in MBUX wieder, wo man neue Playlists und Abstimmungen ausprobiert. Wobei der „Wagen 206“ in Sachen Fahrwerk wieder mehr Mercedes ist als je zuvor: Denn das „Standardfahrwerk ist selbst in der härtesten Stufe ungewöhnlich weich-wogend ausgelegt, dass ambitionierte Fahrer vielleicht besser gleich das Sportfahrwerk ankreuzen. Immerhin differenziert sich der Benz damit wieder ganz deutlich vom eher neutralen Audi A4 oder den eher harten BMW 3er und Jaguar XE. Ganz großes Kino ist die optionale Hinterradlenkung, welche hier bis zu 2,5 Grad einschlägt und die C-Klasse bei Langsamfahrt sehr wendig und bei zügiger Fahrt sehr souverän macht. Souverän ist überhaupt ein gutes Stichwort, denn so eine elektrifizierte C-Klasse steht EQA und Co. im Alltag nicht viel nach – außer man fährt Langstrecke.
Umstieg in den Diesel: Eine andere Welt
Nicht ganz so souverän klingt naturgemäß der 300 d, der sich dagegen anhört wie sich Mercedes-Diesel eben schon immer anhörten: Der OM 654 knuspert vernehmlich vor sich hin und bietet am Ende auch nur eher durchschnittliche Verbräuche: Auf unserem fast 200 Kilometer langen freudigen Ausritt quer über und durch die Schwäbische Alb wollten am Schluss 6,2l/100 km nachgeschenkt werden, was zeigt, wie ausgereizt der Verbrenner mittlerweile ist. Denn auch hier haben Daimlers Motorenmannen nochmal massiv nachgelegt. Kurze Exkursion in den Motorenbau: Der neue OM 654 M mit integriertem Starter-Generator (ISG) der zweiten Generation besitzt er ein 48-Volt-Teilbordnetz und die Möglichkeit zu rekuperieren respektive mit abgeschaltetem Motor zu „segeln“. Aber Daimler passte auch die „Hardware“ an, indem man eine Kurbelwelle spendierte, die den Hub auf 94,3 mm und den Hubraum auf 1.993 cm³ erhöht. Den Einspritzdruck steigerte man weiter von 2.500 auf 2.700 bar. Auch das Ansprechverhalten und die gleichmäßige Kraftentfaltung hat man weiter gefördert: Hier sollen zwei wassergekühlte Turbolader mit variablen Turbinengeometrien das immer noch vorhandene Turbolöchlein zuschütten – doch im Vergleich zum Plug-in kann das natürlich nur in Maßen gelingen. Und aufwendig wie eh blieb die Abgasnachbehandlung per motornahem NOx-Speicherkatalysator zur Verminderung der Stickoxide. Der profitiert durch seine Lage von schneller Erwärmung. Dazu kommen ein Diesel-Partikelfilter mit spezieller Beschichtung, um die Stickoxiden zu reduzieren und zwei SCR-Katalysatoren samt dosiert eingespritzten Mengen an AdBlue. Ein Riesenaufwand - und trotzdem kann der Motor weder in Klang, Verbrauch noch Ansprechverhalten irgendwelche Maßstäbe setzen, die einen vom Hocker hauen.
Was bedeutet das?
"Wagen 206" dürfte auch deshalb die letzte C-Klasse klassischer Bauart sein, weil weder Package noch Technik weitere große Sprünge erlauben. Denn das Mehr an Raum erkaufte man sich einmal mehr mit massivem aber unnötigem Größenwachstum (in Innenstädten verflucht man schon längst jeden Zentimeter mehr Breite und Länge) und motorseitig blieb die ganz große Revolution ebenfalls aus. Trotzdem wird die C-Klasse ihren Weg gehen, da sie auch spitzer als bisher positioniert wurde: Sie gibt ganz klar die komfortable Alternative im Mittelklasse-Premiumsegment, welche mit MBUX und Goodies wie der Allradlenkung und den Plug-in-Diseln auch einige Glanzpunkte setzt.
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