Fahrbericht Maserati Grecale Folgore: Leichtes Blitzlichtgewitter
Schon zu Beginn scherzte mein Kollege – „Greg der Kahle fährt Grecale – das ist doch DEIN Auto!“. Tatsächlich schätze ich die Marke mit dem Dreizack und ihre Produkte – nicht alle und nicht aus jeder Epoche. Aber wenn mich jemand fragt, was mein absolutes Lieblingsauto wäre, würden Geld und CO2 keine Rolle spielen, wäre es tatsächlich der Maserati Khamsin…soweit zur Vorgeschichte.
Unser Experiment: Mit schwäbischem Kennzeichen in der Bonzenkarre durch in Berlin…
Denn nur dann erträgt man es, wenn man mitten in Berlin in einen Grecale Folgore mit dem Kennzeichen UL-M 3530 E gesetzt wird, um am Spätnachmittag vor einem langen Wochenende den Versuch unternehmen zu dürfen, einen Fahrbericht zu schreiben. Schon kurz nach dem Start ernten wir in unserer „Bonzenkarre“ mit urschwäbischem Kennzeichen (in Berlin sektionsweise gleich zwei No-Gos) viele böse Blicke, Fußgänger springen vor uns auf die Straße, Radler schneiden uns und mein elektrischer Freund aus Modena darf immer wieder Warnpiepen, hart Bremsen und mich bespaßen. Die eigentliche Idee: Wir haben gut zwei Stunden Zeit, fahren schnell auf die Autobahn, fahren kurz Elon Musks Gigafactory um die Ohren und strömen dann wieder heim…aber: Je näher wir dem Autobahnring kommen, desto zäher wird der Verkehr! Am Ende brechen wir den Versuch an der Autobahnauffahrt mit lächerlichen 2,8 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit ab, zumal der Verkehrsfunk uns mittlerweile klar signalisiert hat, das in Ulm, um Ulm und um Ulm herum zwar freie Fahrt wäre, um Berlin herum aber eher gar nichts mehr geht!
Die Fahrmodi ändern den Charakter tatsächlich stark
Immerhin haben wir mittlerweile das Infotainment durch, eigentlich keine Stellantis-Stärke, hier aber erstaunlich kompetent: Grecale koppelt sofort das Telefon von Greg dem Kahlen und gibt sich sehr verständig: „Spiele Sender x“ versteht er ebenso wie „ich habe Hunger“, was zur Ristorante-Suche führt. Gesprochene Ortseingaben versteht er gut, berechnet auch schnell neu, aber: Irgendeine Idee, wie man den verdammten Stau umfahren könnte, hat er leider nicht. Und im Gegensatz zu den deutschen Premiums hat er auch nicht die Karte hinterlegt, dass er vor Kreuzungen automatisch verzögert oder über Land wie von „Geisterhand“ automatisch die Geschwindigkeitslimits oder Kurven berücksichtigt. Aber wen bitte interessiert das in Modena? Das Soundsystem macht auch am Anschlag RICHTIG Sound, der uns im Stau auch nur kurz aufheitert – zumal wir ja mit unserer schwäbisch zugelassenen Luxushütte in Berlin eher lieber nicht auffallen wollen. Die Bedienung klappt sehr „seamless“ und für den dezent komplizierten Ruf der Marke fährt sich der Grecale erschreckend „porschig“. Falls Sie also im Vorstand von Iveco-Magirus arbeiten und den Grecale Folgore statt dem Macan wählen „müssen“ – es ist kein Verlust….
Zumal er grundsätzlich schwäbisch-unauffällig bleibt: Fast niemand dreht sich nach ihm um, allenfalls Fahrer anderer Premium- und Powerautos schauen mal rüber – ein Model Y fordert uns zum Ampelstart – und verliert…mittlerweile haben wir wieder freie Fahrt zurück in die Innenstadt und können auch ein bisschen mit den Fahrmodi und den herrlichen Reku-Paddels spielen. Und ja, die verschiedenen Einstellungen von Max-Range über GT bis Sport ändern tatsächlich sofort Ansprechverhalten, Lenkung und Fahrwerk und das selbst in der Stadt bei 60 km/h merklich. Offroad? Hebt die ganze Fuhre für mehr Bodenfreiheit an und ändert die Kräftezuteilung am Rad…wollten wir nur erwähnt haben.
Vorteil der mittlerweile gut abgehangenen Giorgio-Plattform: Ihre unheimliche Leichtigkeit
Auffällig auch hier die auffällige Leichtigkeit des Fahrens was der famosen Giorgio-Plattform geschuldet ist, die auch Alfa Giulia und den engen Grecale-Verwandten Stelvio trägt. Auch sie fallen durch Leichtigkeit des Seins im Wortsinn auf. Gut, hier werken - auch in alter Währung - bis zu 558 PS (410 kW) und 820 Nm, aber mit 2.480 kg ist der Grecale mit seinem großen 98-kWh-Akku (netto) eben auch kein Leichtgewicht mehr. Trotzdem fühlt er sich nur nach 1700 kg plusminus an. Eine Eigenschaft, die er sich mit dem Macan teilt. Auch der Grecale lenkt wunderbar straff und präzise, das Fahrwerk findet in „GT“ eine perfekte Synthese aus exakter Rückmeldung und Wegdämpfen von fiesen Querrillen oder Erhebungen, kann aber eben noch Richtung härter oder softer nachjustiert werden. Hier helfen die Luftfedern.
"Leicht" wirkt aber auch das Türenschlagen und Blinkerklicken, allerdings nicht im positiven Sinn...
Verbrauch und Preis sind leider heftig
Leider nutzt er nur eine 400-Volt-Architektur, weshalb er maximal nur mit 150 kW DC laden kann. Da sind andere schon weiter…und der Verbrauch ist - nun ja – durstig. Schon nach WLTP gibt Maserati 23,9 kWh/100 km an – das dauernde Stopp-and-Go mit dezent fächelnder Klimaanlage macht unseren heißblütigen Blitz aber so traurig, dass er seinen Frust mit extra viel Strom „ertränkt“ Merke: Im Stau werden Stromer (leider alle) zu Säufern…am Ende zeigte und der Grecale 28,5 kWh/100 km netto an, das sind knapp 31,4 kWh/100 km brutto, womit real noch 312 km Reichweite drin wären…hätten wir mehr Auslauf gehabt, wären wir sicher unter die 30-kWh-Marke gefahren, aber dazu wird „Greg der Kahle“ den Grecale Folgore wohl noch mal auf die Testrunde bitten.
Am Ende überzeugt er trotzdem mit geradezu teutonischen Tugenden, die aber gepaart mit italienischer Leichtigkeit, viel Platz und einer Prise Grandezza, die man aber beim Basispreis von 124.301 Euro brutto, das sind ebenso krumme 104.454,62 Euro netto, auch erwarten kann. Womit wir am Ende noch mal den Schwaben raushängen lassen müssen: Der stärkere und sparsamere Macan Turbo startet 10.000 Euro günstiger…wobei sich im Leasing ja noch viel ändern kann...
Was bedeutet das?
Der Grecale Folgore punktet vor allem mit Leichtigkeit, Individualität und erstaunlicher Vernunft bei Package und Bedienung. Preis und Verbrauch dürften allerdings etwas weniger ambitioniert sein.
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