Fahrbericht Karma Revero: Endlich gutes Karma?
Der kalifornische Revero mit Range-Extender ist einiger neuer Modelle, die Karma noch vor Ende des Jahrzehnts auf den Markt bringen will - mal wieder, immer noch, so genau weiß man das nicht. Fakt ist: Karma steht trotz minimalster Stückzahlen stabil, weil Geldgeber dahinter stehen, die genau das wollen und die die Marke zu lieben scheinen. Kurze Einordnung: Karma hat längst nichts mehr mit Henrik Fisker zu tun, der der den Karma einst zeichnete und das erste Mal auf den Markt brachte. Der ehemalige BMW-Designer zog weiter und gründete sein eigenes Unternehmen, dass es mit dem elektrischen Ocean ebenfalls nicht schaffte.
Von Fisker zu Wanxiang: Der Karma hat das ewige Leben
Jetzt versucht Karma mit dem Revero den Markenneustart auch in Europa - immer noch mit dem klassischen Design: Der 5,06 Meter lange Revero ist ein viertüriges "Coupé" mit endlos langer Motorhaube, niedrigem Dach, muskulösem Karosserieprofil und einem deshalb für die Größe eher kleinem Innenraum. Bald wird er auch in Europa erhältlich sein und dabei über das Vertriebsnetz der chinesischen Wanxiang-Gruppe vertrieben. Die Chinesen haben den kalifornischen Autobauer vor zehn Jahren bei einer Konkursauktion erworben und haben die regionale Verwaltung zu Kroymans gegeben, die sich auf den Verkauf von Luxus- und Premium-Automarken spezialisiert haben.
Nur der Rohbau erinnert noch an den Ur-Karma
Der 2020er Revero Gen 2 wurde im vergangenen Jahr abgelöst, als sich das Auto immer weiter vom 2011er Modell entfernte. Von der Ursprungsversion, vor zwei Jahrzehnten von Henrik Fisker gezeichnet, blieben kaum mehr als die Außenlinien und die Formgebung des Armaturenbretts erhalten. Die Karosserie, bestehend aus einer Kombination Aluminium-Spaceframe / Verbundwerkstoffe, bekam einen neuen Kühlergrill und eine elegantere Heckpartie, wobei die Linien erhalten blieben. Erst mit der Markteinführung der künftigen Modelle Gyesera und Kaveya (geplant für 2025 und 2026) wird eine neue Designsprache eingeführt, die das Werk von Chefdesignerin Michelle Christensen sind, die von Acura zur Karma wechselte.
Kein Solardach mehr - es war zu ineffizient
Die über fünf Meter lange, sinnlich gezeichnete Karosserie des Revero ist nach wie vor ein Hingucker, wobei auch der Innenraum viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, da er im Verhältnis zur Gesamtlänge des Fahrzeugs unglaublich klein ist. Gerade die Fondpassagiere reisen beengt und wer größer als 1,75 Meter ist, sollte unbedingt in der ersten Reihe Platz nehmen, sonst ruiniert das niedrige Dach die Frisur. Noch enger ist mit 181 Litern der Laderaum. Der Revero verzichtet auf das Solardach, das Sonnenstrahlen in elektrische Energie umwandeln konnte, weil seine Energieineffizienz so schlecht war, dass ein ganzer Tag unter der kalifornischen Sonne nur zwei mickrige kWh einsammelte. Stephan Stoker von Karma Europe erklärt uns:
„Wir haben das Gewicht von 2.490 auf 2.287 Kilogramm gesenkt, und das war zusammen mit dem neuen Benzinmotor/Generator wichtig, um die Reichweite der neuen Generation des Elektroautos zu erhöhen.“
Möglich wurde dies nicht zuletzt durch die Erhöhung des Energiegehalts der Lithium-Ionen-Batterie von 21 auf 28 kWh dank einer verbesserten Energiedichte. Die Revero-Diät hatte bereits 2020 begonnen, als der von General Motors stammende 2,0-Liter-Vierzylindermotor durch einen 1,5 Liter großen Dreizylinder-Turbo von BMW ersetzt wurde, der wenig imageträchtig auch den i8 befeuerte.
Der Benziner liegt unter der Haube - erzeugt aber nur Strom. Bis zu 128 gehen rein elektrisch.
Der Revero ist als Extended Range Electric Vehicle ein Plug-in-Elektrofahrzeug, da er nicht nur über einen Stecker aufgeladen werden kann. Der 170 kW / 231 PS starke Dreizylinder-Turbo versorgt das Akkupaket mit Energie, aus der auch die beiden Elektromotoren, mit jeweils 200 kW / 272 PS unter dem Kofferraumboden verbaut, ihre Leistung bekommen. Der Benzinmotor selbst unter der vorderen Haube ist jedoch nicht an den Antrieb gekoppelt, weshalb der Revero nur über einen Heckantrieb verfügt. Beim Nachladen hapert es gewaltig, denn die Lithium-Ionen-Batterie kann mit Wechselstrom (maximal 6,6 kW) oder Gleichstrom (maximal 45 kW) aufgeladen werden. Im Sport-Modus oder bei sehr niedrigem Ladezustand kann auch der Benzinmotor zur Energieversorgung herangezogen werden, was bedeutet, dass die 128 Kilometer elektrischer Reichweite um weitere 450 Kilometer ergänzt werden.
Beim Fahren im Elektromodus geht alles sehr leise zu und die Beschleunigung ist bis zum elektrischen Maximaltempo von 153 km/h sehr flott. Im Sportmodus mit Verbrennerunterstützung schafft der Karma Revero 0 auf Tempo 100 in 4,6 Sekunden und schmale 201 km/h Spitzentempo. Wer in den Sustain-Modus umschaltet, kann den rumpeligen Dreizylinder-Benziner vernehmen, der nicht zu einem Sportcoupé passen mag.
Der Dreizylinder passt einfach nicht zur eleganten Erscheinung
Wer das Triebwerk rannimmt und Gas gibt, macht es nur noch schlimmer. Zudem ist es um die Geräuschdämmung des Revero – auch aufgrund fehlender Doppelverglasung – ebenso wie um manche Details im Innenraum nicht zum Besten bestellt. Zudem sind die Auspuffendrohre hinter den Vorderrädern angebracht, was den ungeschliffenen Motorsound im Innenraum noch präsenter nerven lässt. Die Karma-Ingenieure erklären, dass der niedrige Schwerpunkt des Wagens Priorität hatte, so dass die Batterie im Mitteltunnel untergebracht werden musste und kein Platz vorhanden war, um die Auspuffrohre ganz nach hinten zu führen. Nun ja, an sich eine spannende Lösung - wenn vorn ein V8 installiert wäre. Oder man hätte ihn dann doch rein elektrisch belassen...
Das Fahrwerk: Bodennah und straff
Die Einzelradaufhängung vorne wie hinten in sportlicher Abstimmung sorgen für eine wirksame Kontrolle aller Wankbewegungen und bieten gleichzeitig ein gutes Komfortniveau, auch wenn die 22-Zöller viele Fahrbahnunebenheiten ins Innere weitergeben. Die Tatsache, dass jeder Elektromotor individuell ein Hinterrad ansteuert, ermöglicht dagegen einen elektronischen Sperrdifferentialeffekt und optimiert Haftung wie Traktion – gerade in engen Kurven. Dabei präsentiert sich die direkte Lenkung ausgewogen, aber sie bietet wenig Veränderungen, wenn der Fahrmodus gewechselt wird.
Zudem ist der Revero trotz eines Einstiegspreises von unter 150.000 Euro nicht mit elektronischen Stoßdämpfern ausgestattet , was jeden Fahrer davon abhalten wird, die Fahrmodi außer dem Elektroprogramm zu nutzen.
Am Ende hinterlässt er einen zwiespältigen Eindruck, denn das Antriebskonzept mutet exotisch an: Es kann weder das Gewicht massiv drücken - unter zwei Tonnen wäre hier die Ansage gewesen, noch die Reichweite drastisch erhöhen - hier wären über 700 km ein Wort gewesen. Und der Innenraum leidet unter der Optik - die ist aber nach wie vor ein Hammer! Und das, was das ganze Auto auszeichnet. Auch wenn Henrik Fisker mittlerweile zwei Unternehmen in den Sand gesetzt hat: Zeichnen kann er! Ob das reicht, in den Flotten der Vorstände ein einziges Auto zu verkaufen, darf bezweifelt werden, denn hier geht es auch um Restwerte und Service. Und dazu bräuchte Karma ein Netz...
Man darf gespannt sein, wie Michelle Christensen die Marke weiterführt. Auch sie bewies bei Acura schon ein feines Händchen...und auch sie ist blond und hat dänische Vorfahren, womit sich der Kreis zu Henrik Fisker zumindest im Design schließt.
Was bedeutet das?
Karma kommt zurück nach Europa. Um ganz ehrlich zu sein, ist es erstaunlich, dass die Marke überhaupt noch existiert, denn teils soll man im Jahr keine 1.000 Autos produziert haben. Und der Revero hat schon ein verdammt queres Package. Aber er sieht immer noch gut aus und: Totgesagte leben bekanntlich länger. Er scheint ein gutes Karma zu haben!
Für uns ins Revero-Lenkrad griff: Joaquim Oliveira; press-inform
Technische Daten:
Motor: Dreizylinder-Benziner mit Turboaufladung und zwei Elektromotoren / Range-Extender
Hubraum: 1497 ccm
Leistung: 400 kW / 544 PS
Max. Drehmoment: 746 Nm
Batteriekapazität: 28 kWh
Antrieb: Heck
Höchstgeschwindigkeit: 201 km/h
Beschleunigung 0 – 100 km/h: 4,6 Sekunden
Kofferraumvolumen: 181 Liter
Elektrische Reichweite: bis zu 128 km
Gesamtreichweite: 580 km
Normverbrauch: n.N.
Preis: unter 150.000 Euro
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