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Fahrbericht Jeep Avenger: Knackiger Kultkasten

Der elektrische Avenger ist mit 4,08 Metern Länge der kleinste Jeep seit dem Willys MB 1945. Was kann er in der Praxis?

Kurz und bündig: Der Avenger ist Jeeps neues Einstiegsmodell - rein elektrisch! | Foto: Jeep
Kurz und bündig: Der Avenger ist Jeeps neues Einstiegsmodell - rein elektrisch! | Foto: Jeep
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Gregor Soller

Seine nächsten Verwandten sind eigentlich DS 3, Opel Mokka und der Peugeot e-2008  – doch für den kommenden, in Polen produzierten Italo-Western (dem Avenger werden Alfa Romeo Brennero und Lancia Y folgen) hat Stellantis die e-CMP2 sich nochmal eingehend vorgeknüpft. Heißt, einen 54-kWh-Akku mit 102 Zellen in 17 Modulen installiert, der auch dank klügerem Thermomanagement 12(!) Prozent an Effizienz bringt, dazu kombinierte man erstmals den 115 kW (156 PS) Antrieb aus der Kooperation mit Nidec (+5 Prozent Effizienz), gönnte sich neue (kürzere) Crashboxen an Front und Heck und streckte den Radstand dezent.

Dank des steileren Hecks kann man im Gegensatz zu den eher coupéhaften Geschwistern nun sogar einigermaßen zu viert verreisen, auch wenn alle Passagiere 1,9 Meter messen. Eine solche Raumeffizienz kennt man sonst eigentlich eher aus dem VW-Konzern. Zumal im Heck noch ordentliche 355 l Ladevolumen verbleiben zu beladen über eine ein Meter breite Luke. Daniele Calonaci, Leiter Design der Marke Jeep in Europa ist leidenschaftlicher Mountainbiker, weshalb es ihm wichtig war, das man auch mal ein Fahrrad im kleinsten Jeep mitnehmen kann. Legt man das Volumen um, fänden 2443 Gummientchen im Avenger Platz und vorn hat man nochmal das Äquivalent von 580 Pingpongbällen oder 34 Litern an Stauvolumen untergebracht.

Gut „eingepackt“ – das spart Reparaturkosten

Ebenfalls die Vernunft, für möglichst günstige Versicherungstarife sehr gut reparable Autos zu bauen. Der Avenger wurde dazu rundum mit schlagfestem schwarzen Kunststoff beplankt, alle Leuchten und Scheinwerfer verbaute man vor allem an der Front so hoch und tief wie möglich. In Summe soll man so über den Lebenszyklus des Avenger bis zu 1.000 Euro Reparaturkosten sparen können. Wir stellen also fest: Bei aller Emotionalität kann so ein kleiner Jeep echt verdammt vernünftig sein!

Das bleibt er auch nach dem Druck des Startknopfes: Für erste Ausfahrten rund um Malaga wählten wir bewusst die zweitniedrigste Ausstattungsstufe Longitude, die ordentlich montiert, aber nicht allzu teuer eingerichtet ist: Hier spürt man den Preisdruck der Klasse, der viel harten Kunststoff und in unserem Fall auch eher günstige Sitzstoffe bedingt (in Polen startet der Verbrenner für 99.900 Zloty, das sind gut 21.618 Euro), dafür sitzt man auf weichen Polstern und auch das Fahrwerk werkt eher soft, was den Avenger eher zum komfortablen Begleiter macht. Dazu passt die leichte Lenkung, die aber genug Rückmeldung gibt, für unseren Geschmack aber gern eine Idee direkter übersetzt sein dürfte.

In Sport sind dann die kompletten 115 kW freigeschaltet samt der 260 Nm Drehmoment, was ein zügiges Vorankommen ermöglicht. Im Standard-Mode muss man kaum fühlbare Abstriche machen, während der Avenger die Leistung im Eco-Mode konzerntypisch zusammenstreicht – auf 60 kW, das sind noch 82 PS. Wenn damit 1,5 Tonnen bewegt werden müssen, wird das Ganze etwas betulich. In der Stadt macht das kein Problem, aber wer auf der Landstraße mal überholen will oder schnelle Spurwechsel auf der Autobahn plant, sollte es wissen. Laden kann man mit 11 kW AC und bis zu 100 kW DC, womit sich der Hub von 20 auf 80 Prozent laut Jeep in rund einer halben Stunde klappen soll, oder italienisch ausgedrückt: Während einem Drei-Minuten-Espresso kann man bis zu 30 km Reichweite nachladen.

Die verbesserte Effizienz ließ sich praktisch „erfahren“

Und der Verbrauch? Passt! Tatsächlich kommt man mit einem zarten Fahrpedalfuß über Land an die kolportierten 15,4 kWh/100 km Verbrauch heran, freudig gefahren und gut klimatisiert landeten wir am Ende bei 16,8 kWh/100 km – über 20 kWh sind bergan und auf schnellen Autobahnpassagen auch drin, blieben bei uns aber selten. Selten blieben auch unsere Fahrversuche abseits befestigter Straßen, wobei hier auch bei mehreren Kollegen ein interessantes Phänomen auftrat: Zwar ist der Avenger ein Frontantriebs-Kompakt-SUV wie es so viele gibt, aber eben ein Jeep! Und da fährt man dann auf einem extrem steinigen oder einem Untergrund mit fiesen Furchen doch mal weiter! Immerhin gibt es Pseudeo-Offroad-Fahrprogramme, gut 20 cm Bodenfreiheit und einen knackigen 32-Grad-Böschungswinkel hinten…und gut beplankt ist er ja auch! Sodass wir durchaus auch mal ein Stück abseits befestigter Straßen herumturnten, was die für 2024 angekündigte Allradversion sicher noch viel besser können wird.

 

Schickes Interieur mit eher günstiger Haptik

Und sonst? Freuten wir uns am gelungenen Interieur und einer einigermaßen eingängigen Bedienung. Das Auto im allgemeinen und das Navi im Besonderen dürfte gern eine Idee schneller hochfahren, zumal Letzteres an kniffeligen Abzweigen, wo sich die Straße in zwei Abfahrten aufteilt, zwar einigermaßen ausführlich erklärt, wo es genau hinginge, das aber nur plump anzeigt. Etwas Unvernunft, die man dem kleinen Kerl nachsieht, denn Optik, Platz und Verbrauch stimmen, während die Preise der Stromer in Deutschland schon merklich höher liegen als die Benziner-Basistarife in Polen oder Italien. Trotzdem erfuhr sich der Avenger bei uns einen kleinen Stein ins Brett, auch weil er nicht gleich aufgibt, wenn sich unter ihm mal deutlich größere und gröbere Steine auftun.

Das scheinen viele potenzielle Kunden ebenso zu sehen: Ohne, dass sie ihn live gesehen hätten, haben ihn bereits 20.000 Kunden in ganz Europa geordert – was für einen ganz neuen ganz kleinen Jeep ein ganz großer Start ist. Jetzt kann man nur hoffen, dass davon nicht allzu viele sind, die statt seiner vorher seine Verwandtschaft ins Auge gefasst hatten…

Was bedeutet das?

Jeep hat mit dem Avenger einen gelungenen Einstieg geschaffen. Er sollte seinen Weg machen!

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