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Fahrbericht Jaguar I-Pace

Jaguars vollelektrischer I-Pace überrascht mit einem starken, schnellen und stimmigen Konzept.

Der I-Pace kombiniert SUV und Sportwagen und bietet auf knapp 4,7 Meter fast die Platzverhältnisse des XJ. | Foto: G. Soller
Der I-Pace kombiniert SUV und Sportwagen und bietet auf knapp 4,7 Meter fast die Platzverhältnisse des XJ. | Foto: G. Soller
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Gregor Soller

Die neueste Raubkatze präsentierte Jaguar mehrfach und ausführlich. Immerhin läutet sie auch ein neues Zeitalter ein und soll den trotz SUV-Invasion etwas in Stocken geratenen Vorwärtsdrang der Marke wieder neu beflügeln. Entstanden ist er übrigens in „Startup-Atmosphäre“ an der Universität Warwick, wo rund 150 Mitarbeiter und Studenten das Auto binnen vier Jahren zur Serienreife brachten, wie sein „Schöpfer“ und Initiator, Wolfgang Ziebart erzählt.

Extrem flache Strukturen und freies Arbeiten sorgten für ein Konzept, das auf Renn- und dezenten Offroadstrecken funktioniert. Richtig gehört. Denn der I-Pace ist dank geschicktem Package eine inhaltlich und optisch sehr gelungene Mischung aus Sportwagen und SUV sowie Klassik und Moderne - die Jaguar mit extremer Eleganz zu verbinden weiß. Dazu passen zumindest in den höherwertigen Linien auch wieder Optik und Materialien, nachdem man hier in letzter Zeit etwas übers Ziel hinaussparte und sich etwas vom Premium-Anspruch entfernte: Nur den Fensterheberschaltern sieht man diese Sparsamkeit noch an.

Das Package ist komplett neu und üblich für reine Elektrofahrzeuge weltweit, heißt: Die 90 kWh bietende Lithium-Ionen-Batterie aus 432 Pouch-Zellen packte man platzsparend in den Fahrzeugboden. Die werden, in einem Wasserbad stehend, von unten gekühlt und sollen so auch langfristig hitzeresistent sein. Was bei der gebotenen Leistung auch geraten ist: Denn wenn 400 PS und knapp 700 Newtonmeter ab 0 Umdrehungen über die Raubkatze herfallen, springt diese sofort los – und animiert erstmal nicht zum schleichen.

Also, zügig losgeschnurrt, was auf Standardrouten dank langem Radstand und guter Balance sowie üppiger Dämmung sehr geschmeidig funktioniert. Doch da die neue Elektro-Plattform auch Land-Rover-Modelle tragen wird, kann sie natürlich auch Offraod und das gar nicht mal so schlecht: Die entsprechende Fahrprogrammwahl bestätigt die Katze mit einem Anheben des Fahrwerks um bis zu fünf Zentimeter – in echt harten Gelände nicht die Welt, aber auf fiesen Schotterpisten schon etwas, mit dem man arbeiten kann. Ein Vorteil ist außerdem die exakte Dosierbarkeit der Stromzufuhr, die es einem extrem erleichtert, sich im Gelände angemessen gefühlvoll zu bewegen. Auf den kurvigen Straßen der Eifel juckt es dann aber doch hin und wieder in den Sport-Modus zu schalten, der Fahrwerk, Lenkung und Gasannahme strafft und das Ganze mit einem künstlichen, aber stimmigen V8-Donnern untermalt. Jetzt ist es fast schade, dass man nicht noch tiefer sitzen und komplett auf Sportwagen machen kann. Der Stromverbrauch überschreitet dann die 30kWh-Marke und die Reichweite würde auf 200 Kilometer zusammenschnurren.

Also wieder Fuß vom Gas und Vernunft walten lassen: Dazu passt auch der 656 Liter fassende Laderaum, der sich auf bis zu 1453 Liter erweitern lässt, womit der I-Pace den größeren Porsche Panamera Sport Turismo dezent überbietet. Die Katze kann also auch ein bisschen praktisch, ihre Domäne sind aber natürlich schnelle Fernreisen respektive das elegante Vorfahren auf knirschendem Asphalt. Kann sie auch, wobei die kolportierte Reichweite mit 480 Kilometern in der Praxis eher auf gut 300 Kilometer plus großem X zusammenschnurrt. Das hängt ganz davon ab, wie intensiv man das gebotene souveräne Potenzial von 294 kW (400 PS) und 696 Nm Drehmoment nutzt. Dafür strafft der Dynamic-Modus die Muskeln der Raubkatze. Auf der Piste duckt sich die Katze ab 105 km/h 10 mm tiefer über den Asphalt und gript sich durch die Kurven, wobei der lange Radstand und das Gewicht hier für ein souveränes, aber nicht extrem leichtfüßiges Fahrgefühl sorgen - da ist die Physik unerbittlich - vor allem in den engen Kurven der Eifel. Im Ernstfall entscheidet sich die Katze trotz perfekter 50-50-Balance an Vorder- und Hinterläufen für ein dezentes untersteuerndes Schieben über Erstere. Irgendwann wechselt man dann freiwillig dann Eco-Mode zurück (der die gebotene Kraft übrigens praktisch nicht beschneidet) und erfreut sich an steigenden Reichweiten.

Die Extreme hätten wir also abgesteckt, jetzt gilt es den Alltag abzuchecken: Der entspricht auf den teils kurvigen Straßen der Eifel mit ihrem ständigen Auf und Ab in etwa den Midlands, der Heimat der Raubkatze. In beiden Gegenden wurde der I-Pace laut Ziebart ausgiebig erprobt. Wenn man Gelassenheit walten lässt, pendelt sich der Verbrauch dann zwischen gut 20 und 25 kWh auf 100 Kilometern einpendelt. Braves Schnurren ermöglicht dann schnell auch 400 Kilometer Reichweite. Per Touchscreen lässt sich die Rekuperation in vier Stufen einstellen. In der höchsten Stufe verzögert der I-Pace so stark, dass man allein mit dem Gaspedal fahren kann – und verzögert, indem man dieses einfach lupft.

Beim schnellen DC-Laden kann die Katze bis zu 100 kW aufnehmen, womit die üblichen akkuschonenden 80 Prozent Batteriekapazität in einer guten Stunde wieder geladen wären. Später sollen auch bis zu 150 kW möglich sein. Bei der Entwicklung des I-pace stand das Thema „Schnellladen“ mit mehr als 50 kW noch nicht so im Fokus wie heute, woran man sieht, wie schnell sich das Thema entwickelt. Wer das per einphasigem AC-Laden erreichen will, braucht dafür sieben Stunden Geduld. Ab 2019 will man jedoch optional ein dreiphasiges AC-Ladegerät anbieten, das man aber nicht nachrüsten kann. Das Suchen von Lademöglichkeiten soll die Kooperation mit PlugSurfing erleichtern. Dort gibt es ein Lade-Abonnement. Der langsame AC-Ladevorgang kostet einen monatlichen Grundpreis von 45,80 Euro (brutto), womit pro Ladevorgang die erste Stunde abgedeckt ist, danach kostet jede Minute 8 Cent. Beim DC-Ladevorgang gibt es die ersten 30 Minuten umsonst, danach werden pro Minute 42 Cent fällig, womit das DC-Laden dann deutlich günstiger wird, je stärker die Ladeleistung der entsprechenden Station ist.

Das Infotainment ist prinzipiell klar gegliedert, bietet mittlerweile aber auch sehr viele Untermenüs und braucht etwas Eingewöhnung, bis man fehlerfrei - und doch nie ganz, ohne hinzusehen, das „erwischt“ hat, was man benötigt. Einige Updates will Jaguar künftig „on air“ aufspielen. Bei unserem ersten Testauto verhaspelte sich dabei das Außenthermometer: Es zeigte anfangs statt 28 Grad plus 38 Grad minus an – entsprechend sparsam arbeitete die auf 17 Grad eingestellte Klimaanlage. Am Ende der ersten Fahrt stimmte die Temperatur dann und der zweite Testwagen temperierte perfekt. Schade nur, dass die Klimatisierung ab Gebläsestufe drei deutlich lauter wird als in eins und zwei – ein Problem, dass der I-Pace sich mit fast allen Autos teilt.    

Noch ein Wort zu Preisen und Verfügbarkeit: Da der I-Pace neben dem E-Pace bei Magna in Graz gebaut wird, kann man die Produktion flexibel der Nachfrage anpassen. Aktuell steht man ungefähr bei erträglichen sechs bis sieben Monaten Lieferzeit. Die Preise starten bei 65.420 Euro netto, womit der Jag rund 6500 Euro über Teslas Model S 75 D eingepreist ist – das mit dem I-Pace einen ersten echten Gegner erhält, der die vorgelegte „Pace“ der Kalifornier mal ganz locker mitgehen kann. 

Was bedeutet das?

Kein Wunder, dass Dr. Ziebart das Konzept von VWs I.D-Plattform „sehr gut“ findet – auch wenn man nicht über die Konkurrenz spricht. Er hat es nämlich schon umgesetzt und daraus einen kompletten elektrischen Neuanfang für die Marke Jaguar geschaffen – der viele Ansprüche und Ideen sehr hübsch verpackt zu einem stimmigen Gesamtfahrzeug zusammenkomponiert. Very well done!

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