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Fahrbericht eGO Life 60: Kleiner Kurvenräuber

Bei der ersten ausführlichen Fahrt mit dem Elektrokleinstwagen hinterlässt der E-Kompaktwagen einen höchst agilen, ausgereiften Eindruck, den auch preisbewusst gewählte Materialien nicht trüben können.

Straßenfeger: Der eGO Life interpretiert das Thema des Austin Mini auf neue, elektromobile Art. Er ist ultra-kompakt und mega-agil. | Foto: J. Reichel
Straßenfeger: Der eGO Life interpretiert das Thema des Austin Mini auf neue, elektromobile Art. Er ist ultra-kompakt und mega-agil. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Da hat Hans-Joachim "Strietzel" Stuck schon recht: Der eGO fährt genau dahin, wo er soll, so sein trockener Rennfahrerkommentar nach seiner ersten Proberunde. Und aus seinem Munde darf man das durchaus als Kompliment verstehen. Die hohe Agilität dieses elektrisch angetriebenen Kleinstwagens erinnert schon stark an den Mini der ersten Generation, als er noch "mini" im eigentlichen Sinne war und als kleiner Kurvenräuber die Rallye-Ranglisten durcheinanderwirbelte. "Wir wollten, dass er ein bisschen fährt wie ein Go-Kart", meint eGO-Gründer und CEO Günther Schuh, der sich offen als "Car-Guy" und leidenschaftlicher Autoenthusiast outet. Nur muss neue Mobilität nachhaltig und vergnüglich sein. Und das will er mit dem eGO Life umgesetzt haben.

Operation gelungen, kann man nur sagen. Das Fahrwerk hat eine muntere Direktheit und die Lenkung eine Präzision, die sofort Vertrauen stiftet und Fahrspaß vermittelt. Dazu gesellt sich ein kompakter Wendekreis von 8,8 Meter, der den Life für den Stadtverkehr prädestiniert. Die Federung ist dabei straff, ohne bockhart zu sein, Kanaldeckel oder Schlaglöcher verarbeitet das Fahrwerk aus Mc-Pherson-Vorder- und DeDion-Hinterachse ehrlich, aber mit gewissem Grundkomfort. Die Lenkung bleibt zudem weitgehend unbehelligt von Stößen, ein weiterer Vorteil des Hinterradantriebs. Ob es wirklich noch ein Sportfahrwerk braucht, wie für die in Genf gezeigte Edel-Variante Concept Sport vorgesehen, ist fraglich. Aber gut, die Geschmäcker sind ja verschieden.

Der Alu-Spaceframe sorgt für hohe Steifigkeit

Zum höchst agilen Handling trägt natürlich auch die steife Karosseriestruktur aus dem Alu-Spaceframe mit Stahlquerstreben im Dach bei, die keinerlei Verwindung zeigt. Die Seitenneigung wird auch durch die schwerpunktsenkenden Akkus wirksam unterdrückt, obwohl das Fahrzeug mit 1,58 Meter relativ hoch baut. Das ein oder andere Klappern aus dem Inneren der Armaturen fällt auch deshalb auf, weil der Bosch-Antrieb mittlerweile äußerst diskret und leise arbeitet.

In der gefahrenen Topvariante mit 60 kW Leistung, hier noch wegen der fehlenden ESP-Freigabe auf 53 kW gedrosselt, legt die heckseits platzierte Maschine mit ihren über 200 Nm Drehmoment wenn nötig mit dem 1,2 Tonnen-Wägelchen so vehement los, dass man die formal 3,5 Sekunden auf 50 km/h sofort abnimmt. Übertreiben sollte man es aber nicht: Ohne ESP wischt dann schon mal das Hinterteil weg, das E-Mobil fängt sich aber sofort wieder und bleibt generell sehr gut beherrschbar, auch dank ausgewogener Achslastverteilung von 48/52. Trotzdem: Das ESP ist in der Topversion ein Muss und sicher hilf- und segensreich.

Der homologierte Verbrauch liegt ziemlich hoch

Was in den First Edition-Fahrzeugen im Verein mit dem fehlenden ESP ebenfalls noch außen vorbleibt, ist die damit eng verknüpfte Rekuperation. So rollt und rollt das Fahrzeug, was im Sinne der Effizienz sicher kein Schaden ist, sofern man vorausschauend fährt. Die Betriebsstopper - vorne und hinten Scheiben - packen dafür verlässlich und direkt zu. Über den Verbrauch lässt sich natürlich nicht abschließend urteilen, aber die 23 kWh, die die sportiv orientierten Probefahrer als Spuren im Bordcomputer hinterließen, sind jedenfalls nicht allzu weit weg von den Werksangaben, die homologiert nach WLTP jetzt mit 19,9 kWh/100 km taxiert werden, was bei der First Edition eGO Life 60 inklusive Ladeverlusten 89 Kilometer Reichweite mit der kleinsten Batterie (23,5 kWh) ergeben soll.

Für einen Mini wäre das allerdings ganz schön maxi, wenn man überlegt, dass wir einen Hyundai Kona Electric auch mit 16 kWh/100 km im Mix fuhren oder einen 3,5-Tonner-E-Transporter von MAN mit 22,5 kWh/100 km klarkam. Aber gut, das hat der Fahrer ja in gewisser Weise selbst im "Gasfuß", wie Günther Schuh völlig korrekt anmerkte. Aus seiner Sicht erzieht das E-Auto generell zu eher sparsamer denn sportiver Fahrweise, mag es noch so Spaß machen.

Übersichtliche Karosserie - preiswertes Plastik

Neben dem Fahrwerk eine weitere Sahneseite ist die übersichtliche Karosserie: Der Blick zur Fahrzeugfront aus dem für einen Kleinwagen hoch positionierten, anständig konturierten Gestühl ist top, mit den Spiegeln kommt man klar und auch die "Rücksicht" ist tadellos dank relativ großer Fensterflächen. Die Instrumente selbst geben keine Rätsel auf, der Bordcomputer liefert die wichtigsten Infos, das JBL-Navi kostet extra und fügt sich mit seiner simplen Bedienung gut in das Gesamtkonzept, ebenso wie die simpel per Drehdrücksteller bedienbare Lüftung mit Digitaldisplay und die Klimaanlage. Auch die zahlreichen und offenen Ablagemöglichkeiten überzeugen. Manche Schalter und Taster wie auch die Türgriffe kommen einem von Peugeot bekannt vor, woher sie auch stammen - ergonomisch sicher kein Schaden und auch hier eine kostensenkende Maßnahme.

Die Verarbeitung der relativ schlichten Kunststoffe, mancher mag sie als billig empfingen, ist ordentlich, wenngleich die aus Kostengründen aufgesetzte Plastikabdeckung des Beifahrerairbags schon relativ grobschlächtig wirkt, die Haptik des Armaturenträgers sehr kostenbewusst und die Dachhimmelverkleidung in ihrer Bundeswehrdecken-Melange etwas grabbelig. Aber das wird keinen der für den Life angepeilten Käufer stören, wenn dadurch der Preis im Rahmen bleibt. Und wie gesagt, eine Edel-Version ist in der Pipeline.

Der Mini-Effekt: Außen kompakt, innen großzügig

Zurück zu den Sahneseiten: So gefällt auch das Raumgefühl mit dem hohen Dach und der großzügigen Beinfreiheit, ein weiterer Querverweis zu Alec Issigonis Geniestreich. Denn es sind tatsächlich nur 3,34 Meter Länge beim eGO Life, auf denen man fallweise vier erwachsene Personen - und im Kofferraum noch zwei Träger Sprudel - durchaus unterbringt. Stritzel Stuck hat natürlich auch diese Herausforderung angenommen und ging voll besetzt auf rasante Probefahrt. Sein "Popometer" habe ihm nichts negatives "sensoriert", erklärte die Rennsport-Legende abschließend: Lenkung, Bremsen, Dynamik, das ist ganz nach dem Geschmack von Stuck.

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