Fahrbericht BMW i7: Das Meisterstück
Ja, er ist groß - fast schon gewaltig. Und er bietet von allem verdammt viel – egal ob Platz, Performance oder Komfort. Wir öffnen das elektrische Portal der neuen Siebener-Reihe und nehmen auf einem kuscheligen Merino-Kaschmir-bezogenen Sitz Platz - im Fond. Denn mit 3,21 Meter Radstand bei 5,39 Meter Länge, 1,95 Meter Breite und 1,54 Meter Höhe (plus je fünf Zentimeter) schließt der i7 zu Rolls Royce auf. Per 5,5-Zoll-Touchscreen in der Türtafel bringen wir uns in eine komfortable Position, wozu es allerdings etwas Geduld braucht: Denn der Beifahrersitz will nach vorn hinwegverneigt werden bevor der Rücksitz samt ausfahrender Unterschenkelauflage in die Fläche fährt und vorn eine Fußstütze ausfährt. Jetzt die Megascreen aus dem Dach klappen und der Kinofilm könnte beginnen.
Doch stopp - cut! Der Siebener ist immer auch ein Auto zum selbst fahren und wir wechseln doch auf den Sitz vorn links, quasi als unser eigener Chauffeur, zumal uns BMW eine serpentinige Route über den Mount San Jacinto State Park ausgesucht hat, die jede Menge Fahrspaß verspricht.
Fahrwerk und Lenkung: Perfekt austariert – aber Größe und Gewicht kriegen sie nicht kaschiert
Gern übernimmt der Kollege bis zum Gipfel den Platz im Fond und wir gipelstürmen los. Und stören uns allenfalls am rauen Asphalt der US-Straßen, der die einzige wirkliche Geräuschquelle im i7 zu sein scheint, wenn man auf die „Iconic“ Sounds verzichten möchte, die unserer Meinung nach nicht in allen Fällen gelungen sind - Geschmackssache. Fahrwerk und Lenkung sind wie zu erwarten über jeden Zweifel erhaben: Alle Unebenheiten gleich welcher Art verschwinden im Auto bevor sie zu den Passagieren durchdringen ohne dass der i7 je schwammig oder unkomfortabel wirken würde. Hier hilft ihm auch der aktive Wankausgleich. Dazu kommt die präzise Lenkung, die die perfekte Mitte zwischen spitz und dezent findet. Da die Hinterachse bei der optionalen Integrallenkung mitlenkt, unterstützt das die Fahrstabilität oder ermöglicht U-Turn auf 12,3 Metern.
Was BMW allerdings nicht mehr gelang: Auf engen Serpentinen und Landstraßen kriegt man die schiere Größe und Masse des i7 nicht mehr kaschiert – da wirkt der X7 seltsamerweise drahtiger und verbindlicher. Entsprechend liegt auch das Fahrverhalten gefühlt näher am Rolls Royce Phantom als am Fünfer. Was laut Projektleiter Christian Schneider auch gefordert war. Tatsächlich lag der Siebener manchen Premiumkunden zuletzt tatsächlich zu nah am Fünfer, mit dem er eng verwandt ist.
Kraft: Immer mehr als genug – bei genügsamem Verbrauch
Und so erklimmen wir zügig den nahen Mount San Jacinto State Park auf gut 3000 Metern Höhe und die 544 PS entfalten sich dabei deutlich spontaner als im 760i mit 4,4-Liter-V8, der trotz zweier Turbos immer erst mal Drehmoment aufbauen muss. Weshalb der Elektroantrieb für uns in diesem Setting ein Muss ist – da brauchen wir Benziner, Diesel und Plug-ins nicht mehr diskutieren. Zumal der i7 extrem effizient ist: Auf unserer rund 400 Kilometer langen gut klimatisierten und nicht sonderlich sparsam gefahrenen Tour kamen wir laut Anzeige am Ende bei 19,2 kWh/100 km heraus, das wären brutto mit Ladeverlusten rund 21,1 kWh/100 km – wenig für so viel Auto. Selbst auf anspruchsvollen Passagen zeigte der Bordrechner nie mehr als 22 bis 23 kWh an, was brutto noch erträgliche 24 bis gut 25 kWh/100 km wären. Offiziell gibt BMW 18,4 bis 19,6 kWh/100 km an. Ihr Effizienzversprechen hätten die Bayern damit eingelöst, zumal der cW-Wert von 0,24 jetzt nicht zu den allerbesten im Segment zählt.
Beim Display hielt man Maß – und packt lieber Holz oder Carbon dazu
Auch im Siebener thront jetzt das „Curved Display“, das ein 12,3 Zoll großes Information Display und 14,9 Zoll großes Control Display hinter einer gemeinsamen, zum Fahrer hin gebogenen Glasfläche vereint. Dass hier nicht alles Screen ist, verzeichnen wir positiv, stattdessen gibt es eine klassische Edelholz- oder Carbon-Interieurleiste. Die Lüftungsbedienung folgt dem Unsinn mit „diffus“ oder „dynamisch“ im iX und die Luftausströmer wurden über die gesamte Breite der Instrumententafel kaschiert. Sie lassen sich, ergonomisch leider auch nicht ganz günstig, mit kleinen Gummieinstellern justieren. Das aber immerhin einfachst mechanisch. Nach wie vor erschließt sich uns nicht, weshalb alle Hersteller die Klimatisierung neu erfinden wollen und diese damit immer verschlimmbessern…zumal man hier mit Sprache (noch) nicht viel steuern kann.
Die neue Innenraumkamera ermöglicht zwar Schnappschüsse und die Übertragung von Interieuraufnahmen auf das Smartphone des Kunden, dazu kommt aber eine weitere Kamera im Instrumentencluster, die es gar nicht mag, wenn man mit einer Hand auf zwölf Uhr lenkt, denn sie will die Augen des Fahrers lesen können – sonst macht sie Stress.
Der Fahrassistent plus übernimmt auf dem Highway komplett – über zig Meilen
Völlig relaxed dagegen der Fahrassistent plus, an den wir auf dem Highway übergeben – durchaus bei 120 km/h. Wir nehmen die Hände vom Lenkrad und die Füße vom Fahrpedal und der i7 fährt allein – meilenweit. Selbst als wir länger absichtlich zur Seite blicken, beschwert er sich nicht, holt das auf der zweiten Runde aber nach. Spurwechsel? Einmal den Blinker antippen und der i7 wechselt. Und blinkt dabei zur Sicherheit immer mindestens sechs Mal. Vorn schert jemand ein, der schneller ist? Der i7 erkennt das und bleibt cool. Jemand ist langsamer? Dann verzögert er gekonnt. Die Frage ist nur: Was sollen wir, die wir ja grundsätzlich selbst gern ins Lenkrad greifen, jetzt tun? Denn den Blick von der Straße dürfen wir ja doch nicht nehmen. Trotzdem: Für ewige Strecken auf US-Highways oder nervige chinesische Staus hat das schon was!
Man gewöhnt sich sehr schnell an den Luxus des i7 - tatsächlich auch an die elektrisch öffnenden Türen, wenngleich die schon arg dekadent rüberkommen und vergleichsweise viel Zeit brauchen – und wehe, man steht zu nah daneben – dann stoppen sie sofort. Aber sie bleiben auch zu, wenn die Kamera im toten Winkel einen herannahenden Radler oder ein Auto erkennt. Praktisch sind sie für Chauffeure, die dann nicht mehr ums Auto herumtanzen müssen, zumal man alle vier auf einmal öffnen kann – eher für die Show. Der Kofferraum geht mit glatten 500 Litern in Ordnung, Variabilität wie beim EQS oder Tesla Model S mit großer Heckklappe ist nicht vorgesehen – und hier auch nicht oberste Priorität.
Extrem viel Bein- und Kopffreiheit auch im Fond
Zeit zu wechseln – in dem Fall in den Fond. Der bietet extrem viel Sitzhöhe, auch weil der höchste Punkt des Autos nicht die B-Säule ist, sondern leicht dahinter liegt, wie uns Sebastian Simm, Lead Exterior Designer des BMW i7 erklärt. Nachdem bergab noch Serpentinen anstehen, lassen wir den Theaterscreen erstmal oben, bringen den Sitz aber trotzdem schon mal in Stellung: Das geht mit dem 5,5-Zoll-Touchpad in der Türverkleidung. Dann fährt der Beifahrersitz nach vorn, die Rückenlehne des Rücksitzes stellt sich flacher und unten fährt die Lendenwirbelstütze aus, bevor ganz zum Schluss die Fußstütze untern Beifahrersitz vorklappt. Ja, auch hier braucht es etwas Geduld, aber man muss nicht groß nachdenken und sitzt ziemlich perfekt. So perfekt, dass wir auf das Drücken der Reset-Taste verzichten und in Lümmellage liegen bleiben. Nach kurzer Eingewöhnung hat man auch alle Möglichkeiten der 5,5-Zoll-Screen erlernt und kann mehrere wirksame Massageprogramme, Sitzheizung und -Lüftung steuern. Letztere wird aber schon ab Stufe zwei unangenehm laut. Auch das Infotainment bedient man so und jetzt klappen wir die Leinwand runter.
Im Winter kann man wie bei Tesla ein Feuerchen anmachen und die 31,3- Zoll-Touchscreen ist als Panoramadisplay im 32 : 9-Format mit 8K-Auflösung ausgelegt, was allerdings entsprechende Filme braucht, sonst kann es manchmal etwas unscharf werden. Abgerundet wird das Ganze optional mit dem Bowers & Wilkins Surround Sound System, das tatsächlich fetten Raumklang samt toller Umhüllung schafft – sodass man nicht mehr erkennt, wo die einzelnen 35 Speaker sitzen. Vier im Dach, dazu kommen welche, die in die Kopfstützen integriert sind optional Exciter in den Sitzlehnen. Wir sind excited, als wir ankommen: Tatsächlich hatten wir noch nie eine derart entspannte Testfahrt, bei der wir selbst so wenig ins Lenkrad griffen.
500 Kilometer Reichweite sind immer real
Noch ein Wort zu Akku und Reichweite: Dank 101,7 kWh Nettokapazität sind laut BMW 591 bis 625 Kilometer gemäß WLTP drin – im Alltag soll noch keiner der Mitarbeiter weniger als 500 Kilometer geschafft haben. AC-Laden klappt mit bis zu 22 kW – dann wäre der i7 in knapp sechs Stunden wieder am Start, DC klappt mit bis zu 195 kW. Dann wäre der Hub von 20 auf 80 Prozent in rund 30 Minuten abgeschlossen oder anders: Binnen 10 Minuten können rund 170 Kilometer Reichweite nachgeladen werden. Dabei hilft die ladeoptimierte Vorkonditionierung der Batterie durch vorausschauendes Wärmemanagement. Wie gesagt, das Thema Effizienz können sie in München.
Was bedeutet das?
Die Kunden, die vom Topmodell der BMW-Limousinen ein Meisterstück forderten, dürften zufrieden sein: BMW hat an allen zur Verfügung stehenden Schrauben gedreht und dabei die Größen- und Gewichtsspirale vielleicht ein bisschen überdreht. Denn selbst wenn wir etwas weniger Innenbreite und –höhe hätten, fänden wir noch meisterlich Platz!
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