Fahrbericht Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4: Schlange unter Strom
Starten wir, ganz wichtig bei Alfa, mit der Optik. Machen wir gleich einen Haken dran – die Karosserie konnte weitgehend unverändert von der Studie aus Genf in die Serie überführt werden und Alfa war schlau genug bei den Scheinwerfern und Rückleuchten das charakterstarke Triple wieder aufzugreifen, was man zuletzt an 159 und Co. sah. Der war auch der letzte Alfa, der Werk Pomigilano d`Alto vom Band lief – dem Werk, das die stolze Marke einst für den Alfa Sud aus dem Boden stampfte. Und das jetzt innerhalb des Stellantis-Konzerns die beste Qualität liefern soll – denn laut der präsentierenden Alfa-Truppe gab es konzernintern im ersten Halbjahr 2022 für kein Modell weniger Reklamationen als für den Tonale. Sodass man auch hier gleich fünf Jahre Garantie gibt.
Innen: Der Tonale ist ein typischer Alfa – mit ordentlichem Raumangebot
Wir öffnen die Türen und nehmen in einem typischen Alfa-Ambiente Platz, heißt: Eisbecherinstrumente, die digital die Ur-Giulia zitieren sowie wertige Taster und Schalter auf der Mittelkonsole, darüber thront der unvermeidliche hier 10,25 Zoll große Zentralscreen. Deren Icons sind zwar etwas klein, dafür punktet sie mit gelungener Bedienstruktur. Nach unten und zu den Rändern schlängelt sich das Ambiente dann in eine weniger wertige Anmutung hinweg. Wir wechseln in den Fond und können dem gut 4,5 Meter langen Plug-in hier für die Größe ein ordentliches Platzangebot bescheinigen – man muss sich nicht hineinschlängeln, sondern kann gut aus- und einsteigen.
Der Tonale bevorzugt in der Regel die E-Maschinen - viel mehr als 50 km sind real aber kaum drin
Zeit, endlich den im Lenkrad sitzenden Startknopf zu drücken und – endlich in einem Alfa – NICHTS zu hören. Wir reißen den Gangwahlprügel auf „D“ und schlängeln uns durch die diversen Seitenstraßen und Kontrollen vom Testgelände in Balocco. Dabei fällt uns die arg synthetisch wirkende Lenkung auf, die erst bei höheren Tempi härter wird oder wenn man den „DNA“-Drehschalter eben auf „D“ wie „dynamisch“ stellt. „A“ bemüht prinzipiell die E-Maschinen, während „N“ je nach Bedarf zwischen den Antrieben hin- und herswitcht. Dabei bleibt es erstaunlich lange ruhig: Sofern man das Fahrpedal nicht zu sehr tritt, nutzt der Tonale bevorzugt die E-Maschinen – auch die Serpentinen ins Gebirge hinauf. Nur bei Überholmanövern oder wenn es doch deutlich zügiger gehen soll, kommt der 1,3-Liter-Turbobenziner dazu, der aus seinem kompakten Hubraum allerdings keinen Hehl macht und gern gedreht werden möchte. Bei Bedarf geht es aber binnen 6,5 Sekunden auf 100 km/h.
Und obwohl wir es grundsätzlich begrüßen, die Bedienung wieder zu vereinfachen, hätten wir hier gern Fahrwerk, Lenkung und Gaspedalkennung individuell eingestellt, denn das straffe Setting passt einfach viel besser zum Alfa als die City-Komfortauslegung, bei der dann trotz komplett umgekrempelten Fahrwerk ab und an der Jeep durchscheint. Denn Alfa hat das Setting komplett auf den DNA-Drehschalter verlegt: „A“ ist die zahmste Einstellung und auch bei D bleibt die Lenkung noch sehr leichtgängig und synthetisch – erst bei „D“ strafft die Schlange aus Mailand dann ihre Muskeln, dann ist es allerdings Essig mit dem leisen Strömen. Stattdessen ist der 1,3-Liter immer hellwach und prinzipiell einen Gang zu niedrig unterwegs, damit der Tonale jederzeit beim kleinsten zucken des Gaspedals „zuschnappen“ kann.
Der Verbrauch: Ab 100 Kilometern auf Diesel-Niveau, dann wird es tendenziell mehr
Auf unserer gut 100 Kilometer langen ersten Runde blieb er aber sehr sparsam: Der Akku reichte dank Rekuperation bergab für gut 50 Kilometer, sodass sich zu den 15,5 kWh Strom 4,1 Liter Super/100 km addierten. Kostenseitig wäre man aber mit dem Diesel wohl in ähnliche Regionen gefahren…weshalb wir uns auch bei Alfa Romeo auf die reinen Stromer freuen. Der erste dürfte als kompakter „Brennero“-SUV ein Bruder des Jeep Avenger werden und wie dieser (zusammen mit einem ebenfalls folgenden Lancia dieses Zuschnitts) im polnischen Tichy bei Krakau gebaut werden.
Fahren: Angenehmes Eindrehen im Grenzbereich, fein regelndes ESP
Zum Abschluss noch mal auf den Rundkurs, wo wir es dann doch wissen wollen: Nachdem der Alfa auch auf Komfort achtet und als SUV gar nicht so niedrig baut, „wankt“ er in den Kurven deutlich stärker als die vorauseilende Giulia – was bei SUV der Bauhöhe geschuldet ist – außer man legt sie unkomfortabel straff aus. Denn der Grenzbereich liegt sehr hoch und das Torque-Vectoring dreht ihn beim Gaswegnehmen wunderbar in die Kurven ein. Dabei hilft ihm auch, dass der Schwerpunkt dank des 206-Kilo-Lithium-Ionen-Akkus von CATL gegenüber den Verbrennern leicht nach unten sinkt.
Akku und E-Maschine im Heck helfen auch, die Gewichtsverteilung auf 53:47 zwischen Vorder- und Hinterachse ins Gleichgewicht zu verschieben. Der 132-kW-Verbrenner an der Vorderachse und der 90-kW-Elektromotor (90 kW) an der Hinterachse sind nicht physisch miteinander verbunden. Ihr Zusammenspiel wird rein elektronisch koordiniert. Auch deshalb hält sich das Untersteuern schwer in Grenzen. Das ESP bremst die kurveninneren Räder leicht an und sobald man Gas gibt, teilt es zuerst den kurvenäußeren Rädern wieder Kraft zu, weshalb der Tonale auch gut wieder aus den Kurven herauspfeilt. All das ist sehr fein und präzise abgestimmt – von einem dezent regelnden ESP fein orchestriert. Nicht wild genug? Dann kann man es auch komplett wegschalten!
Und im Gegensatz zu den dezent ruckeligen Mildhybriden hängt der Plug-in in Stellung „D“ immer gierig am Gas, während die Aisin-Sechsgangbox ihre Gänge gekonnt hin- und herstuft. Insofern können wir auch dem Tonale bescheinigen, dass Alfa Fahrwerk und Optik nicht verlernt hat, bei Ersterem hier allerdings stärkere Kompromisse machen musste als bei den heckgetriebenen „Grigios“ wie Giulia oder Stelvio, die auch wegen der größeren Maschinen eine ganze Klasse erwachsener wirken.
Nachdem wir die Schlange zischend über den Rundkurs gejagt haben, darf sie zurück ans Kabel, das hier leider fahrerseitig eingesteckt wird und im Kofferraum verstaut werden muss. Ungünstig, wenn in der Stadt nur ein Ladepunkt vor dem Auto frei ist – dann sollte man besser sieben als fünf Meter Ladekabel an Bord haben. Aber dafür lädt der Tonale mit bis zu 7,4 kW binnen 2,5 Stunden oder mit drei kW in 5,5 Stunden. Da die E-Maschine im Heck thront, geht etwas Ladevolumen verloren: Es beträgt noch 385 bis 1.430 Liter – was für das Familiengepäck am Wochenende noch reicht, da der Kofferraum viel Grundfläche bietet. In Sachen Elektrifizierung und Digitalisierung hat Alfa nachgelegt: E-Control ermöglicht die Steuerung verschiedener elektrischer Funktionen, darunter Laden und Klimatisierung, online über die App My Alfa Connect. Darin zeigt das Dynamic Range Mapping auch den noch verbleibenden Radius bei elektrischem Fahren an – natürlich auch auf der Karte des bordeigenen Navigationssystems. Der Charging Station Finder zeigt die nächstgelegenen öffentlichen Ladestationen an und My eCharge gestattet in der My Alfa Connect App den direkten Zugriff auf Angebote von Free2Move eSolutions für Laden an öffentlichen und privaten Stationen.
Für Flotten interessant sein könnte My eCharge: Es weist den Weg zu öffentlichen Ladestationen, überprüft die Lademethoden und visualisiert den Ladeverlauf, nimmt Zahlungen vor und steuert die eigene Wallbox. So lässt sich regeln, wie viel Strom verbraucht werden soll beziehungsweise, ob der Ladestrom erhöht, verringert, aktiviert oder deaktiviert werden soll. Und natürlich baut auch Alfa Romeo sein Ökosystem an Dienstleistungen aus.
Was bedeutet das?
Alfas erster (Teilzeit-)Stromer ist tatsächlich der beste Tonale und punktet mit den markentypischen Tugenden wie Optik und Fahrwerk. Aber für das ganz große Comeback der Marke ist er charakterlich zu brav und kompromissbeladen – aber befindet sich in bester Gesellschaft: Auch die kompakten Premium-Plug-ins der Konkurrenz tun sich hier motorisch schwer, Leidenschaft zu entfachen.
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