Werbung
Werbung

Expertenrat mahnt Verkehrsministerium zur Einhaltung der Klimaziele

Der Expertenrat für Klimafragen stellt ein Gutachten zur Einhaltung der Klimaziele 2022 vor und mahnt das säumige Verkehrsministerium zur Einhaltung des Gesetzes sowie der Pariser Beschlüsse. Gehe es im bisherigen Tempo weiter, würden die Ziele bis 2030 um 40 Prozent verfehlt. Abschied vom "fossilen Kapitalstock" zu langsam.

Die Uhr tickt: Die Bundesregierung droht ihre Klimaziele bis 2030 krachend zu verfehlen, vor allem der Sektor Verkehr ist völlig neben der Spur, mahnt der ERK. | Foto: ZukunftGas/Thomas Meinicke
Die Uhr tickt: Die Bundesregierung droht ihre Klimaziele bis 2030 krachend zu verfehlen, vor allem der Sektor Verkehr ist völlig neben der Spur, mahnt der ERK. | Foto: ZukunftGas/Thomas Meinicke
Werbung
Werbung
Johannes Reichel

Der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung hat die Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA) bestätigt: Die Treibhausgasemissionen seien 2022 im Vorjahresvergleich insgesamt gesunken, allerdings nicht in allen Sektoren. Im Vergleich zu 1990 liegen die Emissionen um über 40 Prozent geringer. Deutschland will bis 2030 den Treibhausgasausstoß um mindestens 65 Prozent reduzieren und bis 2045 treibhausgasneutral werden. Der ERK (Expertenrat für Klimafragen) bestätigt den dringenden klimapolitischen Handlungsbedarf insbesondere im Verkehrssektor. Außerdem mahnt er auch für die Zukunft ein wirksames Klimaschutzgesetz an. In dem gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) jährlich erstellten Bericht prüft und bewertet der Expertenrat die vom Umweltbundesamt nach sieben Sektoren gegliederte Berechnung der Vorjahres-Treibhausgasemissionen. Neben der Prüfung legt der Expertenrat vertiefend die Emissionsentwicklung einzelner Sektoren dar und nimmt eine Einordnung der Eckpunkte des Koalitionsausschusses vom 28. März zur Novelle des Klimaschutzgesetzes vor.

"Wir sehen, dass wir eigentlich in keinem Sektor wirklich auf einem guten Weg sind", erklärte die Stellvertretende Vorsitzende des fünfköpfigen Expertenrats Brigitte Knopf am Montag bei Vorstellung des Berichts.

Der Abschied vom "fossilen Kapitalstock" gehe zu langsam vonstatten, speziell im Verkehr und in den Heizungskellern. Der Bestand an Verbrennerfahrzeugen habe sich nur "marginal" reduziert, Wärmepumpen setzten sich nur langsam durch. Ändere sich das nicht, könnte das Land seine eigenen und auch die Pariser Klimaziele für 2030 krachend verfehlen. Auf etwa 40 Prozent unter Plan taxiert der Rat in seiner Prognose diese Verfehlung bis 2030, wenn das bisherige Tempo beibehalten würde.

Sondereffekte drückten die Emissionen

Der Rat verweist zudem auf Sondereffekte, die die Emissionen im vergangenen Jahr hätten sinken lassen. Nach der Logik des Klimaschutzgesetzes würden in diesen Sektoren Sofortprogramme fällig. "Und wir gehen davon aus, dass das Gesetz Gültigkeit hat", mahnte der Vorsitzende des Rats Hans-Martin Henning, ungeachtet der Einigung der Regierung von Ende März, die Sektoren künftig "aggregiert", also über alle Bereiche zu betrachten. Dadurch werde die "Verantwortung der Ressorts aufgeweicht und das "Risiko für zukünftige Zielverfehlungen" erhöht, kritisierte Knopf.  Der Bericht sei eine "schallende Ohrfeige für die Klimapolitik der Bundesregierung. Es gebe keine Spielräume in anderen Sektoren, kritisierte der Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser.

„Der ERK bestätigt die Berechnungen des Umweltbundesamtes. Die unabhängige wissenschaftliche Überprüfung ist unerlässlich für eine seriöse und verlässliche Klimapolitik. Hierfür danke ich dem Expertenrat ausdrücklich. Der Rat bestätigt, dass wir die Klimaziele im Energiesektor trotz der Energiekrise und zahlreicher schmerzlicher Maßnahmen halten konnten", konstatierte der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, Stefan Wenzel.

Mit Blick auf die weiterhin bestehenden Herausforderungen bis 2030 sei der Kurs der Bundesregierung, den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung signifikant zu beschleunigen, genau richtig. Da das Ziel im Gebäudesektor allerdings weiter verfehlt werde, wolle man das bisher vorgesehene Sofortprogramm aus dem Vorjahr zeitnah überprüfen, so Wenzel weiter. Damit entspreche man auch der geltenden Rechtslage.

"Zugleich nehmen wir die Hinweise zur Novelle des Klimaschutzgesetzes sehr ernst. Wir werden diese im Ressortkreis beraten. Gerade die Ressortverantwortung wird auch in Zukunft wichtig bleiben. Wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt, daher müssen in allen Sektoren die Emissionen weiter deutlich sinken, vor allem auch im Verkehrssektor", mahnte Wenzel kaum verhohlen auch in Richtung Verkehrsministerium.

Laut des Expertenrats für Klimafragen sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland 2022 voraussichtlich um knapp 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Zu diesem Gesamtergebnis tragen die einzelnen Sektoren in unterschiedlichem Umfang bei. Während die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie und Landwirtschaft die Sektorzielwerte des Klimaschutzgesetzes jeweils einhalten, gibt es im Gebäudebereich zwar einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, aber immer noch eine leichte Zielüberschreitung um vier Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Weiter deutliche Überschreitung im Verkehrssektor

Eine deutliche Überschreitung der Zielwerte zeigt sich im Verkehrssektor, wo die nach Gesetz zulässige Jahresemissionsmenge um 9,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten wird. Auch steigen im Verkehrssektor die Emissionen gegenüber dem Vorjahr erneut an. Der ERK bestätigt in seiner Einordnung auch die hinter der Emissionsentwicklung 2022 liegenden Einflussfaktoren: eine deutliche Steigerung bei der Erzeugung von Strom aus Wind und PV, zum Teil starke Produktionsrückgänge und Energiesparmaßnahmen im Industrie- und Gebäudebereich sowie die milde Witterung dämpften den Treibhausgas-Ausstoß, während der verstärkte Betrieb von Kohlekraftwerken zu höheren Emissionen führte.

"Die Entwicklung ist folglich durch die Energiekrise getrieben, sowie zum Teil auch der Witterung aber auch erster struktureller Effekte der Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung zuzuschreiben", so das Urteil.

Die Daten zeigten aber auch, dass die Minderungsanstrengungen erheblich verstärkt werden müssen, um die Klimaziele einzuhalten.

Expertenrat betont Bedeutung sektorbezogener Verantwortung

Der ERK geht zudem auf die jüngst getroffenen politischen Vereinbarungen der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Klimapolitik ein. Er betont u.a. die Bedeutung der sektorbezogenen Zuständigkeit und die Ressortverantwortung. Auch seien bei der Bewertung der nationalen Klimaziele europarechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen. Einige weitere Reformansätze, wie die stärkere Orientierung an Emissionsprojektionen für die Bewertung der Zielerreichung und die Verabredung umfassender Klimaschutzprogramme jeweils zu Beginn jeder Legislatur werden positiv bewertet. Der Expertenrat für Klimafragen hat die Treibhausgasemissionsdaten für das Jahr 2022 geprüft und eingeordnet. Das Umweltbundesamt hatte die Daten am 15. März 2023 veröffentlicht und gemäß den Bestimmungen im Bundes-Klimaschutzgesetz an den unabhängigen Expertenrat für Klimafragen zur Prüfung übergeben, legt das BMKW dar.

 

Werbung
Werbung