Exklusiv-Interview Hans Pehrson, Leiter Polestar 0 : Ein Projekt wie die Mondlandung
Hans Pehrson ist seit vier Jahren bei Polestar war zuletzt Leiter der Forschung und Entwicklung. Ein erfüllender Job, doch Pehrson freut sich trotzdem, sich jetzt komplett dem Thema CO2-Neutralität verschreiben zu können. Im Interview klingt zwischen jeder Zeile eine unheimliche Begeisterung durch, zumal er sich der Größe des Projekts, das er gern mit der Mondlandung 1969 vergleicht, bewusst ist. Wir haben ihn zum Projekt und den Hintergründen gefragt
Ist Polestar 0 Project wirklich ein ganz neues Fahrzeug oder steht dahinter ein Projekt, das in die kommenden Polestar Modelle einfließen wird?
Hans Pehrson: Es handelt sich um ein komplett neues Fahrzeug, dessen Präsentation noch fast zehn Jahre vor uns liegt. Das ist eine lange Zeit, aber die Klimaneutralität beginnt für uns hier wirklich in der Mine, wo Erze geschürft werden oder dem Bauwollfeld, wo Materialien für den Innenraum angebaut werden. Das alles muss auch transportiert werden, bevor daraus ein Auto entsteht, mit einem Lebenszyklus von mindestens zwanzig Jahren, und dann wieder vollständig recycelt werden sollte. Das ist ein ganz neuer Ansatz, der ein ganz neues Auto nötig macht.
Das klingt nach hohen und idealistischen Zielen?
Pehrson: Die wir allein nicht erreichen können – nicht einmal mit den Partnern, die wir dazu bereits an Bord haben. Wir haben jetzt Profis für Alu, Stahl, die Beleuchtung, die Antriebstechnik, aber es gibt zudem so viele weitere Materialien wie Kabel, Kunststoffe oder Reifen – all das müssen wir genau betrachten. Weshalb wir hier den Ansatz des „Open Call“ gewählt haben: Jeder, der irgendeine Idee hat, wie man CO2 vermeiden kann, ist herzlich eingeladen, an dem Projekt mitzuwirken!
Gibt es schon konkrete Produktplanungen oder -beschreibungen?
Pehrson: 2030 ist noch weit weg und es geht hier nicht darum, nur ein Concept Car zu schaffen. Zum Typ und den Stückzahlen kann ich in diesem Stadium noch gar nichts sagen. Wichtig ist nur: Es wird ein Fahrzeug, das kommerziell in Serie produziert werden wird – das ist wichtig!
Fließen die Ideen der Entwicklung auch in die aktuellen Produkte ein?
Pehrson: Die werden ohnehin immer weiterentwickelt und auch hier sind wir natürlich bestrebt, den CO2-Fußabdruck immer weiter zu reduzieren. Aktuell stehen wir beim Polestar 2 bei rund 25 Tonnen pro Fahrzeug und ich gehe davon aus, dass wir bis 2029 auch hier schon viel weniger emittieren.
Wo sehen Sie in dem Projekt die größten Hebel und Herausforderungen? Bei den energieintensiven Rohmaterialien, der Produktion oder beim Transport?
Pehrson (lächelt): Die größte Herausforderung ist ganz klar das Gesamtpaket, wirklich ALLES zu überdenken und wo möglich zu ändern. Nun ist das Verfahren der Stahlherstellung im Grunde seiner Entwicklung über 1000 Jahre alt und auch die Aluerzeugung ist seit 200 Jahren bekannt, das Ausschmelzen von Glas aus Sand wurde im vorderen Orient schon vor über 3000 Jahren erfunden – all die Prozesse blieben seither vom Grundsatz gleich. Ich glaube, wenn wir hier neue, nachhaltige Methoden entwickeln, kommen wir einen ganz großen Schritt weiter. Man muss nur darauf achten, das gut zu bündeln, denn ich möchte hier keine Konkurrenz zwischen Erfindern, Verfahrenstechnikern und Entwicklern – denn alle Sparten sind nötig, um das Problem gesamtheitlich zu lösen.
Material und Produktion sind das eine, Supply Chain und Transport ist das andere – welche Lösungen streben sie hier an?
Pehrson (lächelt wieder): Supply Chain über große Distanzen war zur Zeiten der Segelschiffe gar nicht so CO2-intensiv. Aber das letzte kommerzielle Segler fuhr vor über 100 Jahren…aber um den Transport kommen wir nicht herum, schon allein, weil Materialien und Kunden nie am gleichen Ort sitzen. Aber auch hier gibt es noch extrem viel Potenzial zu heben – unter anderem wird je gerade wieder über Segel im Schiffsverkehr diskutiert.
Wäre es nicht auch ein Ansatz, die Autos einfach noch langlebiger zu machen? Sie erwähnten ohnehin schon einen Lebenszyklus von zwanzig Jahren, den ja viele Volvo-Modelle schon seit jeher erreichen. Also einmal Polestar kaufen und dann immer wieder refurbishen und updaten?
Pershon: Meine Kollegin, Frederika Klarén, ist Head of Sustainability und sie beschäftigt sich mit ihrem Team intensiv mit solchen Themen. Der Anteil an recycliertem Material steigt sowieso beständig, da brauchen wir gar nicht bis 2030 warten. Aber beim Polestar 0 Project kommt dieses Thema später. Denn zuerst müssen wir das CO2 in der Entstehung aller Prozesse eleminieren.
Wie sieht der Zeitplan dann konkret aus?
Pehrson: Rechnen wir zurück: Wir müssen 2030 fertig sein, das heißt bis spätestens 2027 muss das finale Package stehen, vorher muss die grundsätzliche Architektur stehen, was uns ins Jahr 2025 bringt. Das heißt, bis 2025 müssen wir sämtliche Fragen, die wir eingangs besprachen, gelöst haben. Da wird es dann schon spannend, doch an der CO2-Neutralität führt kein Weg vorbei, darüber herrscht Konsens – weshalb auch viele Unternehmen, Städte oder Regionen angekündigt haben, bis zum Zeitpunkt x CO2-neutral sein zu wollen. Doch aktuell sehe ich viele Ankündigungen und wenig konkrete Taten. Deshalb unser konkreter Zeithorizont: 2030 werden wir das erste wirklich CO2-neutrale Auto haben, 2040 wird unser Unternehmen CO2-neutral sein.
Wird das Polestar 0 Project dann der Blueprint für alle weiteren Polestar Modelle sein?
Pehrson: Der Zeithorizont ist noch weit weg, aber das Projekt ist auch entsprechend groß. Aktuell kann ich ihnen nicht sagen, wie das Polestar Portfolio zwischen 2030 und 2040 aussehen wird, aber 2030 werden wir das CO2-neutrale Auto am Start haben. Und wenn wir das können, können es auch andere. Da ist noch so viel Potenzial drin! Lassen Sie unsere Vorstellungskraft die einzige Grenze für neue Ideen sein! Denn aus der Perspektive unseres Planeten ist das so bitter nötig!
Dazu würden auch zusätzliche Projekte wie das Lastenrad von Polestar passen? Denken Sie da auch weiter?
Pehrson (lacht): Wir denken hier immer perspektivisch in vergleichsweise langen Zeiträumen. Ich vergleiche das Thema CO2-Neutralität immer mit der Mondlandung 1969. Das war ein großes Ziel, das Jahre vorher ausgegeben wurde und noch 1962 hatte man nicht die nötige Technik dafür beisammen. Und in dieser Entwicklung gab es zahlreiche Spin-off-Effekte. Heißt auf Polestar übertragen, dass wir auch hier so manchen Spin-Off-Effekt haben und manchen Neuentwicklungen oder auch Produkte schon vor 2030 kommen.
Ein sehr guter Vergleich…
Pehrson: …den ich auch noch weiter ziehen möchte bezüglich unserer Anstrengungen. Die zweitbeste Lösung wird hier nicht genügen. Das wäre, als wäre man zum Mond aufgebrochen, aber leider ist die Landekapsel dann auf dem Mond abgestürzt. Um wirklich CO2-neutral zu werden, brauchen wir hier wirklich die besten Ideen und Lösungen! Weshalb wir hier auch nochmal alle aufrufen, mitzumachen – egal, ob Erfinder, Start-Up, Professor oder wer auch immer eine gute Idee hat – melden Sie sich!
Vita:
Hans Pehrson ist der Projektleiter des Polestar 0 Projects. Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung in der Autoindustrie war Hans als Technischer Direktor des Volvo C30 Electric, dem ersten Elektroauto der Volvo Car Group, und als Manager von Volvo Cars Electric Propulsion System Engineering tätig und unterstützte die London EV Company bei ihrem All New TX - The Electric Taxi. Er begann bei Polestar 2018 als Leiter der Forschung und Entwicklung, bevor er 2021 die Rolle des Polestar 0 Projektleiters übernahm. Hans setzt sich leidenschaftlich dafür ein, die Branche in Richtung Elektrifizierung voranzutreiben und einen Weg zu finden, um Autos mit fossilen Brennstoffen vollständig abzuschaffen. Auch das Polestar 0 Project, das darauf abzielt, den gesamten CO2-Fußabdruck zu eliminieren, der derzeit bei der Herstellung eines komplexen Produkts wie eines Autos anfällt, ist für ihn eine Leidenschaft. Er lebt in Göteborg und arbeitet im Polestar Hauptquartier.
Das Interview führte Gregor Soller
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