Euro 7-Norm: Schnelleres Ende für den Diesel?
Die Europäische Kommission hat erste Anhaltspunkte zur kommenden Euro-7-Norm für Pkw durchblicken lassen, über die zuerst die Bild am Sonntag berichtet hatte. Demnach könnten die Emissionsvorgaben für Stickoxide so streng werden, dass sie beim Diesel-Motor nur mit größtem Aufwand einzuhalten sein würden. Laut BAMS vom 15.11. 2020 hätten Experten aus ganz Europa der "Advisory Group on Vehicle Emission Standards" eine 66-seitige Studie erarbeitet und würden empfhelen, dass neue Autos künftig lediglich noch 30 mg NOx pro Kilometer ausstoßen dürfen, in einer zweiten Version von nur noch 10 mg/km. Die Grenzwerte sollen offenbar unabhängig vom Verbrennungs- bzw. Antriebsprinzip gelten. Wie oben beschrieben erlaubt Euro 6 Dieseln noch 80 mg/km, Benzinern 60 mg. Die Grenzwerte sollen auch nicht nur bei Temperaturen von minus 10 bis plus 40 Grad erfüllt sein, sondern auch in 1000 oder 2000 Meter Höhe.
Verschärfter RDE-Zyklus setzt hohe Hürden
Zudem soll der sogenannte "Kaltstart-Bonus" entfallen, der beim aktuell ohnehin schon strengeren RDE-Zyklus noch gewährt wird und der kurz nach dem Motorstart höhere Emissionen erlaubt. Somit müssten Selbstzünder wie früher die Vorkammer-Versionen erst einmal "Vorglühen". Zudem müsste die Elektronik bei Belastungsspitzen, etwa im Anhängerbetrieb oder bei schneller Autobahnfahrt, immer wieder die Leistung drosseln, um im erlaubtn Emissionsfenster zu bleiben. Generell bliebe das Problem auch bei Kurzstrecken bestehen. Andernfalls bräuchten Pkw ebensolche SCR-Anlagen, wie sie bei Lkw üblich sind - mit entsprechenden Auswirkungen auf den Preis. Der Diesel würde schlicht zu teuer.
Die Auswirkungen zeigen sich bereits heute: Nach einer Analyse des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen wurden in den ersten neun Monaten in der EU-15 inklusive Schweiz nur mehr 27,2 Prozent aller Pkw-Neuwagen mit einem Selbstzünder geordert.
VDA hält Vorgaben für nicht machbar - EU-Kommission bleibt hart
Aus Sicht von VDA-Präsidentin Hildegard Müller wären die neuen Anforderungen schlicht nicht zu schaffen. "Mit der Einführung der geplanten EU-7-Norm wird die EU-Kommission Autos mit Verbrennungsmotor ab 2025 de facto verbieten", erklärte Müller gegenüber Deutschen Presse-Agentur. Die Kommission wolle vorschreiben, dass künftig ein Fahrzeug in jeder Fahrsituation "quasi emissionsfrei" bleiben müsse – sei es mit Anhänger am Berg oder im langsamen Stadtverkehr. Müller meint, das sei technisch unmöglich und "das wissen auch alle". Der EU-Kommissions-Vizepräsident und Klimaschutzbeauftragte Frans Timmermans kontert, sofern die Hersteller die Regularien erfüllten, könnten sie die Technologie auch weiterhin einsetzen.
Das teuerste aus zwei Welten: Diesel und Plug-in-Hybrid
Das dürfte allenfalls mittels Hybridisierung der Modelle möglich sein, was beim Selbstzünder allerdings zwei teure Technologien vereint und bisher nur von Daimler praktiziert wird: Plug-in-Hybrid-Diesel. Eine stückzahlenmäßig exotische Lösung: Laut Süddeutscher Zeitung waren von 128.000 PHEVs in Deutschland nur 15.000 Modelle mit einem Selbstzünder kombiniert. Darüber hinaus waren nur noch 26,9 Prozent der Diesel auf Privatkunden zugelassen. In Ländern ohne Diesel-Privileg wie Großbritannien oder die Schweiz ist der Dieselanteil schon ziemlich marginalisiert auf 16 respektive 23 Prozent.
Was bedeutet das?
Wenn es sich bewahrheitet, was sich jetzt andeutet und die Euro-7-Vorgaben wirklich so kommen, würde sich die Lücke zwischen E-Fahrzeugen und Selbstzündern wahrscheinlich schließen. Das wäre einerseits gut für den schnelleren Markthochlauf der Elektrofahrzeuge. Andererseits könnte sich als Pyrrhus-Sieg erweisen, was die EU Kommission da plant. Denn statt den Fokus zu sehr auf eine weitere Reduzierung von NOx zu richten, sollte man lieber sehen, wie wir noch schneller von den CO2-Emissionen herunter kommen, die dem Klima stärker zusetzen - ohne jetzt die Folgen von Stickoxiden für die Gesundheit verharmlosen zu wollen.
Gerade hier aber hat der Diesel in bestimmten Anwendungen wie Langstreckenfahrten oder schweren Gewichten wie mit Anhänger oder bei Vans noch seine Berechtigung. Leider haben die Hersteller ihn mit all den Schummeleien selbst derart ins Abseits geschoben, dass Rudolf Diesels zündende Idee kaum noch eine Chance auf ein Comeback haben dürfte. Aber stattdessen auf Plug-in-Hybrid-Turbobenziner zu setzen und das dann als "klimafreundlich" zu verkaufen, das ist Augenwischerei. Und wieder einmal Klimaschutz auf dem Papier, nicht in der Realität. Davon wird das Klima (eigentlich ja der Mensch) aber noch weniger geschützt. Es hilft alles nicht: Eine ehrliche CO2-Steuer und die Abschaffung von sinnfreien Dieselprivilegien wäre die fairste Lösung.
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