EU will strengere Grenzwerte für Luftreinhaltung - München unter Druck
In der Europäischen Union sollen bald niedrigere Grenzwerte für verschiedene Luftschadstoffe in Kraft treten. Darauf haben sich Vertreter des Europaparlaments und der EU-Länder geeinigt, die neue Höchstgrenzen etwa für Feinstaub, Stickstoffdioxid (NO₂) und Schwefeldioxid (SO₂) festlegten. Das teilte das Europaparlament mit. Auch die belgische EU-Ratspräsidentschaft bestätigte eine Einigung. Diese muss noch offiziell von den EU-Staaten und vom Parlament gebilligt werden. In den meisten Fällen ist das aber Formsache. Die neuen Regeln sollen in der EU das Risiko von Gesundheitsschäden minimieren. Zudem sollen Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf Entschädigung bekommen, wenn sie wegen nicht nicht eingehaltener Grenzwerte erkranken.
Für bestimmte Feinstaubpartikel sowie Schwefeldioxid sollen die Grenzwerte sogar halbiert werden. Bei NO2 sinken die Grenzwerte von 40 auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, bei Feinstaub PM10 ebenfalls von 40 auf 20 Mikrogramm, für Ultrafeinstaub PM2,5 soll ein Zielwert von 10 statt 25 Mikrogramm gelten. Beide Schadstoffe haben Forschungen zufolge einen besonders großen Einfluss auf die Gesundheit, skizzierte das Europaparlament. Besonders Feinstaubpartikel der Kategorie unter 2,5 Mikrometer sind gefährlich, weil sie sich in der Lunge ablagern und zudem in den Blutkreislauf und damit bis ins Gehirn vordringen können.
Die neuen Regeln sollen die Basis bilden für den EU-Aktionsplan Null Schadstoffe in Luft, Wasser und Boden, den die Kommission 2021 präsentiert hatte. Obwohl die Luft in der EU in den vergangenen Jahrzehnten durch gesenkte Grenzwerte schon sauberer wurde, beeinträchtigten Schadstoffe nach wie vor die Gesundheit und die Umwelt schwer, so die Argumentation. Die EU geht nach jüngsten Zahlen für das Jahr 2021 von rund 253.000 Todesfällen aus, die im Zusammenhang mit Feinstaubwerten über den empfohlenen Grenzen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) standen.
Städte befürchten Fahrverbote
Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Agrarausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins, kritisierte die Einigung. Neue Maßnahmen, die sich insbesondere auf den Straßenverkehr und die Landwirtschaft auswirkten, gingen zu weit, teilte er mit und warnte vor Fahrverboten oder dem Stopp von Bauprojekten. Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken befand wiederum gegenüber dem Medium, es sei eine gemeinsame Verantwortung, dass Luft für alle sicher sei.
"Die Auswirkungen der Luftverschmutzung sind am drastischsten bei den europäischen Bürgern der Arbeiterklasse, die nicht einfach in die Vororte ziehen oder sich Luftfilter leisten können", klagte Wölken.
In Deutschland wird die Luft seit mindestens 15 Jahren mittels eines Messnetzes kontinuierlich überwacht und das Umweltbundesamt dokumentiert die Messwerte auf einer interaktiven Karte. Im Zuge richteten Großstädte Umweltzonen ein, in die ältere Fahrzeuge, die mehr Schadstoffe ausstoßen, nicht hineinfahren dürfen. An besonders schmutzigen Orten wie am Neckartor in Stuttgart wurden sogar Luftstaubsauger aufgestellt, um die Feinstaubbelastung zu senken.
Unterdessen entflammt die Debatte um Fahrverbote im ebenfalls stark betroffenen München ebenfalls wieder auf. Zwar hält die Stadt die Feinstaubgrenzwerte seit 2012 ein. Beim NO2 allerdings lagen Abschnitte wie die bundesweit meistbefahrene Straße Landshuter Allee vergangenes Jahr mit 45 Mikrogramm wieder deutlich über dem aktuellen Wert. Mit den neuen Grenzwerten würden die Jahresmittelwerte an 29 von 59 Messstellen wieder überschritten. Die Deutsche Umwelthilfe und der alternative Verkehrsverband VCD hatten die Stadt verklagt auf Einhaltung der Grenzwerte. Bei einem Vergleich hatte man sich auf ein dreistufiges Verfahren zur Einfahrbeschränkung von Dieselfahrzeugen geeinigt, dessen zweite und dritte Stufe die Stadt allerdings aussetzte. Dagegen klagten die Verbände erneut, weshalb am 14. März der Verwaltungsgerichtshof ein weiteres mal darüber verhandeln muss. Die DUH hält sogar die neuen Grenzwerte für zu lasch und verweist auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, die bei Feinstaub 5 µg/m3 empfiehlt. Hier drohen ab 2030 neue Rechtsstreitigkeiten.
Die aktuelle Einigung der EU kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch denn auch heftig und bezeichnet sie als verantwortungslos. Man begrüße zwar neue, schärfere Grenzwerte für Luftschadstoffe, aber sie müssen auch so schnell wie möglich wirksam sein. Das sei hier definitiv nicht der Fall.
"Die neuen Grenzwerte ab 2030 sind zu lax und enthalten zu viele Ausnahmen. Zum einen sind die Jahresmittelgrenzwerte für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid und für Feinstaub PM2,5 doppelt so hoch wie die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Zum anderen wurden so viele Ausnahmeregelungen aufgestellt, dass die Menschen teilweise noch zusätzlich zehn Jahre krankmachende Luft atmen müssen", kritisierte Resch.
Den Mitgliedsstaaten gehe es mehr um die Vermeidung von konkreten Maßnahmen als um die Vermeidung unnötiger Todesfälle durch Luftverschmutzung. Damit vergibt die EU die Chance auf wirklich Saubere Luft für die nächsten Jahrzehnte. Resch forderte die Bundesregierung auf, diesen historischen Fehler wettzumachen und schnellstmöglich die Grenzwertempfehlungen der WHO für Deutschland umzusetzen.
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