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Meinungsbeitrag

EU-Verbrennerausstieg: Grau ist alle E-Fuel-Theorie oder - Rechthaberei an der Regierung

Nach der 16-Stunden-Marathon-Sitzung der Umweltminister stellt sich die Frage, warum die FDP halb Europa ausbremst mit einer Technologie, die keine Chance auf Anwendung im Pkw hat. Bis 2035 wird kein Hahn mehr nach Verbrennern krähen. Aber der FDP-Chef Lindner vermutlich noch 911er fahren statt Taycan. Fortschrittspartei?!

Pfeift auf den fachlichen "common sense": FDP-Minister Volker Wissing beharrt auf E-Fuels, obwohl man selbst in der Autoindustrie für den Pkw im allerbesten Fall eine Nischenanwendung sieht. E-Fuels werden in der Schiff- oder Luftfahrt dringlicher benötigt. | Foto: DB/Oliver Lang
Pfeift auf den fachlichen "common sense": FDP-Minister Volker Wissing beharrt auf E-Fuels, obwohl man selbst in der Autoindustrie für den Pkw im allerbesten Fall eine Nischenanwendung sieht. E-Fuels werden in der Schiff- oder Luftfahrt dringlicher benötigt. | Foto: DB/Oliver Lang
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Johannes Reichel

In einem zähen Ringen haben sich die Umweltministerinnen und Umweltminister der 27 EU-Staaten nun doch noch auf eine Kompromisslinie geeinigt, die vorsieht, dass ab 2035 nur noch CO2-neutrale Neuwagen zugelassen werden sollen. De facto heißt das: Alles auf Elektro. "Das ist die einzig richtige Entscheidung", kommentierte denn auch der Deutschland-Chef der Umwelt-NGO T&E. Aus seiner Sicht ist schon 2035 der allerspäteste Zeitpunkt zum Ausstieg, soll das Klimaziel für 2050 noch irgendwie erreichbar sein. Es geht ja nur um Neuwagen, die ab dem Datum noch zehn bis fünfzehn Jahre auf den Straßen rollen. "Niemandem wird ab 2035 verboten, mit Benzin oder Diesel weiterzufahren", beruhigte Cornelis die erhitzte Debatte. Adressat der Regelung sind weniger die Kunden, sondern primär die Autokonzerne, die damit Klarheit haben. Von der VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo hieß es am Dienstag, man sehe auch mit klimaneutralen Treibstoffen und E-Fuels keine Perspektive für den Verbrenner.

"Dieser Zug ist längst abgefahren. Politisch, gesellschaftlich und in unserer Unternehmensstrategie", gab die oberste Vertreterin der Arbeitnehmenden zu Protokoll. Und der VW-Chef Diess sekundierte: "Es kann kommen - und wir sind am besten darauf vorbereitet". 

Wie ein Atavismus mutet da der paradoxe FDP-Rollback an, der zudem peinlich ist und im Kreis der EU-Regierungen für Verwirrung sorgte: Ja zu den Klimazielen und ja zum Verbrenner?! Auf Drängen der deutschen FDP, dem sich einzelne andere Länder, die generell eine zögerliche Klimaschutzlinie fahren, anschlossen, wurde ein Passus aufgenommen, dass mit E-Fuels betriebene Verbrenner-Fahrzeuge auch nach 2035 zugelassen werden können. Im Koalitionsvertrag hieß es eigentlich und aus Sicht der Grünen eindeutig:

"Gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen – entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus. Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können".

Zumal in der Präambel die Formulierung fast keine Zweifel lässt: "Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir (...) die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen." Als "nachweisbar nur" und "außerhalb des Systems der Flottengrenzwerte" ist für Fachleute wie auch für Grünen-Umweltministerin Steffi Lemke eigentlich nur zu verstehen, dass es sich um schwere Nutzfahrzeuge oder etwa Feuerwehrfahrzeuge oder Baumaschinen handelt, für die es bis dahin wirklich keine Alternative zum Verbrenner geben sollte. Aber auch bei Trucks und Baumaschinen tut sich derzeit einiges in Richtung batterieelektrisch. Klar, mit E-Fuels ist der (regenerative) Energieaufwand fünf bis sechsmal so hoch, die synthetischen Kraftstoffe sind kaum besser als der "good old Diesel", über den Lebenszyklus spart ein E-Fuel-Auto gerade mal fünf Prozent zum Benziner.

Die FDP hat hier aber eine ganz eigene Interpretation und will darunter unbedingt auch alle Pkw verstehen. Das Wörtchen "nur" an exakt dieser Position scheinen die Liberalen in ganz liberaler Auslegung einfach überlesen zu haben. Es heißt auch nicht "nur nachweisbar mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge". Es gibt neben dem Wortlaut auch den "Geist eines Gesetzes" - und den verneint die FDP in einer fast schon kindischen Art und Weise, die jeden Deutschlehrer zu einem "ungenügend" beim Thema "Interpretation" treiben würde.

Sei's drum. Vor dem Hintergrund der Klimakrise wirkt der FDP-Aufstand sowie so äußerst kleinkariert und kleingärtnerisch, jedenfalls der Dimension der Herausforderung nicht gewachsen. Abgesehen davon, dass fraglich ist, ob das EU-Parlament, das eigentlich einen strikten Verbrennerausstieg ab 2035 für Pkw befürwortet, den eher akademischen Formelkompromiss akzeptiert, stellt sich weiter die Frage, ob dieser "FDP-Sturm im Wasserglas" es wert war, eine 27er-Ministerriege um den Schlaf zu bringen. Technologisch wird sich der Verbrenner im Pkw bis 2035 längst erledigt haben, einfach, weil der batterieelektrische Antrieb rasante Fortschritte macht.

Außer in Oldtimern wird die Verbrennungskraftmaschine bis in 13 Jahren in Europa keine Rolle mehr spielen, zumal mit der Euro-7-Norm ohnehin eine 48-Volt-Elektrifizierung fällig wird, die das System nochmal teurer macht. Insofern kann man es nur als "Rechthaberei an der Regierung" bezeichnen, wenn FDP-Verkehrsminister Volker Wissing vor dem Hintergrund der zurecht sinkenden Umfragewerte der Liberalen ihren E-Fuel-Deal jetzt als "Technologieoffenheit" verbrämt.

Hätte die FDP mal früher - und das gilt auch für den Energiebereich - ihr Herz für die Maxime der "Besten verfügbaren Technologie" erkannt, wir wären längst weiter mit Energie- und Verkehrswende. Stattdessen entdecken die Marktliberalen immer den Planwirtschaftler in sich, wenn es darum geht, etwas wirklich progressives anzupacken. Die Partei ist ein einziger Etikettenschwindel mit "ganz wenig Zukunft drin", das scheint mittlerweile auch den zahlreichen Jungwählern der Liberalen zu Bewusstsein zu steigen, siehe Tankrabatt oder Abbau fossiler Subventionen wie Diesel- oder Dienstwagenprivileg oder Pendlerpauschale. Die Frage ist, ob die "Klimaquerulanten vom Dienst" von der FDP sich mit ihrer Bockigkeit einen Gefallen tun - und ihren Negativtrend in den Umfragen drehen können. Authentische Politik sieht jedenfalls anders aus. Sie bedarf einer festen Haltung und klarer Überzeugungen. Genau deshalb sind die Grünen derzeit im Höhenflug.

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